„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Montag, 7. August 2017

Wampo und der Kurier

Wer sich ein Bild machen möchte, wie der hochgepriesene und mit geradezu junckerscher Weisheit und Abstinenzstärke gesegnete Wiener Bürgermeister, der nicht nur in den Reihen seiner Partei ein Schwergewicht darstellt, so tickt, der kann sich heute im „Kurier“, der intellektuell anspruchsvollen Gazette des neoprogressiven EU-Bürgers, ein Interview geben, das die Eloquenz des Spitzen-Roten und die investigative Härte der Kurier-Journaillisten in brutaler Härte dokumentiert.

Bereits die Gestaltung der Überschrift ist eine Herausforderung für den gelernten Medienkonsumenten. Eine Randbemerkung im Interview wird dargestellt, als wäre sie die Kernaussage des Gesprochenen. Was sagt das jetzt über den Interviewten aus und was über die Wünsche und Ansichten der Interviewer? Will da jemand etwas herbeischreiben, was als letzte Rettung vor dem politischen Gottseibeiuns, dem Duo Kurz-Strache, in roten Kreisen bereits zu einem gewöhnungsbedürftigen Wunsch heranreift, nämlich Rot-Blau?


Man will also suggerieren, dass der offene FPÖ-Hasser und in der Vergangenheit auch mit deftigen Hetzparolen gegen diese Partei verhaltensauffällige Sozenfunktionär sich mit dem Gedanken anfreundet, Rot und Blau würden besser zusammenpassen als andere Optionen. Wenn ich dem Wampo alle möglichen Schweinereien zutraue, aber seiner Linie ist er immer treu geblieben. Ihm wird es wahrscheinlich nur langsam wurscht, was nach der Nationalratswahl passiert, weil er innerlich bereits in Pension gegangen ist. Die Taschen sind voll, Freunde und Familie sind versorgt, das Pensionsalter ist erreicht – nach ihm die Sintflut.
Aber picken wir uns mal ein paar Fragen und Antworten heraus:

"Ich hol mir, was mir zusteht", lautet der Titel des Programms. Das hätte theoretisch Karl-Heinz Grasser seinerzeit auch behaupten können. Gilt jetzt auch in der SPÖ die Devise: Jeder ist sich selbst der Nächste?

Nein. Wenn man nur einmal über den Titel hinausschaut, erkennt man, dass es um Interessen von großen Teilen der Gesellschaft und nicht von jenen Einzelner geht, wie es bei Grasser der Fall war. Die breite Mittelschicht hat nicht vom Aufschwung vor der Wirtschaftskrise 2008 profitiert, sie hat aber in der Krise überproportionale Leistungen erbracht. Jetzt, wo Licht am Ende des Tunnels ist und die Arbeitslosigkeit zurückgeht, ist die Verteilungsgerechtigkeit ein wichtiger Punkt für uns.“

Also gleich mal vorneweg: „Ich hol mir, was mir zusteht“. Das ist Raubtiersozialismus vom Feinsten. Es gibt nämlich nur zwei Möglichkeiten, diese Parole zu interpretieren.

Erstens: Jeder legt für sich selbst fest, was er glaubt, dass es ihm zusteht. Und er wird aufgerufen, sich das zu holen. Man kann das noch mit geradezu barocker Gutmütigkeit als Aufforderung zu Straftaten verstehen. Aber im Prinzip klingt es nach reiner Anarchie und Bürgerkrieg. Es könnte die Parole des linksextremen Randes der Sozen sein, deren deutsche Brüder in Hamburg am Rande ihres heldenhaften und friedliebenden Schlachtgetümmels einige Läden geplündert haben. Unter „Verteilungsgerechtigkeit“ versteht eben jeder etwas anderes, und von „Leistungsgerechtigkeit“ hat man im linken Reichsviertel, das dem Wiener Bürgermeister entgegenkommend wohl bald zu einem roten Achterl schrumpfen wird, noch nie etwas vernommen.

Zweitens: Will man nicht zu Anarchie und Raubzügen aufgerufen haben, muss fest definiert werden, was genau jedem zusteht. Und da befinden wir uns im sozialistischen Kern-Denken, für dessen praktische Umsetzung man sich aktuell Tipps aus Nordkorea holen kann: Die Partei, die bekanntlich immer recht hat, definiert die Vergaberichtlinien der gerechten Verteilung und schreibt jedem vor, was ihm zusteht.

Also, was wollen die Sozen mit dieser Parole jetzt erreichen? Ja, der Dicke gibt die Antwort: es geht um die „Interessen der Gemeinschaft“. Damit wird Möglichkeit eins kategorisch ausgeschlossen, denn die wäre ihm zu Grasser (man sollte gerechterweise anmerken, dass ihm dieses faktenfreie und eigentlich hetzerische Grasser-Seitenhieb-Sabberstöckchen der linksradikalen Liberalismushasser der Fragesteller zugeworfen hat), also bleibt nur Möglichkeit zwei. Der Große Fahrdienstleiter will also dafür sorgen, dass nicht die Leute sich holen, was ihnen zusteht, sondern er definiert, was ihnen zusteht, und dann holt es der Staat. Von wem? Da braucht man nur wenig Phantasie, um zu wissen, wo die Sozen schon immer das Geld hergeholt haben, mit dem sie sich als Big Spender gerieren.

Damit steht zumindest eines fest: Die Wahlkampfparole „Ich hol mir, was mir zusteht!“ ist für jeden arbeitenden Menschen, für jeden Leistungsträger, Nettosteuerzahler und Hausbesitzer als gefährliche Drohung zu verstehen. Egal was da von der Wirtschaftskrise und der Mittelschicht gefaselt wird.
Wer sich übrigens daran erinnern möchte, wer dafür verantwortlich war, die vom teuflischen Grasser eingebremste Neuverschuldung in einer einzigen Nacht-und-Nebel-Aktion 2006 regelrecht explodieren zu lassen: da lagen sich Rot, Grün und Blau im Kampf gegen den ekelhaften Liberalismus einig in den Armen. Die Freiheitlichen sind aus Sicht der Sozialisten eben eh nicht so arg, denn wenn es wirtschaftspolitisch hart auf hart kommt, sind sie doch lieber Sozialisten. Das einzige Blatt, das zwischen SPÖ und FPÖ passt, ist ein Asylbescheid.

Es soll Verbesserungen für die Mindestpensionisten geben. Beim Abbau von Pensionsprivilegien bleibt aber für Wiener Beamten die günstigere Regelung aufrecht. Wie erklären Sie das den Nichtwienern?

Vorweg: Die Wiener Beamten gehen nur die Wiener etwas an. Wir haben die Eckpunkte der seinerzeit unter Schwarz-Blau durchgeführten Pensionsreform auch erfüllt, nur mit einem anderen Zeithorizont und somit wesentlich sozial verträglicher. Es gibt aber keine Pensionsprivilegien, sondern eine Pensionsgerechtigkeit. Wir haben auch nicht vor, das zu ändern.“

Mutig vom „Kurier“, das Thema überhaupt anzusprechen. Denn der Wiener Magistrat ist sakrosankt. Die heilige Kuh der Pfründeverteidiger, Freunderl- und Familienversorger mit den üppigsten Privilegien nahe Nationalbank und staatlicher Energieversorger.

Wenn Seine Präpotenz in gewohnt freundlicher Weise zurückrotzt: „Die Wiener Beamten gehen nur die Wiener etwas an“, dann spiegelt das in deutlich leuchtenden Farben die sozialistische Denkwelt wider, die aus ihrer Wahlparole eine Drohung macht. Da die Wiener Magistratsbediensteten, deren schon griechische Dimensionen erreichende Anzahl sogar jene der EU-Verwaltung übersteigt, jedes Jahr mit zig Millionen Steuermitteln aus Bundeseinnahmen gepäppelt werden, also alle Nettosteuerzahler Österreichs diesen gigantischen Wohlversorgungsstadel bezahlen, ist diese Aussage Häupls als praktische Anwendung der angestrebten „Verteilungsgerechtigkeit“ zu verstehen. Im sozialistischen Sinne gerecht ist eine Verteilung offensichtlich dann, wenn Freunderl und Familie sich die Taschen vollstopfen können mit Geld, das vom einfachen Arbeiter bis zu dessen Arbeitgeber jedem, der produktiv Werte schafft, abgepresst wird. Nur ein knappes Viertel der Österreicher erwirtschaftet hier alles, was dann vom Staat „gerecht verteilt“ wird, und davon wollen der Kern und seine Truppe jetzt noch mehr haben. Man kann nur sagen: Kommt im Herbst Rot-Blau, können wir nur noch versuchen, uns die Taschen zuzunähen. Aber schnell, sonst näht man die Hand, die permanent darin nach jeder noch so kleinen Münze grabbelt, mit an.

Im Moment deutet viel auf Schwarz-Blau hin. Was würde das für Wien bedeuten?

Es wäre noch ärger als das letzte Mal. Herr Dr. Schüssel hat Distanz zur Sozialpartnerschaft gehabt, war aber ein Kind derselben. Daher war er nicht auf eine Zerschlagung der Sozialpartnerschaft aus. Das ist bei einer neuerlichen schwarz-blauen Regierung anders, Kurz will die Sozialpartnerschaft zerschlagen.“

Also ich halte Schwarz-Blau sogar für die unwahrscheinlichste Option, weil Kurz viel zu „neoliberal“ für die nationalen Sozialisten ist. Wenn Kurz wirklich erklärt, die „Sozialpartnerschaft“ genannte demokratiefeindliche Schattenregierung zu zerschlagen, wird er ja direkt wählbar. Aber ich halte diese Ankündigung nicht für wahr, das ist nur Wahlkampfgetöse der Roten, die wissen, dass sie unter Schwarz-Rot maximal die zweite Geige spielen dürften, während unter Rot-Blau nicht nur ideologisch zusammenwächst, was zusammengehört, sondern die Roten auch weiterhin ihren selbstgefühlten historischen Machtanspruch in Österreich ausleben können.

Was würde hingegen eine rot-blaue Koalition für Wien und die Landespartei bedeuten?

Ich gehe nicht von Rot-Blau aus. Aber ich will keine Koalitionsdiskussion führen. Wir haben jetzt die Aufgabe, Schwarz-Blau zu verhindern.“

Also wer weder Rot-Blau noch Schwarz-Blau haben will, der muss Schwarz-Rot fressen. Also genau das, was die Leute im Oktober abwählen werden, und zwar mit Karacho. Grün trudelt der Nichtexistenz entgegen, die NEOs zerbröselt es in die Bedeutungslosigkeit der Kaspertruppe, die sie schon immer waren, das TS als einzig wirtschaftsliberale Partei hat sich erledigt – es werden nicht mehr viele Optionen übrig bleiben, wenn man weder Rot-Blau noch Schwarz-Blau will.
Ob die Österreicher eine Wiederholung des eh-immer-wieder-Gleichen im Herbst noch einmal kommentarlos hinnehmen werden, ist mehr als fraglich. Irgendwann kocht der Topf über, und das Kritische bei einem Volk wie den Österreichern, die sehr lange nur motschgern und maulen aber weiter vor dem Pflug dahintrotten, ist, dass sie dann, wenn der Deckel vom Topf fliegt, für wirklich unangenehme Bilder sorgen. Es sind solche Situationen, für die schon vor einigen Jahren mit Blick auf die damaligen Demonstrationen in Griechenland und das Murren in den europäischen Völkern, EU-Richtlinien zum letalen Waffeneinsatz gegen „Aufständische“ beschlossen wurden.

Viele Positionen der ÖVP unterscheiden sich kaum mehr von denen der FPÖ, mit der Sie nicht koalieren wollen. Wie soll da noch eine Zusammenarbeit mit der Kurz-ÖVP möglich sein?

Ich sehe schon Unterschiede, etwa in der Europafrage. Auch wenn Kurz hier populistische Positionen besetzt. Dass die ÖVP bei sozialen Fragen, etwa die Zerstörung der bundesweiten Regelung der Mindestsicherung, überhaupt nicht meine Zustimmung haben kann, liegt auf der Hand. Da sind die Freiheitlichen wahrscheinlich weniger arg.“

Fällt das jedem auf, dass die Schreiberlinge mehr sozialistische Propaganda-Häppchen hinwerfen als der Wampo aufheben kann? Es gibt nur eine Position, in der sich ÖVP und FPÖ nicht unterscheiden, und das ist die Frage der Einwanderung. Wobei die ÖVP bis dato nur predigt, aber nichts tut, obwohl sie durchaus Regierungspositionen besetzt, die solches möglich machen.
Bis jetzt ist es sogar so, dass die Roten mit Kern-igen Aussagen in Blaues Fahrwasser einschwenken, um ihre Wähler nicht zu Blau abwandern zu lassen und auf Rot-Blau vorzubereiten. Aber auch die Roten reden nur, Kern hat bis jetzt nichts geliefert außer Pläne, Parolen und Plattitüden. Und eine Pizza. Wer heute noch glaubt, dass diese Parteien nach der Wahl auch nur die Hälfte dessen einhalten, was sie jetzt reden, muss Erstwähler oder geistiger Einzeller sein.

Ein nettes Schmankerl ist ja der folgende Dialog, in dem Häupl bezeichnenderweise mehr Realitätssinn zeigt als die in ihren eigenen Propagandamärchen versinkenden Kuriere:

Dennoch: Die ersten Runden im Wahlkampf gingen klar an die ÖVP. Kurz hat sehr stark das Sicherheitsthema gespielt, die SPÖ hatte dem wenig entgegenzusetzen.

Den Teufel werden wir tun. Wir werden nicht seine Themen bespielen. Wenn er meint, er muss die Mittelmeerroute schließen: Tadellos, soll er das tun, er ist dafür zuständig.“

Richtig. Kurz redet davon, was der Außenminister dieser Regierung alles tun müsste, so als wäre er nicht rein zufällig selbst dieser Außenminister. Kurz sagt die ganze Zeit vor, was er eigentlich tun müsste, aber erst nach der Wahl zu tun gedenkt. Erstens bleibt die Vermutung, dass auch nach der Wahl nicht mehr als Schmierentheater gespielt wird und zweitens gilt das Ganze in vollem Umfang auch für Kern, der ja gerade die ganze Zeit predigt, was er tun würde, sollte er Kanzler werden.

Aber gleichzeitig will Verteidigungsminister Doskozil mit Panzern am Brenner auffahren.

Das ist ja nicht wahr.“

Stimmt. Ist es nicht. Die scheinen in den Redaktionen die alternativen Fakten, die sie verbreiten, selbst zu glauben. Es wurde nur gesagt, dass in wenigen Tagen ein Notprogramm zum Grenzmanagement hochgefahren werden könnte, wobei eine Handvoll Pandur, so eine Art Dacia mit dickerem Blech, Transportdienste übernehmen soll.

Warum hat der Verteidigungsminister das dann gesagt?

Hat er nicht. Da sind vier Pandur-Panzer, die in Innsbruck unten in einer Kaserne stehen. Es steht kein einziger Panzer am Brenner.“

Richtig. Hat er nicht. Selbst wenn man sie widerlegt bohren sie nach. Bei den Privilegien der Wiener Beamten oder der Tiefsinnigkeit roter Wahlkampfparolen geben sie sich mit einer kurzen Erklärung zufrieden, aber wehe es wird ein zentraler Glaubenssatz der eigenen Propaganda berührt, da wird sich geweigert, die Realität zu akzeptieren.

Grenzmanagement heißt, einfallende Horden mit Tee, Obst und Decken zu empfangen und allfällige dutzendweise zusammenklumpende Einwanderungsgegner möglichst vom Geschehen fernzuhalten, bis die Antifa übernimmt. Da braucht man Pandur höchstens als fahrende Kühltaschen zur Nachschuborganisation von Frischobst. Jeder weiß das. Haben wir vor zwei Jahren gelernt; nichts deutet darauf hin, dass sich an der italienischen Grenze etwas anderes abspielt als an der ungarischen oder slowenischen. Und den Kernschen Kotau vor der EU in Form des Eides, den Brenner niemals schließen zu werden, darf man getrost ernst nehmen.
Aber beim „Kurier“ muss das Märchen weiter hochgekocht werden; einer der seltenen Fälle, wo ich das verstehe, wenn Häupl in seine bekannt kurzsilbige Grantigkeit verfällt.

Ich glaube, der freut sich schon richtig auf seine Pension, nicht nur wegen deren Höhe.
Der Rest Österreichs auch. Trotz der Höhe.

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