Das „Friedensprojekt“ EU steckt in der Zwickmühle. Auf der einen
Seite wollen sich die Verwaltungsbeamten rund um Truchseß Juncker
neuerdings irgendwie demokratiekompatibel geben, auf der anderen
Seite spuckt ihnen der Wahlpöbel mal wieder gehörig in die Suppe.
In Spanien sind in diesen Tagen Bilder zu sehen, von denen man nicht
weiß, ob man dabei an die Krim oder die Ostukraine denken soll. Das
katalanische Volk will sein (übrigens im Völkerrecht verankertes)
Grundrecht auf ein Referendum über seine Unabhängigkeit von Spanien
wahrnehmen. Die demokratisch gewählte Vertretung der Autonomen
Gemeinschaft Kataloniens hat dazu ein Gesetz verabschiedet, das die
Modalitäten des Referendums regelt und dieses Referendum zum ersten
Oktober angesetzt hat.
Und wie das so ist in einem „demokratischen“ Gebilde, haben
prompt in Madrid die Parlamentarier der restlichen Regionen Spaniens
mit überwältigender Mehrheit beschlossen, dass das illegal sei. Die
drei Wölfe haben beschlossen, dass die Entscheidung des Schafes,
nicht zum gemeinsamen Frühstück gehen zu wollen, automatisch zur
gerechten Strafe des Gefressenwerdens führt.
Bis dahin roch das alles nach einer Politposse. Doch wie es scheint,
wird es langsam ernst. Die Spanische Zentralregierung hat der
Katalanischen Regierung die Guardia Civil, jene paramilitärische
Zivilbehörde, die nicht erst seit ihrer unrühmlichen Rolle während
des Franco-Faschismus und wegen ihres Versuches, danach per Putsch
das Land zu übernehmen, besondere Beliebtheit genießt, auf den Hals
geschickt. Regionalregierungsmitglieder wurden verhaftet, Stimmzettel
konfisziert und vernichtet, Wahlbehörden mit Repressalien bedroht
und über 700 katalanische Bürgermeister werden angeklagt und vor
Gericht gestellt, weil sie öffentlich bekräftigt haben, für das
Referendum zu sein. Dabei müssen sie nicht einmal pro Sezession
eingestellt sein, allein die Befürwortung des Referendums reicht.
An diesem Punkt hat es bereits den Geruch türkischer Zustände.
Demokratisch gewählte Volksvertreter eines Regionalparlamentes
werden von der Zivilgarde der Zentralmacht in den Knast gesteckt,
ihre Büros und Wohnungen durchfilzt, Stimmzettel zu einem Referendum
vernichtet, Befürworter Repressalien ausgesetzt. Inzwischen gehen
tausende Katalanen täglich auf die Straße.
Das Paradoxe ist ja, dass seit Monaten Umfragen ein Bild ergeben, das
eine deutliche Führung der Gegner einer Abspaltung zeigt. Man müsste
einfach abstimmen lassen und dann feststellen, dass es eh alles beim
Alten bleibt. Aber irgendwie bekommen anscheinend einige alte Recken
der Guardia und deren politischen Falkenfreunde, die schon lange
nicht mehr gegen die eigenen Leute die Waffen anlegen durften, das
Jucken im Abzugsfinger, und provozieren die Katalanen bis aufs Blut.
Allein durch das repressive Vorgehen gegen demokratisch gewählte
Volksvertreter Kataloniens steigt den stolzen Katalanen die Wut auf.
Österreicher kennen das Gefühl. Und so kommt es zu der Situation,
dass zwar noch immer eine Mehrzahl gegen die Abspaltung zu sein
scheint, aber eine überwältigende Mehrheit jetzt das von Madrid
inkriminierte Referendum fordert. Und Befürworter wie Gegner sich
zum Protest gegen Madrid treffen.
Spätestens an diesem Punkt wäre eine Stellungname, ach was, ein
aktives schlichtendes Eingreifen der EU gefordert. Das großartige
„Friedensprojekt“ schaut irritiert auf Spanien, das im Inneren
mit täglich wachsender repressiver Gewalt gegen Teile der eigenen
Bevölkerung vorgeht, demokratische Beschlüsse, gewählte
Volksvertreter wegen ihrer politischen Tätigkeit einsperrt und seine
Gardetruppen
samt Schützenpanzern
rings um Barcelona zusammenzieht. Und kann nichts tun. Denn würde
die EU den militärischen Aufmarsch gegen die katalanischen
Separatisten verdammen, müsste sie Gleiches auch gegen die Kiewer
Regierung aussprechen. Würde sie den Separatisten das Recht auf
Abspaltung zugestehen, müsste sie das auch dem Donbass. Wenn sie
aber das aggressive militärische Drohgebaren inklusive
Inhaftierungen und Razzien gegenüber den Katalanen befürwortet,
dann kann sie sich kaum noch ernsthaft von Erdogan und dessen Kampf
gegen kurdische Separatisten distanzieren. Man hat sich politisch in
eine Sackgasse manövriert, wie das früher oder später passiert,
wenn Schein und Sein nicht zusammenpassen. Als heldenhafte Kämpfer
für die Rechte der einfachen Menschen müssen sie die militärischen
Muskelspiele Madrids gegen die eigene Bevölkerung verdammen, als
Truchsesse des selbst über den Spanischen Zentralstaat gestülpten
Europäischen Reiches müssen sie aber jede noch so kleine
Sezessionsbestrebung auf Kontinentaleuropa mit allen Mitteln
bekämpfen.
Egal, wo sich Brüssel positioniert, ja sogar egal, ob es das
überhaupt tut, in jedem möglichen Fall ist die Katalonien-Krise ein
Fiasko.
Was ihr auch auf den Kopf fallen kann, ist der Vertrag von Lissabon.
Denn wie heißt es so schön in der den Völkern aufgestülpten
EU-Verfassung neben der Erlaubnis zum letalen Waffengebrauch bei
„Aufständen“ (und als solchen wird Madrid beim Fallen des ersten
Schusses die Separatisten-Demos bezeichnen):
„Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten
vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr
begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht
vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen
angewendet werden ...“
Man erkläre den Bürgerkrieg und dann spielt es sich, dass Erdogan
dagegen wie ein lupenreiner Demokrat aussieht.
Und das mit dem Segen der EU. Dann fallen die Masken.
1 Kommentar:
ich empfehle Oriana Fallaci zu lesen
http://mohammed.freehostyou.com/orianafallaci01/index.html
http://mohammed.freehostyou.com/orianafallaci02/index.html
ebenso nach Eurabia zu googlen
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