„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Mittwoch, 23. August 2017

Telefonterror

„Telefonterror gegen Frau von Sigmar Gabriel“ informationsbalkt n-tv reißerisch durch die Nacht, und so fragt sich der müde Medienkonsument, was denn da geschehen sein kann. Haben die ultrarechten Vollnazis der AfD ihre Waffen-SS gegen den helldeutschen Kämpfer losgelassen, auf dass sie seine arme Frau am Telefon stalken und mit Hakenkreuzigung bedrohen? Haben Pegida-Rentner eine sms mit einem symbolischen Pappgalgen aus Dresden geschickt? Oder hat Alexander Gauland himself ihr ein unmoralisches Angebot gewhatsappt?

Nein, nachdem der Stinkefinger-Siggi den Irren vom Bosporus herausgefordert hat und sich beide eine fröhliche Proleten-Pöbel-Challenge liefern, die im Sommerloch gerne mal die wenigen wichtigen Themen unter sich begraben, glauben sich einige Anhänger des Sultans berufen, nicht nur türkische Fahnen schwingend durch alemannische Straßen zu marschieren sondern auch ihren Hass und ihre Verachtung auf die teutonischen Köter zu artikulieren. Etwas, was biodeutsche Vorstadtkinder in staatlichen Schulen täglich in jeder Pause physisch durchleben können.

Nun bin ich ein erklärter Feind der Sippenhaftung. Die Frau von Gabriel kann nichts dafür, dass ihr Mann ein nicht gerade sympathischer Pöbelprolet ist, der immer noch glaubt, Diplomatie wäre uninteressant, weil man sie nicht essen kann. Sie kann zwar was dafür, dass der Typ ihr Mann ist, aber wer einen Wickel mit dem Dicken hat, soll sich gefälligst gegen ihn und nicht die Angehörigen wenden. Generell und Punkt. Auf Angehörige losgehen, das geht nicht.

Allerdings muss man sich jetzt mal zurücklehnen und herausfinden, was denn jetzt wirklich passiert ist. Wenn man sich das hier in der FAZ anschaut, bekommt man den Verdacht, es in diesem Fall mit dem absolut entbehrlichen „Mimimi“ eines Mimöschen zu tun zu bekommen.

Die Polizei in Goslar (...) bestätigte am Dienstag, dass auf dem Anrufbeantworter der Zahnarztpraxis der Frau am Montagmorgen ein Anruf bemerkt worden sei, der sich auf Gabriels politische Tätigkeit bezogen habe. Eine Überprüfung habe jedoch ergeben, „dass nach erster Einschätzung keine Straftatbestände erfüllt sind“, hieß es in einer Mitteilung.
(…) Eine Gefährdungslage, „die über die allgemeine Gefährdungseinschätzung des Bundesaußenministers hinausgeht“, lasse sich aus dem Telefonat nicht ableiten.“

Schönes Beamtendeutsch. Sagt unter dem Strich: da war nix. Da hat ein Anhänger des Osmanensultans eben angerufen und in der in diesen Kreisen gern gelebten kreativen Formulierungskunst seinem Idol nachgeeifert. Unschön, aber mit „Terror“ hat das absolut nichts zu tun. Im Gegensatz zu anderen Angriffen gegen Politikerfrauen. Denen mal eben das Auto abgefackelt wird oder das Küchenfenster mit einem Pflasterstein eingeworfen.

Aber deren Männer sind eben bei der AfD, da ist der dicke Empörling plötzlich ganz stumm, wenn sowas passiert. Was, da wird fast eine schlafende Frau in ihrem Haus abgeheizt, und wird nur gerettet, weil Nachbarn das direkt neben dem Haus brennende Auto bemerken und die Feuerwehr rufen? Egal, ist eh, darf man gerichtlich festgestellt so sagen, eine Nazischlampe.

Na Siggi, merkst du den Fehler? Erkennst du dein jämmerliches Gegreine als die Peinlichkeit, die es ist?

Aber es kommt ja noch besser. Man kann davon ausgehen, und mich wundert das jetzt nicht wirklich, dass diese Gestalten gar nicht mehr merken, was sie da überhaupt absondern. Wenn das Thema nicht so traurig wäre, könnte man den ganzen Tag drüber lachen. Ich meine, Leute, gebt euch bitte mal diese Situation und denkt mal darüber nach, ganz in Ruhe und am Besten im Sitzen:

Der Dicke steht auf einem Boot direkt neben seinem Kumpel Heiko Maas, und es ist enorm wichtig darauf hinzuweisen, dass in diesem Moment Heiko Maas neben ihm steht, genau der Heiko Maas, eh schon wissen, der dabei auch noch bedröppelt in die Kamera schaut wie nur Heiko Maas bedröppelt schauen kann, und der Siggi blubbert empört:

Wenn die Spitze eines Staates anfängt, derartig gegenüber Personen vorzugehen, gibt es leider Menschen, die meinen, sie hätten das Recht, dann auch noch persönliche Bedrängnisse zu organisieren.“

Ich liebe die modernen Zeiten, sie eröffnen einem Möglichkeiten, ohne die das Leben seine skurrilsten Momente nicht konservieren könnte. Man kann heutzutage in einem digitalen Bilderrahmen nämlich Videos an die Wand hängen.
Dieser Moment mit den beiden, bei dem ich unwillkürlich an „Dick und Doof“ denken musste, was ich allerdings niemals zugeben würde, weshalb ich das auch hier lieber nicht hinschreibe, hat es sich verdient, zur täglichen Erbauung gespeichert zu werden.
Da steht ein Genosse neben Maas und erklärt faktisch, dass das Aufhetzen von Antifanten gegen Privatpersonen durch Repräsentanten der Regierung ein Unding ist, und der Zensurminister verzieht keine Miene.
Ja, genau dafür gibt es Wände und wurden Dinge wie Nägel und digitale Bilderrahmen erfunden.
Herrlich!

1 Kommentar:

Heinz hat gesagt…

Ja, ja, das übliche Geschwätz halt. Alleine wenn keine Details veröffentlicht werden weiß der geübte Leser bereits, was es geschlagen hat.
Wahrscheinlich hat der Typ am Anrufbeantworter nur gefragt, ob sie ihrem eigenen Mann nicht auch einmal ein paar Zähne ziehen kann.