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Montag, 2. Oktober 2017

Katalonien und die EU

Das Thema kocht jetzt so richtig hoch.
Das Unabhängigkeitsreferendum fiel noch weit deutlicher aus, als zu erwarten: der massive Aufmarsch der mit aggressiver Brutalität gegen wehrlose Bürger vorgehenden Polizei hat die Befürworter einer Abspaltung Kataloniens von Spanien gestärkt und mobilisiert. Während einige Gegner, Umfragen noch vor wenigen Wochen zufolge klar in Führung, davon abgeschreckt wurden, sich für ihre Deklaration für einen Verbleib in Spanien auch noch von spanischen Polizisten verprügeln zu lassen, werden andere in letzter Minute umgeschwenkt sein und sich gesagt haben: In diesem Spanien, das mit Waffengewalt gegen seine eigenen Bürger vorgeht und offenbar gepanzerte Militäreinheiten um Barcelona zusammenzieht, möchte ich nicht bleiben.

Die radikale Ablehnung, ja Kriminalisierung der Katalonen, die es wagten, auch nur eine Abstimmung zu initiieren, und die an Francos Zeiten erinnernde Aggressive und brutale Vorgehensweise der Guardia Civil, haben dazu geführt, dass über 90% dafür gestimmt haben, ab morgen die Guardia als illegale Besatzungstruppe in einem Freien und Unabhängigen Katalonien zu betrachten. Der Aufruf zum Generalstreik steht. Die Regionalregierung steht vor dem Ausrufen der Unabhängigkeit. Der Bürgerkrieg steht unmittelbar bevor. Mitten in der EU.

Und Brüssel?
Nicht nur, dass es spätestens jetzt allerhöchste Zeit wäre, sich vermittelnd einzuschalten, die Spanische Zentralregierung und die Katalanische Regionalregierung an einen Tisch zu bringen, müsste auch das Vorgehen gegen Bürger scharf kritisiert werden. Der sonst so wortgewaltige Disziplinierungsapparat, der sich gegen osteuropäische Demokratien gerne als Domina aufspielt, schweigt.

Ein möglicher Grund: Wenn die EU sich auch nur mikroskopisch auf die Seite der Separatisten stellt, die Regierung in Madrid zurückpfeift und das Vorgehen gegen Separatisten verurteilt, dann muss sie sich den Donbass und das brutale Vorgehen Kiews gegen die dortigen Separatisten aufs Brot schmieren lassen. Und Putin wird sich zurücklehnen und lächelnd nur ein Wort sagen: Krim.

Egal, wie es weitergeht und wie weit die Gewalt eskaliert, mit der Madrid gegen die Katalanen vorgehen wird – für die EU, die sich in der Ukraine und gegen Russland weit aus dem Fenster gelehnt hat, wird das zu einem harten Tritt. Egal, was Brüssel jetzt tut oder sagt, es wird immer falsch sein und ihm in jedem Fall auf den Kopf fallen.

Wenn Brüssel jetzt wohlwollend schweigt oder Madrid unterstützt, wird das Argument der EU-Gengner sein: Seht ihr, wenn es erst eine gemeinsam EU-Schutztruppe gibt, wird die bei jedem Aufbäumen eines Kleinstaates gegen seine Auflösung in einer Region des Reiches zu einem Einmarsch und brutaler Unterdrückung kommen. So würde eben auch ein EU-Zentralstaat, wie er Leuten wie Juncker oder Van der Bellen als leuchtendes Ideal vorschwebt, in der Realität gegen renitente Abspaltungsbewegungen vorgehen. Einmal darin gefangen würde bedeuten, nie wieder heraus zu können, nicht mit demokratischen Mitteln, die offensichtlich keine Bedeutung haben.

Wir leben in interessanten Zeiten. Seit gestern sind sie noch etwas interessanter geworden.

5 Kommentare:

  1. Vorsicht: Doppelter Boden!
    Katalonien ist seiner linken und anarchistischen Tradition verhaftet und Katalanen sind eben NICHT ethnische Patrioten. Siehe auch hier:
    http://www.independent.co.uk/news/world/europe/barcelona-march-refugees-protest-spain-more-160000-people-thousands-catalan-a7587996.html
    Eigentlich eine Befeuerung der EU-Agenda aber andererseits muss Seperatismus bestraft werden. Die Position Brüssels wird das wirklich Spannende.

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  2. Werter wbeier,
    ich weiß, aber das ist in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach ohne Bedeutung. Es spielt keine Rolle, aus welchem Grund eine Region Autonomie bzw. Unabhängigkeit anstrebt. Wenn ein Volk mit überwältigender Mehrheit seinen Willen bekundet, einen eigenen Staat zu gründen, egal ob Kurden oder Katalanen, dann gibt ihnen das Völkerrecht absolut das Recht dazu. Sie besitzen ein Siedlungsgebiet, eine eigene Kultur und eine eigene Sprache, da spielt deren hauptsächliche politische Ausrichtung absolut keine Rolle. Die ist kein Kriterium im Völkerrecht.
    Ob die ihren Staat dann ordentlich verwalten können oder aus eigener Leistung am Leben halten, ist dann eine andere Frage.
    MfG Fragolin

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  3. @wbeier
    Ich sehe da keinen doppelten Boden, nur zweierlei Maß.

    Man hat es eben mit Politikern zu tun. Da gibt es kein Rückgrat, keine Prinzipien, keine Verantwortung. Da kommt mir sowieso immer des Kotzen, wenn ich höre, dass eine dieser Figuren "Verantwortung für das Land" übernehmen will. So ein doofer PR-Spruch. Gerade wieder wunderbar bei der Kernschmelze zu beobachten, der übernimmt auch keine Verantwortung, stellt sich doof, und lügt kalt lächelnd die ganze Bevölkerung samt Medienschar ins Gesicht, von wegen nichts gewusst. Aber die Task-Force findet nun heraus, wer die SPÖ-Miarbeiter finanziert hat, vielleicht war es ja Mutter Theresa. Lügen, betrügen, bescheissen, alles kein Problem, die Leute vergessen schnell und wenn es nicht klappt wird man eben EU-Politiker. Nur zugeben, was bewiesen und nicht mehr zu leugnen ist, dies Devise wird ihnen jeder Anwalt raten.

    Aber ich schweife ab, in der Frage Katalonien und Spanien und Verhalten der EU hat man genau das gleiche Muster, es geht nicht um Prinzipien oder Werte, sondern nur darum, möglichst viel Geld und Macht zu behalten.
    "Der Einsatz der Polizei war verhältnismäßig." Alleine für diese Aussage gehört der Hr. Minister gefeuert.

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  4. wie traurig ..die ureigenste Form der Demokratie wurde mit Füssen getreten!

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  5. Ei, und wenn nun die Politruks der EU gar nicht in einer argen Zwickmühle sind? Die Schotten hat man vor nicht allzu langer Zeit publikumswirksam wissen lassen, daß ihre Separation gleichbedeutend mit dem Rauswurf aus der EU wäre. Die Milliarden aus Brüssel würde man in Katalonien auch sehr vermissen. Und noch viel degoutanter ist, daß Brüssel es offenbar "versäumt" hat, rechtzeitig die Herren in Madrid auf die fatale Außenwirkung ihres brutalen Vorgehens hinzuweisen. Oder liegt unseren Spitzbuben in Brüssel vielleicht sogar daran, die Katalanen zu stärken? Das ist zumindest nicht abwegig. Schauen wir uns doch mal an, wer in Barcelona die "Regierung" stellt: CUP und Junts pel Si, die man getrost als linksradikal bezeichnen kann. Unter breiter Unterstützung von Podemos und den Moslems, die bereits 8% der Bevölkerung ausmachen und selbstbewußt ihr Ziel nennen: Al Andalus über den Weg der Auflösung des Zentralstaates. Moslems+Linksradikale waren schon immer eine Mischung so ganz nach dem Geschmack der EU-Granden.
    Am Ende steht eine weitere Stärkung Kataloniens und Schwächung Madrids, dessen rigide Abschottungspolitik gegenüber den erwünschten Migrantenströmen der EU ein Dorn im Auge ist. Ein noch unabhängigeres Katalonien könnte zum moslemischen Brückenkopf in Europa werden- mit freier Durchreise in den Rest.

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