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Sonntag, 24. September 2017

Mittagstisch am Wahltag

Ich saß im Restaurant und studierte die Karte.
Es gab Kürbisknödel mit Sojasoße. Ich finde Kürbis grauslich.
Aber es gab ja auch Spinat mit Erdäpfeln. Altes Kindheitstrauma: nie wieder Spinat!
Möglich wäre auch Obst gewesen, aber die Äpfel waren faulig, die Bananen schwarz und schleimig und die Weintrauben sahen aus wie gammelige Rosinenknödel.
Es gab laut Karte auch Backhendl mit Reis. Lecker. Genau das, was ich mag.
Der Ober kam und frug mich grinsend, ob ich gewählt hätte.
Ich wollte schon ansetzen und „Ba...“ sagen, da setzte er nach: „Essen Sie was immer Sie wollen, aber auf keinen Fall Backhendl! Nur durch die konsequente Wahl aller anderen Gerichte können Sie vermeiden, dass auch morgen noch arme Hühner für die primitive Fleischfressergier lebensverachtender Unmenschen gekeult werden!“
Er sah mich streng an.
Die anderen Gäste, vor ihren dampfenden Mahlzeiten, die mich an Komposthaufen erinnerten, wandten sich zu uns um und musterten mich durchdringend. Stille umfing mich.
„Ich möchte“, begann ich leise und schluckte schwer, „trotzdem das Backhendl“.
Ein entsetztes Keuchen erfüllte den Speisesaal, der Ober wurde kreidebleich und entschwand wortlos in der Küche. Eine junge Frau am Nachbartisch spuckte auf den Boden und wandte sich angewidert von mir ab, ihr Begleiter machte mit dem Handy schnell ein Foto von mir und zog dann einen Notizblock hervor, in den er eilig etwas kritzelte. Einige tuschelten, ein älteres abgezehrtes Paar stand auf und verließ mit angewidertem Blick demonstrativ das Lokal. Ich fing Getuschel auf von „widerlich“ über „gehört selbst geschlachtet“ bis hin zu „ewiggestriger weißer Sack“.
Nach wenigen Minuten kam der Ober, knallte eine schmuddelige Schüssel mit rohen Hühnerteilen vor mich hin und schnauzte: „Hier haben Sie Ihre Leiche! Und jetzt verschwinden Sie und kommen gefälligst nie wieder!“
Ich habe gewählt.
In Zukunft werde ich mein Essen nur noch selbst zubereiten.

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