„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Dienstag, 21. Februar 2017

Hart aber sinnfrei



Gestern habe ich mir mal wieder so ein bisschen „Hart aber fair“ angeschaut, und es kam das Brüllerthema Martin Schulz, der Gottkanzler, der Superschulz, der Messias aus Würselen. War recht langweilig und die einzige interessante Frage kam ausgerechnet von Hannelore Kraft, die dem CDU-ler aus dem Wanderkönigshof namens EU-Parlament, der gerade ein Dossier gegen Schulz zusammengestellt hat, einfach die Frage stellte, warum er denn dann für Schulz als EU-Parlamentspräsident gestimmt habe, wenn er doch wusste, was für ein grauslicher Typ das wäre. Der Punkt ging neidlos an sie.
Die „Welt“ nimmt sich des Themas an.

Was mir aber bei der Sendung auch auffiel, war der bestellte Auftritt eines Schulz-Cheerleaders, eine kleine unbedarfte Frischgenossin, die angeblich gleich am Tag nach Schulzens großartigem Erweckungsauftritt jubelnd der SPD beigetreten ist.

„Ich habe mich von dieser Euphorie, dem Kampfgeist, der Leidenschaft mittragen lassen“ … „Es ist einfach ein neuer Trend, der entfacht worden ist, und das reißt viele mit.“

Das auch bei den später verlesenen Internetstimmen vor Allem Frauen aus dem Häuschen vor Verzückung sind scheint der Tatsache geschuldet zu sein, dass Frauen gern nach Gefühl und weniger nach Fakten entscheiden. Und junge Frauen scheinen bereits dermaßen Opfer bildungspolitischer Hirnwäsche zu sein, dass sie sich nur noch gut fühlen, wenn es so richtig besinnlich politisch korrekt abgeht.

„Könnte es also einfach daran liegen, dass Schulz cool ist? „Ja, auf jeden Fall, das sieht man ja. Es werden ja sogar Parallelen zu Chuck Norris gezogen.““

Ja, das hatten wir schon. Hawking glaubt, das Universum würde expandieren. Dabei flüchtet es nur vor Schulz. Hahaha.

„Doch während man bei US-Actionschauspieler Chuck Norris immerhin weiß, wofür dieser steht (so man den Roundhousekick als Programmpunkt gelten lässt), ist das bei Schulz anders. Befragt nach dessen Programmpunkten, kann die Studentin nur vage Antworten geben, was vielleicht nicht einmal so sehr ihr selbst vorzuwerfen ist, sondern auf ein strukturelleres Problem hindeutet.“

Das alles für sich geht ja noch, denn es zeigt ja nur, dass es eben Menschen, vor Allem junge und dabei vor Allem weibliche gibt, die ganz ohne jede Faktenlast aus einem guten Gefühl heraus einen Typen anhimmeln, dessen Action und Coolness etwa der des ärmelbeschonerten Protokollführers des Hintertupfinger Kleintierzüchterverbandes entspricht. Sie lassen sich weder von seinem Ruf, ein geldgieriger selbstverliebter Apparatschik zu sein, noch von seiner geradezu Steinbrückschen Glaubwürdigkeit davon abbringen, ihn für toll und cool zu halten, und stören sich keine Sekunde daran, dass Schulz rein thematisch eigentlich für gar nichts steht.

Doch den Brüller erwähnt die „Welt“ leider nicht mehr, der war nämlich für mich das Tüpfelchen auf dem i, das Sahnehäubchen der Selbstentblößung des kleinen Mädchens, als sie mit ernstem Gesicht nachlegte, Schulz sei eine glaubwürdige Figur und das sei wichtig in dieser Zeit des Postfaktischen.

Und keiner hat’s gemerkt. Die hat wirklich drei Minuten lang erklärt, ihre Entscheidung wäre vollkommen gefühlsbetont, eine reine emotionale Geschichte, Auswuchs eines Mädchenschwarms und hätte nichts mit Inhalten zu tun, was faktisch die komplette Definition von postfaktisch ist – und springt dann mit Anlauf in die Lacke aus Emotionsschlamm und Gefühlsduselei, die sie selbst produziert hat.
Wenn in dieser Republik etwas postfaktisch ist, dann sind das die ganzen emotionsgesteuerten, von Regeln, Gesetzen, Verträgen, Inhalten, eben Fakten abgekoppelten Entscheidungen der Politik, und dann kommt ein weiterer Protagonist der emotional gesteuerten Inhaltsleere und emotional gesteuerte Jungmädchen machen ihm begeistert kreischend den Cheerleader – ihr seid das Postfaktische Prinzip schlechthin!
Und merkt es nicht mal. Wie auch, ist ja auch ein Fakt. Und damit für euch unsichtbar.
Pippi Langstrumpf ist dagegen knochentrockene Realistin.
Und dieses Schulz-Groupie ist Studentin.
Ich habe vergessen, für was eigentlich. Ich kann‘s mir aber denken.

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