„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Mittwoch, 25. März 2020

Fußnoten zum Mittwoch

Amazon kommt mit dem Liefern nicht mehr nach. Weil der vielgeschmähte Online-Händler den Ersatz für tausende gesperrte Geschäfte übernehmen muss, können Lieferungen, die bisher im 24-Stunden-Dienst ausgeliefert wurden, künftig bis zu einem Monat dauern. In Frankreich und Italien werden Bestellungen nicht lebensnotwendiger Güter gleich storniert.
Wie schnell doch die Stimmung umschlägt, wenn man die, die man permanent wegen ihrem Geschäftsmodell verteufelt hat, plötzlich braucht. Würden all jene, die Amazon als Gottseibeiuns des turbokapitalistischen Neoliberalismus und knechtenden Ausbeutermoloch angebrüllt haben, jetzt wenigstens konsequent diese achsobösen Wucherer und Schacherer in ihrem Beschaffungsgebaren meiden, dann gäbe es weder Lieferengpässe noch Wartezeiten. Aber wie das eben immer so ist: Wenn es richtig dick kommt, hat der Sozialismus keine Lösungen, der Freie Markt immer.

***

Während in Italiens Krankenhäusern Menschen jämmerlich am Gang verrecken, weil Hilfslieferungen von den „EU-Partnern“ zurückgehalten oder gleich dreist geklaut werden, eröffnen die abgehobenen Bonzen in Brüssel mit Fanfarenklang und Schulterklopfen neue Aufnahmeverhandlungen mit zwei weiteren südbalkanischen Mafia-Shitholes, nämlich Nordmazedonien und Albanien.
Was, denken sich da renitent antieuropäsich dahingeifernde Rechtspopulisten, haben die keine anderen Sorgen? Haben die den Schuss nicht gehört?
Keine Bange, liebe Leute, es ist ja nicht so, dass sie nicht angemessen besorgt wegen Corona wären und sich die Tabletts mit den Häppchen nicht von Catering-Püppchen mit fliederfarbenen Gummihandschuhen reichen lassen würden. Die Gelegenheit ist nur günstig, während alle gebannt auf die Statistik-Seiten des Bundesgesundheitsministeriums starren, da unten im Shithole des Balkans eine außengrenzenfreie Reiseroute aufzumachen, damit endlich alle mit Passierschein und Stempel beglückten Auf-das-Festland-Gebrachte der griechischen Neubürger schnurstracks und ohne Orbanzaun ins gelobte Merkelstan reisen können. Soll der ultrarechte neofeschistische Kanzler von Österreich nur noch einmal probieren, eine Balkanroute zu schließen – die wird es nicht mehr geben, denn innerhalb der EU gibt es keine illegale Migration mehr.
Um es mit „Kentucky schreit ficken“ zu sagen: „Gefickt eingeschädelt!“

***

Heute war ich meinen wöchentlichen Einkauf erledigen. Ganz klassisch: Das Männchen geht raus auf die Jagd, wo das Säbelzahncorona droht. Und im Supermarkt um die Ecke, der mich in normalen Zeiten eher selten sieht, steht eine junge, recht ansehnliche Kassenfachkraft hinter einer frisch installierten Plexiglasscheibe (die Plexiglasscheibenherstellungs- und -montagefirmen erleben gerade einen Boom, wie es scheint) und es macht bei jedem Tippser ihrer mit violettem Latex verhüllten zarten Hände leise „Piep! Piep!“ - was für Assoziationen! Es gibt Momente, da vergesse ich, dass ich gar nicht auf Latex stehe.
Was ja auch die Tatsache erklärt, dass ich Kinder habe.

Vor schlechtem Gewissen ob meiner unzüchtigen Gedanken brachte ich meiner Liebreizenden auch etwas besonders Wertvolles mit:
Mein liebster Schatz ich schenke dir
Zwei Rollen feinstes Klopapier
das hat, was soll ich da noch sagen,
sogar vier superweiche Lagen!“
Poesie in Zeiten der Quarantäne.
Noch nie war sie so billig wie heute.

Keine Kommentare: