„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Dienstag, 27. Juni 2017

Intelligenz

Intelligenz ist nicht an die Zugehörigkeit zu bestimmten Kulturkreisen, Religionen oder Völkern gebunden. Sie benimmt sich nur statistisch etwas kreativ in dieser Hinsicht.
Ein wundervolles, geradezu köstliches Beispiel für unterschiedliche Ausprägungen von Intelligenz bzw. deren Fehlen konnte man kürzlich in der „Bild“ finden:

Ausrüstung für afghanische Soldaten – Fehlkauf: Tarn-Uniform tarnt nicht“

Klingt ja schon mal blöd. Warum auch immer diese Uniform nicht tarnt,immerhin ist sie dabei ja eher passiv unterwegs, scheint es sich um ein peinliches Funktionsversagen zu handeln, wenn man sich überlegt, wo das ganze stattfindet. In friedlichen Breiten ist es ja ziemlich schnurz, was so eine Tarnuniform kann, da kann die auch lila und pink mit Rüschen sein, fällt man zumindest bei einem verdeckten Einsatz während einer Regenbogenparade nicht wirklich auf. Aber in Afghanistan sind Regenbogenparaden eher selten und meist auch nicht allzu gut besucht, dafür kann man als afghanischer Soldat schon mal damit rechnen, Zielscheibe für Taliban zu spielen.
Und da wäre eine Tarnuniform, die tarnt, jetzt nicht so übel.
Aber wie kann das jetzt sein, dass die Afghanen eine Uniform haben, die sie so tarnt wie ein pinklilarüschiges Kostüm auf der Einkaufsmeile von Teheran?

Das US-Verteidigungsministerium liefert seit zehn Jahren Uniformen, deren Tarnung die Formen und Farben von Wäldern abbilden. Dumm nur, dass „Wälder nur 2,1 Prozent von Afghanistans totaler Landfläche bedecken“, wie der US-Generalinspekteur für den Wiederaufbau von Afghanistan, John Sopko, in einem 17-seitigen Report feststellte.“

Ja, und man kann sich auch vorstellen, wie diese Wälder aussehen. Können mit unseren Donauauen wohl kaum mithalten. Also scheint das ein ziemlicher Schrott zu sein, den die Amerikaner da liefern. Wobei sich mir schon ein kleines Teufelchen ins Ohr gesetzt hat, das sich fragt, warum die Amerikaner die Uniformen liefern. Können in diesem Land, das doch für seine hochqualifizierten Fachkräfte auf allen Gebieten international mindestens ebenso berühmt ist wie Syrien, keine Leute nähen? Und wenn nicht, wieso kaufen die nix beim Chinesen, der macht es doch billiger. Ist Afghanistan nicht ein bettelarmes Land, aus dem hungernde Menschen vor Elend und Not und Krieg und Terror bis nach Österreich und Deutschland „fliehen“ müssen? Und die können sich Uniformen Made in US leisten?

Die peinliche Uniform-Panne hat das Pentagon den Afghanen eingebrockt.“

Natürlich, wer sonst! Die konnten gar nichts dafür, die armen Afghanen, hätten sich lieber selbst welche genäht oder sich was brauchbareres ausgesucht als diesen Stoffschrott, aber das Pentagon, ach was, der Trump, der ist schuld! Hat ihnen klar gemacht, entweder sie kaufen unbrauchbare Uniformen, die America great again machen, oder, äh, er baut eine Mauer die sie selbst bezahlen müssen. Oder so. Muss ja irgendsowas was sein, sonst käme die „Bild“ nicht auf die Idee, das dem Pentagon anzuhängen, oder? Da kann man sich auf die intellektuell anspruchsvolle Qualitätspresse voll verlassen.

Nach Angaben von Generalinspekteur Sopko hatten Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums die Muster im Jahr 2007 dem damaligen afghanischen Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak gezeigt.“

Gezeigt? Also doch nicht aufgedrängt? Und gab es da auch noch andere Muster? Und wieso 2007, da war ja noch gar nicht der Trump, ja nicht mal der Obama, sondern noch der Dabbeljuh.
Na gut, der afghanische Verteidigungsminister wird sich wohl erstmal vehement gegen die Ausrüstung seiner Kampfverbände mit dem Äquivalent eines quietschbunten Hasenkostüms gewehrt…, äh...

Wardak sei angetan gewesen. Daraufhin seien 1,36 Millionen der dunkelgrünen Uniformen und 88.000 zusätzliche Hosen bei einer Privatfirma gekauft worden.“

Ach.
Der „war angetan“.
Die Dinger haben ihm gefallen.
Ja, man ahnt es, hier kommt jetzt der Punkt mit der Intelligenz.
Da ist jemand Verteidigungsminister in einem Land, das sich permanent im Bürgerkriegszustand befindet und bestellt Uniformen, die aus seinen Soldaten Zielscheiben machen (und falls sie sich aus Angst, wenn sie vor den Scharfschützen der Taliban über den Acker hetzen, in die Hosen machen, gleich ein paar Ersatzhosen dazu…), einfach nur, weil er sie chic findet. So schön grün. Das könnte einem jetzt bei uns, sagen wir mal in Deutschland, nicht passieren. Das wäre ja, als würde man Sturmgewehre kaufen, die nicht schießen, oder Kampfflieger, die nicht fliegen. Nein, hier regiert die blanke Kompetenz.
Und wie blank diese Kompetenz ist!

Die Kosten lagen laut Sopko um 40 Prozent höher als bei anderen Uniformen mit Tarnmustern, da die Herstellerfirma die Lizenzrechte an dem Muster gehabt habe. Dadurch seien unnötige Mehrausgaben von 25 Millionen Euro entstanden.“

Also nicht bloß vollkommen zweckfrei, sondern auch noch sündteuer. Und statt einem Tornister gibt es wohl noch Prada-Täschchen dazu. Ach, unsere knallharten Muselkämpfer, da zeigen sie doch ihre zarte feminine Seite. Da kann es auch mal ein bisschen mehr kosten. Zahlt doch eh, also, äh, in diesem bitterarmen Land… ach, es gibt doch diese wundervollen Aufbauhilfe- und Gegendenhunger-Programme, da gibt es haufenweise edle Spenden aus den reichen Wohlstandsstaaten des Westens, da kann man ruhig noch ein paar Milliönchen mehr abziehen, die haben eh genug. Und zahlen sich damit den Verkauf ihrer Uniformen selbst, haha.

Und Sopko ist stinksauer.„Im Namen der Mode“ seien diese Steuergelder verschwendet worden – „weil der Verteidigungsminister dachte, das Muster war hübsch“, schimpfte er im Interview mit der Zeitung „USA Today“.
Wenn der Verteidigungsminister pink oder lila mögen würde, polterte Generalinspekteur Sopko weiter, „würden wir dann pinke Uniformen kaufen und keine Fragen dazu stellen? Das ist doch verrückt!““

Tja, und da irrt er sich.
Denn erstens obliegt die Auswahl der Uniformen nunmal demjenigen, der sie, äh, auswählen darf (von „bezahlen muss“ kann man in diesem Beispiel ja nicht reden). Das muss jetzt kein quasidemokratisch ins Amt gehobener Parteisoldat sein sondern ist vielleicht auch ein kleiner örtlicher Warlord, der gerne Wesir spielen möchte und wenn es ihm gefällt sich eben auch pinke Uniformen schenken lässt. Kompetenz ist kein Auswahlkriterium in der Politik, Intelligenz auch nicht, und gerade in diesem Teil der Welt sind diese beiden Dinge nicht unbedingt Überflussware. Warum die Amerikaner nun Leuten Uniformen schenken, damit sie gegen eine Terrorgruppe kämpfen können, die die Amerikaner selbst aufgebaut haben (Haben sie denen auch Uniformen verkauft?) fragen wir jetzt mal nicht.
Und zweitens hat uns ja weiter oben die „Bild“ erst aufgeklärt, dass es sowieso alleinige Schuld des Pentagon wäre, dass die Afghanen als Zielscheiben durch die Gegend rennen. Weil die haben ihm diese Uniformen ja gezeigt.
Will er jetzt etwa die „Bild“ als Fake News entblößen?
Oder ist die Intelligenz in unseren Redaktionsstuben auch nicht höher als in afghanischen Amtsstuben…?

P.S. Bissiger Kommentar aus dem Hintergrund: „Vielleicht hat der Kriegsherr vom Hindukusch in die Zukunft gedacht und will seine Soldaten bald in Europa einsetzen? Immerhin haben wir erst unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt, und jetzt verteidigen wir sie hier zuhause gegen den Hindukusch...“

3 Kommentare:

Heinz hat gesagt…

Hallo Fragolin,

Im letzten Absatz haben sie die Kurve noch geschafft. Klar haben die diese Uniformen angeschafft, damit die Flüchtlinge in Österreich und Deutschland nicht so auffallen, Amis mit Weitblick, was sonst.
:-)))

lg

Anonym hat gesagt…

Ich würde nicht zu kompliziert denken: Das ist schlichte Korruption.

Anonym hat gesagt…

Mein Vorkommentator hat es mit einem Satz auf den Punkt gebracht.

Ich frage mich allersings, warum sich der werte Fragolin für die Ehre der Amis so ins Zeug legt. Der BILD-Artikel ist eine der typischen Ach-was-sind-die-Musels-doch-dumm-Botschften, in einem Staat, der sich eine Allwetter-Taft-Schickse als Verteidigungsministeuse leistet oder einen BER-Nichtflughafen, der uns jeden Tag, den und der Herrgott gönnt 500.000 Euro kostet - ersparen Sie mir die Aufzählung weiterer herrenmenschendemokrötischen Schildbürgereien.

So gesehen ist diese korruptionsbedingte Uniformnarretei ein Furz und dieser Artikel einer der schwächsten und überflüssigsten.

Ihr
Kreuzweis