Schauen wir
uns einmal kurz zwei Pressemeldungen an, die einen eklatanten Mangel an
Übereinstimmung kennzeichnet.
Zur
Vorgeschichte, der Holzhammerdiplomatie der provozierenden Türken und der
wahlkampfbedingten Härte der Reaktion Ruttes und den Kotzattacken des Operettensultans
ist wohl schon alles gesagt worden. Im Ergebnis fordert der verhaltenskreative
Rüpel mit dem charakterunterstreichenden Bärtchen allen Ernstes eine
Entschuldigung der Holländer.
Mit scheinbar
zwei komplett unterschiedlichen Ergebnissen.
Als Erstes
mal die FAZ.
Zu der muss man nicht viel sagen, die ist allgemein bekannt. Deshalb habe ich
sie gewählt; in allen möglichen anderen deutschen Medien lauteten die Meldungen
allerdings gleich.
„Regierungschef schließt Entschuldigung wegen Auftrittsverbots aus“
Gut, in den
Schlagzeilen deutscher Medien stehen gerne mal Dinge, die sich später im
Artikel etwas anders darstellen, deshalb schauen wir mal weiter.
„Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte
hat eine Entschuldigung für die Ausweisung der türkischen Familienministerin
und das Einreiseverbot für den türkischen Außenminister ausgeschlossen. „Es
steht außer Frage, dass es eine Entschuldigung gibt, sie sollten sich dafür
entschuldigen, was sie gestern getan haben“, sagte Rutte am Sonntag am Rande
einer Wahlkampfveranstaltung in Den Haag.“
Klingt
eindeutig, oder? Kann man als übereinstimmend mit der Überschrift gelten
lassen. Und es wird nachgelegt:
„Im Interesse der „Beziehungen innerhalb der EU,
mit der Türkei“, sei es nun wichtig, „die Lage zu beruhigen“. Falls die Türkei
aber weiterhin „in aufrührerischer Weise über die Niederlande spricht, müssen
wir weitere Schritte in Erwägung ziehen“, warnte er.“
Gut, hört
sich so an, als ob die Holländer ziemlich stur auf Linie bleiben, zumindest
bevor das letzte Wahllokal schließt.
Im Gegensatz
dazu Daily Sabah, die Hauspostille des Sultans.
Zu der kann man sich über Wikipedia ein paar
nette Infos holen. Auch die Geschichte der Calik Holding ist interessant.
„Ministerpräsident Rutte
entschuldigt sich für Konsul-Festnahme“
Welche
Konsul-Festnahme? Haben wir da was verpasst? Da war was mit der Absage der
Landeerlaubnis für den türkischen Außenminister und mit der Blockade der
türkischen Familienministerin ein paar Meter vor dem Konsulat und mit gewohnt
besonnenen „Demonstranten“ der Erdogan-Fans, aber eine Festnahme des Konsuls? Ich
meine, Holland ist Unterzeichner des Wiener Übereinkommens von 1961, man nimmt
keinen Konsul mal eben so fest ohne dass es ein weithin hörbares diplomatisches
Erdbeben gibt. Komisch, dass man solches scheinbar nur in Ankara hört.
Ebenso
erstaunlich die Aussage, Rutte hätte sich entschuldigt. Eben in der „FAZ“ las
sich das anders. Mal sehen, was da noch kommt.
„„Während
des Telefongespräches entschuldigte sich Herr Rutte für die Festnahmen des
Charge d'affaires und dem Generalkonsul", sagte Yıldırım.
„Herr Rutte
sagte, dass die Festnahmen ein Fehler gewesen seien", fügte er hinzu.“
Also auch
intensives Googeln hat ausschließlich in türkischen Medien Hinweise auf eine
angebliche Festnahme eines Konsuls gebracht, der ganze Rest der Welt hüllt sich
in Schweigen. Eine Weltverschwörung? Scheint so, denn auch sonst hat niemand
eine Entschuldigung von Rutte gehört. Nur ein Türke am Telefon, und Türken
sagen immer die Wahrheit während alle Nichttürken immer lügen. Würden Türken
jemals eine Meldung fälschen? Das würde ja heißen, Türken würden türken? Woher
wohl dieses Verb kommt…
„Er erklärte, dass die niederländischen Beamten
ebenfalls nicht wünschten, dass sich die Spannungen so weit erhöhen. Er bot
sogar ein gemeinsames Abendessen an."
Schweinebraten
mit Käseknödel oder was? Wer glaubt das? Ich meine, wer ist kein Türke und
glaubt das?
Die deutschen
Medien berichten davon, dass Rutte eine Entschuldigung kategorisch ablehnt, die
Hauspostille des Sultans weiß von kriecherischem Unterwerfungswinseln zu
berichten.
Das übliche
Manipulationswerkzeug der deutschen Medien besteht in attributiver Adjektivierung
und Verschweigen. Man lässt Lücken und setzt gegen die Löcher im Text
attributive Adjektive ein. „Der rechtspopulistische nationalistische und
islamophobe Herausforderer hat nichts dazu gesagt“ ist ein musterhaftes Beispiel
dafür, wie man attributierte Nichtinformation verbreitet. Oder es wird der
Bezug vertauscht. Wohlgemerkt der Bezug, nicht die Tatsache, denn erst wird der
Bezug in der Schlagzeile verändert („Schwere Randale am Rande des
Pegida-Aufmarsches“) um ihn im Artikel dann richtigzustellen, als wäre nichts
gewesen („Linksextreme Gegendemonstranten haben…“), im Wissen, dass die meisten
Leute eh nur den Titel lesen. Lückenpresse.
Was Erdogans
Hauspostille für einen Wahrheitsgehalt besitzt, da kann sich dann jeder selbst
ein Bild von machen. Wenn ich aber davon ausgehe, dass viele Türken hier bei uns
sich aus solchen Medien über ihre Heimat informieren, wundert mich deren
Indoktrination und Erdoganbegeisterung gar nicht mehr. Die lesen die schalmeiende
Propaganda aus 1001 Federkielen der erdoganhörigen Presse, erleben aber die
Alltagsrealität in der Türkei nicht. Daraus resultiert dann der breite Jubel
für den Sultan, der hierzulande weit höher ist als in der Türkei selbst. Mit
voller Hose ist auch für einen strammen turknationalistischen Muslim gut
stinken.
Da ich selbst
schon erleben durfte, wie leicht viele Türken begeisterungsfähig sind, wenn man
ihnen durch die Blume mit irgendwelchen Fake-News das Gefühl gibt, Mitglied der
wahren Herrenrasse und moralisch weit über jedem anderen Stehend zu sein,
rechne ich mit einem klaren „Evet!“ am 16. April. Den Rest erledigt dann die
neutrale und absolut ehrliche Stimmenauszählung.
Was man sich
aber auf der Zunge zergehen lassen muss: Wenn Erdogan am 16. April faktisch
alle Macht auf seine Person vereint, hat er neben dem gleichzeitigen
Parteivorsitz der Partei mit absoluter Mehrheit (hohe Prozenthürden und
eingekerkerte Opposition sind praktisch) und damit der Mehrheit der
Abgeordneten im Parlament, was faktisch der absoluten politischen Macht im
Staat entspricht, auch einen milliardenschweren Medienkonzern an der Hand, der
für die richtige Stimmung im Land sorgt. Wie es den Sultan kritisierenden
Medien geht, sieht man ja. Doch, egal was die Propagandatürken noch so
beschönigen und lügen, es ist eine Diktatur, die da entsteht. Die
unappetitlichste seit 80 Jahren.
Wir sollten
uns darauf vorbereiten, dass es noch sehr ungemütlich wird. Denn dieser
Größenwahnsinnige wird nicht am Bosporus Halt machen. Das hat er zur Genüge
bewiesen, er betrachtet bereits jetzt die halbe EU als seine Nordprovinz. Wo
Türken sind, ist die Türkei. Und hier gibt es mehr als genug davon.
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