In der umstrittenen
Gazette „Tagesspiegel“ ist ein fragwürdiger Artikel erschienen, in dem
berichtet wird, dass dubiose Unbekannte gegen das Auto des renommierten
Politikwissenschaftlers Werner Patzelt einen brutalen terroristischen
Brandanschlag verübt haben.
Na, wie liest sich
das? Es ist genau das, was die intellektuell anspruchsvolle Qualitätspresse
ihren für strunzdumm gehaltenen Meinungsmündeln vorknallt, nämlich durch den
kreativen Einsatz attributiver Adjektive, die nichts aussagen aber alles meinen
können, wie „umstritten“, „dubios“ oder „fragwürdig“, noch während des Lesens
vermeintlicher Meldungen die Synapsen in die gewünschten Falten zu bügeln. Ich
bügle nur gegen euren Strich.
Und so klingt der
gleiche Sachverhalt im „Tagesspiegel“
auch etwas anders als bei mir oben:
„Privatwagen von Dresdner Pegida-Forscher
Patzelt angezündet
Für seine Studien zu Pegida ist der Dresdner
Professor Werner Patzelt immer wieder kritisiert worden. Nun haben Unbekannte
sein Auto angesteckt.“
Ich liebe es. Nein,
ehrlich! Es macht Spaß! So muss sich ein DDR-Bürger gefühlt haben, wenn er aus
der Titelmeldung des „Neuen Deutschland“, dass bei einem Wettkampf zwischen
Reagan und Breshnew der Große Sowjetische Bruder einen fulminanten Zweiten
Platz belegte, während der imperialistische US-Kriegshetzer nur Vorletzter
wurde, die Realität herausgefiltert hat. In den zwei Sätzen unter der Schlagzeile
wird nämlich in eine durchaus geschickte Formulierung das Bild eingewoben, dass
dieses „Anstecken“ des Autos nur eine besonders nachhaltige Form der Kritik an
seiner Beschäftigung mit der Pegida-Bewegung sei. Also eigentlich selbst
schuld, denn er wurde ja oft genug kritisiert und hat es gewagt, trotzig auf
seinem Recht zu beharren, sich weiter damit zu beschäftigen, und das auch noch
auf Basis von Fakten und nicht einfach mit der Nazikeule, wie sich das für
einen systemkonformen „Experten“ mit staatlichen Gütesiegel der Zertifizierungsstelle
Kahane gehören würde. Er hat die Parias berührt, er hat Schmutz angefasst, nun
büßt er im reinigenden Feuer.
Und dann das „Anstecken“,
als würde es sich um einen Schnupfen handeln. Man muss sich das mal klarmachen:
Wenn Unbekannte einen Böller gegen eine Baustellenhauswand werfen und genau gar
nichts weiter passiert, ist das ein „Brandanschlag“. Wenn aber die Fahrzeuge
Unbequemer, die es wagen, die Deutungshoheiten in ihren Filterblasen
anzuzweifeln, bis zum Totalschaden abgefackelt werden, dann ist das kein
Anschlag sondern eine neckische kleine „kritische“ Zündelei.
Das Muster kennen
wir. Ach, ich vergaß: das bekotzenswerte Muster. Auch ich habe Adjektive, und
schreiben wie ein Schmierfink kann ich auch. Ich stelle nämlich keinerlei
Qualitätsanspruch und verkaufe nichts.
Da wird aus einem
Angriff auf Unbewaffnete eine „Messerstecherei“, aus dem brutalen Zusammentreten
Wehrloser eine „Rangelei“, das In-den-Rücken-Treten auf U-Bahntreppen ist ein „Schubsen“.
Und das Ausrasten linksradikaler Straßenterroristen ist ein „Protest von
Aktivisten“. Wenn sie dann aggressiv gegen friedliche Demonstranten der Pegida
vorgehen, wird von „Randale am Rande der Pegida-Demo“ berichtet. Egal, wir
kennen das und wissen, was der vorletzte Platz bedeutet. Ich weise nur gerne
darauf hin.
Und so geht es im
Text erwartbar weiter:
„Ein oder mehrere
unbekannte Täter haben in der Nacht zum Dienstag das Privatauto des
umstrittenen Dresdner Politikprofessors Werner Patzelt angesteckt.“
Nein, sie haben es
nicht „angesteckt“, denn mit einem Streichholz allein bewirkt man an einem Auto
nicht viel; da dürfte schon aktiv nachgeholfen worden sein, Stichwort „Molotow“.
Ein beliebtes Instrument linksrevolutionärer „Aktivisten“, wenn sie denn mal
aktiv werden.
Aber noch
wichtiger: Welche Bedeutung hat das Wort „umstritten“ in diesem Zusammenhang? Macht
es einen Unterschied, ob man das Auto eines „umstrittenen“ oder eines „unumstrittenen“
Professors abfackelt? Erwartet man mehr Verständnis, weil es ja logisch ist,
wenn einer schon „umstritten ist“, naja, da ist dann die Gefahr größer? Gibt es
einen Versicherungsmalus, dass „Umstrittene“ in Zukunft eine eigene Polizze mit
höherer Prämie und schwerer eine Kasko bekommen, weil bei ihnen die Gefahr
spontaner Selbstentzündung bei abgestellten Autos größer ist?
Wieso, ihr dubiosen
Gazettenschreiberlinge, muss er „umstritten“ sein? Ihr holt euch doch permanent
einen auf irgendwelche Kodizes runter, dass man Herkunft, Hintergrund oder
Zusatzinformationen selbst zu Schwerverbrechern nicht bekanntgeben darf, wenn
dies nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Verständnis der Tat steht,
und dann erklärt ihr ein Opfer eines
Verbrechens zu einer „umstrittenen“ Person?
Auf die Frage, ob
ihr Scham kennt, verzichte ich. Man muss keine Fragen stellen, wenn man die
Antwort bereits deutlich vor sich stehen hat.
„Es werde in alle
Richtungen ermittelt, ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen.“
Ach was. Wundert einen ja nicht, wenn der schon „umstritten“
ist. Gut dass die Polizei in alle Richtungen ermittelt. Waren vielleicht
spielende Kinder, oder eine enttäuschte Affäre. Oder Rechtsradikale, die den
armen braven linken Engelchen heimtückisch eine Straftat anhängen wollen, die
die natürlich niemals begehen würden.
In Deutschland brennen momentan täglich Autos. Besonders in
Hamburg und Berlin, aber auch immer wieder in Leipzig oder Dresden. Ist eine brenzlige
Gegend. Sind alles Selbstzünder, hahaha.
„Das Fahrzeug vom Typ
Mitsubishi war abgestellt an der Kreuzung Niederwaldstraße/Ecke Voglerstraße in
der Nähe des Wohnhauses von Patzelt im Stadtteil Blasewitz.“
Das finde ich toll.
Wirklich! Der Mann wurde gerade Opfer eines sehr wahrscheinlich politisch
motivierten Terroranschlages und der „Tagesspiegel“ hat nichts Besseres zu tun,
als den Sympathisanten der Täter eine exakte Beschreibung des Wohnortes dieses „umstrittenen“
Mannes zu geben und einen Hinweis, wo genau man jetzt vielleicht seinen
Ersatzwagen geparkt finden kann. Das muss man sich jetzt wirklich mal in
kleinen Häppchen geben: Täter werden geschützt bis zum kompletten Verfälschen
jeglicher Angabe, und Opfer müssen damit rechnen, dass sie ihre Adresse in der
Zeitung lesen?
„Die Polizei hat um
eine genaue Nennung des Tatorts gebeten, um leichter Zeugen finden zu können.“
Genau, selbst verschwommene Fahndungsfotos nach
Gewaltverbrechen werden erst nach drei Monaten veröffentlicht, aber den exakten
Autoabstellplatz des „umstrittenen“ Professors, den muss man aus
ermittlungstechnischen Gründen präzise angeben. Und Zeugen, die an einem
anderen Ort beobachtet haben, wie ein anderes Auto angezündet wurde, will auch
keiner haben. Das muss schon jeder Zeuge wissen, ach je, jetzt bin ich aber
nicht so sicher, als ich das letzte Nacht gesehen habe wie die zwei Vermummten
den Molotowcocktail durch die eingedroschene Seitenscheibe geworfen haben, ob
das jetzt an dieser Straßenecke war oder drei Straßen weiter, gut dass die
Presse den genauen Standort rausgegeben hat, da muss ich gleich mal bei Google
Maps nachschauen…
„Patzelt hat mehrere
Studien zur fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung, die in Dresden ihren
Stammsitz hat, erstellt. Auch Kollegen der Technischen Universität haben
Patzelt immer wieder als "Pegida-Versteher" kritisiert.“
Aha. Und was genau hat das jetzt mit dem Abfackeln
seines Autos zu tun? Auch hier wieder der plumpe Versuch der Täter-Opfer-Umkehr
durch einfaches: Selbst Schuld! Der Verdacht liegt nahe, dass es hier ganz
bewusst nicht nur darum geht, einen Sachverhalt erklären zu wollen, sondern
vielmehr um das deutliche Bild:
Bürger, wage es nicht, Kritisierbares zu tun, sonst
brennt eines Tages auch dein Auto und steht dann auch deine Adresse in der
Zeitung, damit die Nachahmer auch genau den Weg zu dir finden!
„Sachsens SPD-Chef
und Wirtschaftsminister Martin Dulig nannte den Brandanschlag auf das Auto
Patzelts inakzeptabel. "Gewalt ist keine legitime Form der Kritik",
twitterte er.“
Und dieser tweet ist eine ekelhafte Form der Propaganda. Die
verhaltenskreativen Revoluzzer aus seiner Parteijugend, die dem normalen Verhaltismus
folgend an erster Adresse der Verdächtigen stehen, üben keine Kritik. Sie
terrorisieren. Sie brandschatzen. Sie zerstören. Das hat mit Kritik genau gar
nichts zu tun. Aber dieser tweet hat mit Verharmlosung zu tun, mit
Opferverhöhnung.
Und wo bleibt die Meinungsäußerung des Ministerpräsidenten?
Menschen, die protestierend vor einem Bus stehen, sind keine Menschen, sondern
Verbrecher. Aber Menschen, die anderer Fahrzeuge gleich abfackeln sind „Kritiker“?
Euer Vokabular verrät euch. Ihr seid die wirklich „Umstrittenen“,
die „Dubiosen“, die „Fragwürdigen“.
1 Kommentar:
War es nicht Karl Kraus, der durch schlichte Sprachanalyse grausige Leichenkeller öffnete?
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