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Mittwoch, 11. Oktober 2023

Philosophisches zum Mittwoch

 

Unvaccinated lives matter.

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Seitdem der Glaube aufgehört hat, daß ein Gott die Schicksale der Welt im großen leite und trotz aller anscheinenden Krümmungen im Pfade der Menschheit sie doch herrlich hinausführe, müssen die Menschen selber sich ökumenische, die ganze Erde umspannende Ziele stellen. Die ältere Moral, namentlich die Kants, verlangt vom einzelnen Handlungen, welche man von allen Menschen wünscht: das war eine schöne naive Sache; als ob ein jeder ohne weiteres wüßte, bei welcher Handlungsweise das Ganze der Menschheit wohlfahre, also welche Handlungen überhaupt wünschenswert seien…“

Also sprach Friedrich Nietzsche in seinem Werk „Menschliches, Allzumenschliches“, und sah voraus, was uns heute widerfährt, nämlich den Ersatz des verlorenen Glaubens durch neue Götzen, die mangels Kenntnis des Einzelnen darüber, was „der Menschheit wohlfahre“ ihnen von „Weisen“, „Experten“ und selbsternannten ideologischen Moralaposteln vorgeworfen wird, auf dass sich jeder seinen Krumen herauspicken kann, über den er sich wieder zum Mitglied der Gruppe der Einzig Wahren Gläubigen gesellen und über den ungläubigen, zweifelnden, fehlgeleiteten Rest erheben kann. Und so schütten sie das Füllhorn an Selbsterhöhungsbegründungen aus, mit dem man sich zum moralischen Herrenmenschen, wahren Gläubigen und mit geradezu göttlicher Aufgabe versehenen Kämpfer anschließen kann den Sturmtruppen der Fanatiker, die sich über allem Gesetz wähnend auch vor Straftaten nicht Halt machen bis zur letzten Konsequenz im Namen ihrer Moral und ihres neuen Gottes, heiße er nun Wokismus, Progressivität, Pandemie oder Klima.

Gott ist nicht tot, er ist austauschbar geworden, zu einem „today I identify myself as a…“-Gott, ein Transgott, den sich jeder zusammenbasteln kann wie er will und wie er es braucht, um sich als Besitzer der Einen Wahrheit zu wähnen. Und als Besitzer der Einen Wahrheit steht man ja automatisch über dem ungläubigen fehlgeleiteten oder gar renitent falschglaubenden Gewürm, das macht diese Position so erstrebenswert.

Nietzsche hat im Kern recht behalten. In seiner Zeit sah er nur die Ersatzreligionen des Kaiseranhimmelnden Nationalstolzes und des glühenden Judenhasses der Antisemiten, aber die Zeit ist weiter geeilt und hat weitere Faschisten jeglicher Regenbogenfärbung geboren: Rassefaschisten, Klassenfaschisten, Soziofaschisten, Kapitalfaschisten, Ökofaschisten, Gesundheitsfaschisten, Klimafaschisten, Transfaschisten – und alle mit dem Minimalanspruch, die ganze Menschheit, den Planeten oder gleich das Universum zu retten. Sie schießen wie die Pilze aus dem muffigen Mulch, den eine sterbende Religion und ihr vermoderndes Bodenpersonal hinterlassen haben, und sie fühlen sich besser als je, weil sie im Namen von etwas komplett Neuem doch nur das gleiche wie immer machen: sich eine Religion zur moralischen Selbsterhöhung suchen, fanatisieren, radikalisieren, über andere erheben und letztendlich als Gotteskrieger in die Schlacht ziehen. Zur Not mit Pattex, Baseballschläger oder aktuell einer Giftspritze. Der frei denkende und lebende Mensch ist ihnen ein Gräuel und ihr Todfeind, denn niemand darf den Beweis antreten, dass es keines Gottes und keiner Religion bedarf – und schon gar keines Kollektivs der Wahren Gläubigen, egal ob es sich jetzt Volk, Klasse oder letzte Generation nennt. Da sei die Inquisition vor!

Das Mittelalter ist noch lange nicht vorbei. Der aufgeklärte Humanismus war nur eine temporäre Erscheinung zwischen herunterrasselnden Guillotinen und modernen „Kollateraltoten“, die aktuell dem Transhumanismus und einem neuen, noch allumfassenderen Globalfaschismus weicht. Die Industrialisierung hat offensichtlich nur technologische Veränderungen gebracht, aber keine wirklich geistigen. Der Geist, der die steinzeitliche Keule gegen die Nachbarsippe schwingen ließ, spielt heute mit dem Gedanken, „die Russen atomar auszulöschen“ – die Dimensionen haben sich verändert, die zugrundeliegende Geisteshaltung nicht.

Die Menge der Individualisten und Freidenker ist weiterhin marginal. Der Rest hängt weiter an irgend einem Transgott.


1 Kommentar:

  1. Die Menge der Individualisten und Freidenker wird immer kleiner. Wer beschäftigt sich heute noch mit Philosophie? alles was nicht auf einer Handyseite darstellbar ist,ist out!

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