Ich saß im Restaurant und studierte die Karte.
Es gab Kürbisknödel mit Sojasoße. Ich finde Kürbis grauslich.
Aber es gab ja auch Spinat mit Erdäpfeln. Altes Kindheitstrauma: nie
wieder Spinat!
Möglich wäre auch Obst gewesen, aber die Äpfel waren faulig, die
Bananen schwarz und schleimig und die Weintrauben sahen aus wie
gammelige Rosinenknödel.
Es gab laut Karte auch Backhendl mit Reis. Lecker. Genau das, was ich
mag.
Der Ober kam und frug mich grinsend, ob ich gewählt hätte.
Ich wollte schon ansetzen und „Ba...“ sagen, da setzte er nach:
„Essen Sie was immer Sie wollen, aber auf keinen Fall Backhendl!
Nur durch die konsequente Wahl aller anderen Gerichte können Sie
vermeiden, dass auch morgen noch arme Hühner für die primitive
Fleischfressergier lebensverachtender Unmenschen gekeult werden!“
Er sah mich streng an.
Die anderen Gäste, vor ihren dampfenden Mahlzeiten, die mich an
Komposthaufen erinnerten, wandten sich zu uns um und musterten mich
durchdringend. Stille umfing mich.
„Ich möchte“, begann ich leise und schluckte schwer, „trotzdem
das Backhendl“.
Ein entsetztes Keuchen erfüllte den Speisesaal, der Ober wurde
kreidebleich und entschwand wortlos in der Küche. Eine junge Frau am
Nachbartisch spuckte auf den Boden und wandte sich angewidert von mir
ab, ihr Begleiter machte mit dem Handy schnell ein Foto von mir und
zog dann einen Notizblock hervor, in den er eilig etwas kritzelte.
Einige tuschelten, ein älteres abgezehrtes Paar stand auf und
verließ mit angewidertem Blick demonstrativ das Lokal. Ich fing
Getuschel auf von „widerlich“ über „gehört selbst
geschlachtet“ bis hin zu „ewiggestriger weißer Sack“.
Nach wenigen Minuten kam der Ober, knallte eine schmuddelige Schüssel
mit rohen Hühnerteilen vor mich hin und schnauzte: „Hier haben Sie
Ihre Leiche! Und jetzt verschwinden Sie und kommen gefälligst nie
wieder!“
Ich habe gewählt.
In Zukunft werde ich mein Essen nur noch selbst zubereiten.
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