„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Montag, 2. Oktober 2017

Die Werte der EU

Die Europäische Union feiert das Hochhalten ihrer Werte.
Nein, werte Leser, ich habe die Katalanen nicht vergessen, auch wenn inzwischen die als Wahl getarnte Merkelbestätigung und die als Hoppala getarnte Implosion der SPÖ etwas den Fokus verschoben haben. Nachdem ich aber bereits hier meine Bedenken gegen Spanien und die EU geäußert habe, habe ich die Causa im Augenwinkel behalten. Es roch und riecht bis heute nach Bürgerkrieg.

Das brutale Vorgehen der Guardia Civil gegen Katalanen irritiert. Es wurde nach Augenzeugenberichten wahllos auf Menschenketten, die Wahllokale schützen wollten, eingeprügelt und die Guardia schoss Gummigeschosse in die Menge. Die Anzahl der Verletzten steigt permanent, es sind hunderte. Mindestens. Männer, Frauen, Kinder; Familien, die ihr demokratisches Grundrecht zu einer Abstimmung wahrnehmen wollten, wurden niedergeprügelt.

Warum agiert Madrid mit solch offensiver Gewalt gegen Zivilpersonen?
Uns wird permanent aus den Randspalten der Medien vorgetrötet, die Katalanen würden eben so ein bisschen völkisch-nationalistisch nach Unabhängigkeit streben und das wäre eben vom Spanischen Verfassungsgericht unterbunden worden. Aber ganz so ist es nicht. Es gab in den vorbereitenden Umfragen bis heute nämlich eine satte Mehrheit für die Gegner einer Abspaltung. Eigentlich bestand gar keine wirkliche Gefahr, dass sich Katalonien für unabhängig erklärt, bevor die Zentralregierung ihre Nationalmiliz hinschickte und den Katalanen demonstrierte, wer hier das sagen hat. Das hat den Separatisten mehr Menschen in die Arme getrieben als jede ihrer Kampagnen.

Da fragt man sich schon, was Madrid geritten hat. Man hätte die Katalanen einfach abstimmen lassen können, es bestand eh keine wirkliche Gefahr eines Erfolges der Separatisten, und selbst im Falle, dass es eng wird, hätte man das Ergebnis immer noch höchstrichterlich wegen irgendwelcher Verfahrensfehler für ungültig erklären können. Oder verfassungskonform im Parlament zerpflücken.

Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Es geht nicht um die Katalanen und es geht auch nicht um deren Unabhängigkeit. Es geht um das Referendum. Denn genau das ist es, was das Verfassungsgericht verboten hat: das Referendum an sich. Egal, zu welchem Thema, es darf kein regionales Referendum geben. Das darf keine Schule machen. Sonst könnten statt der stolzen, aber recht feinsinnigen Katalanen schon morgen die etwas rustikaler gestrickten Basken auch auf die Idee kommen, eigene Referenden abzuhalten. In Spanien wohnt die Macht in Madrid, und nur dort. Die Regionen genießen Autonomie, solange sie auf dieser nicht bestehen. Klingt seltsam, aber es ist nun einmal ein Königreich.

Und es ist ein Spiegelbild der EU, die in Schockstarre die bürgerkriegsähnlichen Bilder einer außer Rand und Band geratenen Miliz nicht einmal kommentiert. Man stelle sich solche Bilder aus Ungarn oder Polen vor. Dann würden schon Botschafter ausreisen, die EU eine Blockade ausrufen und faktisch diesen Staat isolieren und seine Regierung mit allen Mitteln bekämpfen, bis wieder EU-konforme Kriecher dort sitzen.

In dieser EU existieren souveräne Staaten, gewissermaßen autonome Regionen, auch nur noch auf dem Papier. Die Briten hat man ziehen lassen, weil das renitente Inselvolk sowieso den Granden ein Dorn im Auge war. Aber der Rest braucht gar nicht nachzudenken, auch nur an einen Austritt zu denken. Und Nettozahler schon gar nicht. Und Separatistenbewegungen in den Regionen werden schon gar nicht akzeptiert. Wenn das Schule machen würde und die EU die Separatisten in ihren demokratischen Bestrebungen unterstützen würde, täten morgen vielleicht die Norditaliener gegen die Süditaliener auf der Matte stehen und in Belgien würde der sowieso permanent herrschende Zustand des Fast-Zerfallens für ordentlich Feuer am Dach sorgen.

Ich sehe Katalonien als Beispiel für die gesamte EU, die sich wie ein Feudalreich aufführt, ganz im Sinne ihres großen Helden Karls des Großen, dem sie unterstellen, einen „Gedanken der europäischen Einheit“ gehegt zu haben. Dabei war er einfach nur ein erfolgreicher, weil auch recht brutaler, Eroberer. Wer sich einen Feudalherrscher als geistigen Urvater aussucht, der mit Feuer und Schwert ein Großreich erschuf, hat mit Demokratie und Referenden, Autonomie oder gar Unabhängigkeit nichts am Hut.

Wenn man sich die aktuelle Diskussion im Windschatten der Zuwanderung anschaut, wo denn nun die Werte der EU liegen - in Katalonien bekommt man sie gerade demonstriert.

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