„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Donnerstag, 13. Juli 2017

Türküsümläut

Wenn man sich das Ergebnis roter Schulbildung anschauen will, bekommt man in Salzburg gerade ein besonders pittoreskes Beispiel geliefert. Von den Roten selbst.
Der FPÖ-Gemeinderat Erwin Enzinger stellte der SPÖ-Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer die Frage, warum es notwendig sein sollte, dass im Deutschunterricht die Kinder türkische Texte vorgelegt bekommen, um Umlaute herauszufinden. Eine durchaus berechtigte Frage, kommen Umlaute doch oft genug in deutschsprachigen Texten vor, um den Begriff „german umlauts“ zumindest im englischen Sprachgebrauch zu etablieren.
Außerdem könnte man ja auch andere Sprachen als ausgerechnet Türkisch nehmen, wenn man den Kindern schon möglichst keine Sprachkenntnisse in Deutsch mehr beibringen will. Eine nordische Sprache wäre zum Beispiel brauchbar. Immerhin singt selbst der dänische Koch in der Muppet-Show „Smörrebröd, Smörrebröd, römpömpömpöm!“
Aber es ist Türkisch. Und das macht den Blauen neugierig.

Weil es anscheinend keine vernünftige Antwort auf diese Frage gibt, was mich bei den Roten jetzt nicht wirklich wundert, dachte die SPÖ-Vizebürgermeisterin, besonders eloquent und witzig zu sein, wenn sie eine schnippische Antwort gibt.

Joghurt-Verbot und Verzicht auf Kaffee?
Und so widmete sich die Politikerin in ihrem Antwortschreiben sogleich einigen türkischen Einflüssen, die sich in Österreich längst etabliert haben: "Bei der Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, dass die Stadt Salzburg seit Jahren ein von den Türken entwickeltes Lebensmittel in Kindergärten, Schulen und Seniorenwohnhäusern zum Einsatz bringt: Joghurt." Mit einem Augenzwinkern schlägt Hagenauer vor, neben einem Verbot von Joghurt auch die Rückkehr zu den Römischen Zahlen und Ziffern und den Verzicht von Kaffee anzudenken. Zudem sollten Worte türkischen und arabischen Ursprungs wie Fisole, Zucker oder Haschisch künftig vermieden werden.“

Vielleicht sollte der Frau mal jemand den vorsichtigen Tipp geben, dass es erstens besser ist, zu wissen, wovon man redet, wenn man witzig sein will, weil man sonst nur peinlich ist, und zweitens entgegen den Selbstbehauptungen von Türken es nicht Türken waren, die den Joghurt erfunden, Amerika entdeckt, den ersten Düsenflieger gebaut oder Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut haben. Schon während meines ersten Türkeibesuches vor etlichen Jahren (inzwischen spare ich mir solches) konnte ich die Fähigkeit der Türken zum Märchenerzählen bewundern und feststellen, dass die diese Geschichten, nach denen Türken die besten Erfinder, fähigsten Piloten, härtesten Kämpfer und poetischsten Kunstschaffenden der Welt seien, selbst absolut für bare Münze nehmen. Die glauben wirklich, dass wir eigentlich alle großen Erfindungen und Entdeckungen nur Türken zu verdanken haben. Nur mit Realität haben die nix am Hut.
Und hier scheint sich eine der offensichtlichen Gemeinsamkeiten zwischen Türken und unseren Roten zu offenbaren. Kein Mist ist zu blöd, um nicht abgesondert zu werden.

Zum Joghurt: über dieses Nahrungsmittel habe ich mal gelernt, dass es aus Bulgarien kommt, von den Thrakern. Irgendwie haben die Türken eine interessante Attitüde alles, was aus Gebieten kommt, die sie einst besetzt hatten oder heute besetzt halten, für sich zu reklamieren. Das habe ich in Ephesos besonders genießen können, wo es keinem der Reiseleiter eingefallen wäre, mal dazu zu stehen, dass zur Zeit der Blüte dieser Stadt im alten Griechenland die heutigen Türken anatolische Ziegennomaden waren, die mit dem Errichten eines Zeltes architektonsich voll ausgelastet waren. Aber heute stolzieren die da wie die Pfauen herum und reklamieren die Leistungen von Phöniziern, Hellenen und sogar Hethitern für sich.

Die römischen Zahlen und Ziffern wurden durch arabische Ziffern ersetzt. Die zwar bis heute so heißen, aber nachweislich keine arabischen Ziffern sind. Weder die Zahlzeichen noch der Wert Null wurden von Arabern oder gar Türken erfunden, sondern von Indern. Die Brahmi-Zahlschrift wurde von den Arabern gut tausend Jahre nach ihrem Entstehen übernommen und abgeändert, als sie den Anweisungen ihres Kriegstreiber-Propheten folgend nach Osten expandierten.
Eine Parteifunktionärin, die so argumentiert, beweist nicht ihre Eloquenz und ihren Witz, sondern ihre Bildungslücken und ihre Präpotenz. Naja, jeder was er hat.

Auch Kaffee wurde nicht von den Türken erfunden. Übrigens war der Filterkaffee, den ich in türkischen Hotels vorgesetzt bekam, die grauslichste Plörre, die ich jemals getrunken habe. Und das will was heißen, wenn man schon mal in Norddeutschland war, wo bekanntlich Kaffeebohnen im Ganzen ins Fenster gehängt werden und der Schatten maximal zwei Minuten (er soll ja nicht zu stark werden) auf eine Tasse heißes Wasser fallen darf. Derweil der auf den türkischen Märkten neben dem eigentlich viel weiter verbreiteten Tee (wieder was von Indien) angebotene Kaffee eigentlich ein pures Aufputschmittel aus massenweise Zucker, einem ordentlichen Haufen Kaffeepulver und mehreren Tropfen kochendem Wasser darstellt. Nach nur einem Schluck ist man bereits am Ende des Getränks angekommen, hat den Mund voller Kaffeekrümel, mehr Zucker intus als nach zwei Litern Coke und sollte wegen akuter Herzkaspergefahr keine fahrigen Bewegungen mehr durchführen. Hat mit dem, was wir unter Kaffee verstehen, wenig zu tun.
Und sie haben ihn auch nicht erfunden, ja, ihm nicht einmal den Namen gegeben. Das Kaffeetrinken kommt aus Afrika, genauer dem abessinischen Königreich „Kaffa“ im heutigen Äthiopien. Und ja, es wurde durch die Türken nach Europa gebracht, als sie es brandschatzend mit Heerscharen überzogen und Wien belagerten, aber der Kaffee selbst kam über Arabien ins Osmanische Reich. Wer hat‘s erfunden? Die Türken jedenfalls nicht. In welche Schule ging die Spaßgranate doch gleich?

Und dann die Fisole. Meine Güte, kann ihr mal jemand sagen, dass man die Früchte der Bohne essen kann und nicht deren Blätter rauchen sollte? Die Gartenbohne ist südamerikanischen Ursprungs, wurde in Kolumbien und Peru angebaut und bekam den lateinischen Namen „Phaseolus“. Was genau hat das jetzt mit den Türken zu tun? Genausoviel wie Linke mit vernünftiger Argumentation oder auch nur Ahnung der Materie. Hat ihr wahrscheinlich ein türkischer Freund erzählt. Es waren ja bekanntlich Türken, die Amerika entdeckt und wahrscheinlich auch dort als erste die Bohne kultiviert haben. Nur der Rest der Welt erfindet wieder irgend eine Geschichte, die die armen Türken diskriminiert...

Zucker, aus Polynesien über Ostasien bis Indien kommend, hat auch nichts mit Türken zu tun, außer, dass deren Kaffee wie oben erwähnt hauptsächlich aus Zucker besteht. Aber das Zeug wurde weder von den Türken erfunden, noch bekam es seinen Namen von denen. Es waren mal wieder die Inder, die im Sanskrit ihren Süßstoff „śarkarā“ nannten.
Soll ich jetzt jedesmal ein „Fake!“ draufnageln? Stimmt eigentlich auch nur eine einzige Behauptung dieser Frau? Naja, eines haben wir noch.

Haschisch. Treffer! Das ist, wenn es auch wieder mit den Türken gar nichts zu tun hat, ein Wort, das aus dem Arabischen kommt. Also wenigstens der Name, denn angebaut wird das Zeug hauptsächlich in Afghanistan und inzwischen Nordafrika. Kam auch wieder aus dem indischen Raum.

Also was ist an der „witzigen Argumentation“ dieser Frau jetzt wirklich witzig außer ihrer himmelschreienden Unwissenheit? Argumente hat sie gar keine, weil nichts davon in irgend einer Weise mit Umlauttexten in Schulbüchern zu tun hat. Ja, es war ein Seitenhieb auf die böse böse Xenophobie des Blaunazis, aber blöderweise kann man diesen Schuss nur als veritables Eigentor werten.

Und ja, es wäre möglich, auch aus deutschen Texten Umlaute zu extrahieren.
Ich hätte da ein paar Beispiele:

Lärm hören ist ärgerlich.
Grüne sind schräge Vögel.
SPÖ wählen ist fürchterlich blöd.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was die Erfindungen angeht, möchte ich auf das gut lesbare Buch von Barbara Köster verweisen über Ursprünge und Entwicklung des Koran. Warum meinetwegen das Judentum im Gegensatz dazu die Kreativität von Kindesbeinen an außerordentlich befördert. Man vergleiche beispielsweise islamische Witze(??) mit jüdischen. Oder bezüglich al Andalus: arabisch ist nicht gleich muslimisch...

Anonym hat gesagt…

Die Beispiele 2 und 3 sind zu schwer. Ich schwör!

Anonym hat gesagt…

Sie hat auch noch das Wort "Zwetschke" falsch geschrieben. Das ist irgendwie das traurigste bei einer Diskussion ueber Sprache und Buchstabensuche in Texten.
Danke fuer Ihren Text.