Was ist da los? Die halbe Welt wird brutal vergiftet mit einem
Insektenvernichtungsmittel, man muss hunderttausende Hühnereier und
tonnenweise Lebensmittel vernichten und als Sondermüll entsorgen,
weil sie für Menschen hochgiftig sind und man damit rechnen muss,
nach dem Sonntagsfrühstücksei zuckend zusammenzubrechend und mit
Schaum vor dem Mund jämmerlich zu verenden. Zumindest ist das das
Bild, das durch den medialen Hype um die „belasteten“ Hühnereier
und deren massenhafte Vernichtung aufgebaut wird.
Aber was ist jetzt wirklich Fakt?
Dieses Insektizid ist schädlich für Bienen und deshalb vollkommen
zu recht verboten. Man darf es gegen Flöhe und Zecken bei Haustieren
einsetzen, aber nicht mehr in der Landwirtschaft und
Nahrungsmittelindustrie. Nicht, weil es dem Menschen schadet, sondern
den Bienen schaden kann. Beim Sprüheinsatz auf Feldern sieht man das
ein, das Verbot bei der Massentierhaltung ist auch verständlich,
kommt es doch über die Streu und die Ausscheidungen auch auf die
Felder.
Absolut in Ordnung geht die strafrechtliche Verfolgung jener Firma,
die diese verbotene Substanz illegal in ihr Mittel gegen Milbenbefall
bei Hühnern eingerührt hat. Das Thema Massentierhaltung generell,
das solche Mittel überhaupt erst notwendig macht, möchte ich gar
nicht anschneiden. Verboten ist verboten und Punkt.
Jetzt kommt aber der Witz an der ganzen Geschichte: Da es um die
Verhinderung der Verbreitung des Giftes in die Landschaft geht,
müssten die Legebatterien sofort geräumt, entseucht und die
kontaminierten Hühner gekeult werden. Davon habe ich nichts gelesen.
Aber man vernichtet medienwirksam und aktionismusheuchelnd
tonnenweise Eier, deren Verzehr beim Menschen genau gar nichts
bewirken würde.
Es gibt einen Höchstwert für den Gehalt an Fipronil, bis zu der
keinerlei Gesundheitsbedenken bestehen. Dieser Höchstwert wird, wie
z.B. im „Standard“
zu lesen ist, um das Zehn- bis Hundertfache unterschritten.
Als Richtwert gilt, dass bei Erreichen des Höchstwertes ein Ei pro
Kilogramm Körpergewicht ohne gesundheitliche Schädigung zu sich
genommen werden kann. Ein Erwachsener Mann mit 80 Kilo müsste also,
je nach Belastung seiner Frühstückseier, zwischen 80 und 800 Eier
löffeln, um überhaupt in die Gefahrenzone zu kommen, ab der ihm
schlecht werden könnte. Ich weiß ja nicht, wie es meiner geneigten
Leserschar so geht, aber bereits der Verzehr eines Bruchteiles davon
hätte bei mir auch ohne jegliche schädliche Inhaltsstoffe diesen
Effekt. Wenn ich sonntags in der Früh nach zwei Löffeleiern noch
die Reste meiner Kinder esse, die ausgerechnet das belastete (aber
meiner Meinung nach besonders schmackhafte, daher meine selbstlose
Bereitschaft, ihnen zu helfen) Gelbe vom Ei ihrem Erzeuger
überlassen, steht mir der Knopf am Zapferl, wie man so schön sagt.
Drei bis vier Eier am Stück, das ist schon Kampf-Ostern. Ich habe
nicht einmal ansatzweise die Chance, auch nur in die Nähe irgend
einer Gesundheitsbelastung zu kommen.
Dass ich das sowieso nicht komme, weil wir unsere Hühnerküken in
Feststoffhülle direkt vom Kleinbauern beziehen und nicht von armen
KZ-Hühnern, die in ihrem Leben nichts anderes sehen als tausende
Artgenossen in Minikäfigen und nichts tun als in künstlich
beschleunigtem Kunstlicht-Tag-Nacht-Rhythmus Eier zu legen bis sie
ausgelaugt entsorgt werden und die deshalb mit allen möglichen
Chemikalien am Verfaulen bei lebendigem Leib gehindert werden müssen.
Aus den Legehennen vom Freiland-Bauern, dessen Hühner im
Sonnenschein des natürlichen Rhythmus zwischen den Weinreben die
Schneckenvernichtung betreiben und deren Eier deshalb eine Schale wie
Beton haben, kann man nach dem Ablegen der Quote eine Suppe kochen,
der Biomüll aus den Legebatterien muss als Sondermüll verbrannt
werden.
Die einzige Gefahr, mit belasteten Eiern in Berührung zu kommen, ist
der Verzehr von Nudeln und all den anderen, weit entbehrlicheren,
Produkten der sogenannten „Nahrungsmittelindustrie“. Ich mag
keine Nahrungsmittel, ich mag Essen. Essen wächst und absorbiert
Sonnenlicht oder es hat zu Lebzeiten einen Puls. Die Zutatenliste
eines Räucherschinkens umfasst exakt eine Position: Schwein. Dazu
etwas Salz und Pfeffer. Fertig. Keine E-Nummern, keine künstlichen
Hormone, Antioxidationsmittel, Spezialsalze und Geschmacksverstärker.
Ein über echtem Buchenholz geräucherter Schinken in Meersalzkruste
braucht keinen Geschmacksverstärker sondern einen guten Wein. Vom
südsteirischen oder ungarischen Weinbauern.
Doch zurück zu unserem Medienhype, für den gerade tonnenweise
Lebensmittel im Sommerloch entsorgt werden. Lebensmittel, die der
Mensch selbst bei großzügigem Verzehr ohne weitere
Gesundheitsbedenken verzehren könnte. In einer Welt, in der Hunger
noch immer eine weit verbreitete Todesursache ist.
Wir wollen uns wirklich wundern, wenn afrikanische Familien ihre
jüngsten Söhne zu uns schicken, in das Land, in dem Lebensmittel
als Sondermüll entsorgt werden, die bei ihnen als Delikatessen
gelten würden, selbst wenn zehnmal mehr irgendwelche Stoffe im
Dotter herumschwimmen? Wir wollen uns wundern über die Verachtung
jener, deren Enkel und Neffen in kongolesischen Kobaltminen ihren
Lebensunterhalt verdienen müssen, während unsere gleichaltrigen
Kinder im Kindergarten keine Nudeln vorgesetzt bekommen, weil darin
ein Ei verarbeitet sein könnte, das ein paar Nanogramm eines
Insektizids enthalten könnte, was ihnen exakt gar nicht schadet? Und
nein, genau diese Leute kommen nicht über Libyen zu uns, die haben
niemals das Geld um auch nur ihren Kral zu verlassen. Die zu uns
kommen sind die gut genährten und durchtrainierten jüngsten Söhne
genau jenes afrikanischen Mittelstands, der an Sklaverei,
Kinderarbeit und Ausbeutung genug verdient, um Anker in Europa
auszusetzen, an deren Leine dann zusätzliches Geld aus der dritten
bis siebten Identität ihres Sprösslings Richtung Familienkassa
fließt.
Wir helfen den relativ Wohlhabenden, reicher zu werden, indem sie
unsere Sozialtöpfe anzapfen, und scheren uns einen Dreck um die
wirklich Armen. Und kümmern uns nebenher mehr um ein paar Tonnen
Eier mit geringen Spuren von Irgendwas als um die wirklich Leidenden
der Welt.
Ich lasse mir mein sonntägliches Frühstücksei auch heute schmecken
und habe kein schlechtes Gewissen, weil der kleine Owumbu nicht
einmal weiß, was ein Sonntag oder ein Frühstücksei ist. Ich habe
ihn nicht in diese Lage gebracht. Aber mich widert an, dass wir uns
als Gesellschaft um das Los eines zentralafrikanischen Kindes, das
rund um die Woche Kobalt für die klimarettende Elektromobilität,
die bei einer unseren Werten entsprechenden Abbautechnik vollends
unbezahlbar würde, im Korb aus einem Erdloch schleppen darf, weit
weniger scheren als um den sowieso unschädlichen Genuss einer
Portion Nudeln. Für die der Kleine in Afrika Tränen der Freude
vergießen würde, dürfte er jemals so etwas essen.
Und die, die uns das einbrocken, fühlen sich noch als die
Moralapostel dieser Welt.
Und fordern strengere Kontrollen unserer Lebensmittel.
Und den ausschließlichen Transport mit E-Autos.
Den Owumbu wird‘s freuen.
3 Kommentare:
Danke, Fragolin. Wieder einmal den Finger in die Wunde gelegt. Ob wohl alle Hunde- und Katzenhalter ihre Einmalhandschuhe nach Milbenmittelbeträufelung korrekt entsorgen oder sich bei Handschuhverzicht gründlich die Hände waschen? Und ihre Tierchen dann ein paar Stunden nicht streicheln?
Im übrigen erstaunt es mich sehr, daß Fragolin nach seinen zwei Frühstückseiern auch noch die Reste seiner Kinder verzehrt. Mit oder ohne Meersalzkruste?
Tschuldigung, war aufg´legt :))
Werter fischer,
leider geht sich die Salzkruste auf den Resten nicht mehr aus, meine liebreizende Fragolina lässt von den Beiden, die sie zum Fressen gerne hat, einfach zu wenig übrig... ;-)
Nichts zu entschuldigen, erwischt ist erwischt. Aufgelegte muss man treten.
MfG Fragolin
Schönen Sonntag, liebe fragolinische Familie. Und danke auch für ein bißl Lächelndürfen.
:)
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