„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Montag, 13. März 2017

Bedrohung der Meinungsfreiheit



Während es um Trump ruhig geworden ist und nicht mehr jedes Kratzen am Hintern zu tagelangen Berichtsbestattungen führt und der Irre vom Bosporus als neue Sau, oder sollte man besser sagen, als neuer Ziegenbock durch das mediale Dorf geprügelt wird, schleicht sich durch die Hintertür, ganz still und leise und medial nicht allzu auffällig, ein Pamphlet der Gottkanzlerpartei, also direkt aus dem Hause Maas und Schwesig, das es erwartungsgemäß in sich hat, in den politischen Alltag Germaniens.

Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass mich an den unbeherrschten Ausbrüchen des Verhaltenskreativen von Ankara nicht wirklich stört, dass er in Berlin aufkommenden Nazi-Faschismus verortet, sondern dass ausgerechnet er dies tut. Da wirft ein Taschendieb einem Taschendieb vor, ein Krimineller zu sein. Das hat was. Aber wenn man sich anschaut, wie die mit großem Gedöns und Theaterdonner geführten Nebelgranatenschlachten für medialen Trommelwirbel sorgen, während die wirklich für Deutschland und das deutsche Volk relevanten Inhalte verschämt unter dem Flokati hervorgekrochen kommen, dann sollte einem das schon zu denken geben.

Also schauen wir uns mal dieses „Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zu Fake News“ an, das die Grundlage für die rote Parteipolitik und nach deren erwartetem Wahlsieg oder auch nach deren Wiedereintritt in die nächste Runde der GroKo zu geltendem Recht in Deutschland werden soll. Also genau genommen egal, wie die Wahl ausgeht.

Erstmal vorneweg: Es handelt sich hier offensichtlich um ein beschlossenes Papier der SPD-Bundestagsfraktion. Also keine Kreistagspolitiker, die am Freitag abend am Stammtisch ein paar Zettel zusammenschreiben und mit einer Runde Kleiner Feigling besiegeln, sondern die höchste parlamentarische Ebene des Bundes. Man kann davon ausgehen, dass sich daran Fachleute beteiligt haben, die besser wissen, worum es geht, als unsereiner vom unteren Rand der fiskalischen Nahrungskette.

Also werfen wir mal einen Blick hinein. Bereits in den Vorbemerkungen fallen da ein paar Sätze auf:

„Immer häufiger ist leider festzustellen, dass die Debattenkultur im Netz aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt ist.“

Abgesehen von dem fürchterlichen Deutsch, das die politische Elite da absondert, verstehe ich die Einschränkung „im Netz“ nicht ganz. Denn auch, wenn gerade die Hetze auf Fanatikerseiten wie „indymedia.linksunten“ eine eigene Qualität erreicht, erinnere ich mich da ganz besonders an Politiker, einige auch von der SPD, die mit Provokationen und Beschimpfungen agieren und Teile ihres Staatsvolkes als „Dreck“, oder „Pack“ titulieren, ihm den Stinkefinger oder den Scheibenwischer zeigen, ihm bescheinigen Verbrecher zu sein und keine Menschen, Dunkeldeutsche eben. Diese hetzenden und spaltenden Auswürfe der Hochoffiziellen werden allerdings in keiner Weise von ihnen angesprochen. Warum auch. Hier geht es ja scheinbar darum, dass nicht die Menschen vor den Angriffen einer aus dem Ruder laufenden Administration geschützt werden sondern die Machthaber vor Kritikern aus dem Volk.

„Offensichtlich ist ein beleidigender, verletzender oder auch rassistischer Kommentar oft
schneller getippt als ausgesprochen. Hassrede und rassistische Hetze können sich im Prinzip gegen jede und jeden richten und diese beispielsweise aufgrund ihrer Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, ihrer Religion, ihres Genders oder ihrer Sexualität diffamieren.“

Interessant wäre ja mal eine Definition, was genau jetzt unter „Hassrede“ zu verstehen wäre. In dem ganzen Pamphlet geht es darum, harte Regeln und Gesetze gegen etwas zu schaffen, was nicht definiert ist. Man könnte einfach hinterher weisungsgebundene Staatsanwälte auf die Leute hetzen und karrierebewussten Richtern die Entscheidung überlassen, was denn nun unter diese Begrifflichkeit fällt und was nicht.
Auf diese Weise wäre von der ersten Sekunde der Existenz des Gesetzes sein Missbrauch vorprogrammiert. Wie wir es ja schon aus diesen ganzen Verhetzungs-Maulkorbparagraphen kennen.

„Nicht immer bleibt es bei Hassreden, sondern sind Worte die Vorstufe von Taten.“

Besonders wenn es Worte sind, die in Gesetzesform gegossen dem Staat Macht über seine Bürger verleihen.

Hassrede, gezielte Desinformationen und Verunglimpfungen werden zudem verstärkt durch den Einsatz von Social Bots und Meinungsrobotern.“

Erinnert sich noch jemand an #aufschrei? Damals war das ein Instrument zum Kaltstellen der FDP, eine Hasskampagne unter offensichtlich massivem Einsatz von Bots und Fake.
Spätestens bei dieser Erkenntnis beginnt es zu riechen, als ob da jemand seine eigenen Methoden unter Patentschutz stellen möchte.

„Nicht alles, was unter dem Begriff Hassrede diskutiert wird, ist auch rechtswidrig. Es ist oft widerwärtig und abstoßend, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Diesen Inhalten kann man nicht rechtlich begegnen, hier bedarf es anderer Mechanismen wie Aufklärung und Gegenrede.“

Na bitte, damit wird der ganze Rest doch bereits zum Absurdum erklärt.
Es gibt bereits eine feste Definition, was rechtswidrig ist. Beleidigung, Bedrohung, Ehrabschneidung. Dagegen kann man rechtlich vorgehen. Es gibt diese Rechtswege.
Ob jemand Drittes aber eine Äußerung als widerwärtig oder abstoßend empfindet, ist keine Frage der Justiz sondern des Geschmacks. Geschmack kann man nicht einklagen.
Ich finde es widerwärtig und abstoßend, wenn Merkel ihre vaginöse Raute vor den üppigen Hüften macht. Kann ich jetzt einklagen, dass sie damit aufhört?

Merkt jeder, wohin es hier geht? Aussagen, die voll von der Meinungsfreiheit gedeckt sind und in keiner Weise rechtswidrig, sollen trotzdem zumindest gelöscht werden, und zwar schnell, final und ohne wirkliche Einspruchsmöglichkeit des Urhebers. Und das nur, weil irgend jemand reklamiert, ihm würde der Inhalt als abstoßend oder widerwärtig erscheinen.

Muss ich jetzt wirklich den Begriff „Rechtsstaat“ bemühen, um klarzumachen, was hier gerade offensichtlich zu Grabe getragen werden soll?

Nachdem sogar, wie wir gerade erst hier hatten, das ziemlich unappetitliche Urlaubsbloggen von kiffenden Jungautorinnen als förderungswürdige Literatur betrachtet wird, wäre das sofortige finale und nicht wieder herzustellende Auslöschen der Beiträge von kritischen Bloggern in meiner Wahrnehmung nichts anderes als die moderne Form der Bücherverbrennung. Man vernichtet das Schriftwerk, setzt das Urheberrecht vollkommen außer Kraft und wirft auf Knopfdruck das virtuelle Schriftstück auf den virtuellen Scheiterhaufen, womit es aus der realen Welt getilgt ist. Bücherverbrennung 2.0.
Jetzt versteht der Eine oder Andere vielleicht auch, warum ich eingangs erwähnte, dass mich der Hinweis auf Nazimethoden in Deutschland nicht wirklich stört, sondern nur, dass er von einem Diktator kommt, der sich gerade selbst in vollem Umfang der Werkzeuge aus der braunen Kiste bedient.

„Im Kern muss es bei der Debatte um einen neuen Regulierungsrahmen für soziale Netzwerke, um den Umgang mit rechtswidrigen Inhalten wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verunglimpfung etc. und um die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber sozialen Netzwerken gehen.“

Nein. Und warum? Weil es hier um Straftatbestände geht, die durch einen Autor begangen werden können, aber nicht durch ein „soziales Netzwerk“. Wenn jemand Flugblätter abwirft, wäre es doch auch idiotisch, den Papierhersteller zu verklagen. Oder stand die Post schon mal für den Transport von Briefen mit „abstoßendem“ Inhalt oder gefüllt mit Lügen vor dem Kadi? Nein? Warum wohl nicht, ihr höchstvolksvertretenden Überfachkräfte? Meine Güte, wenn das eine Parktikantin bei der „Zeit“ schreibt, dann denke ich mir, die weiß es nicht besser. Aber das ist, man muss es wiederholen, ein offizielles Positionspapier der SPD-Bundestagsabgeordneten.

Für den Inhalt einer Schrift ist immer der Autor verantwortlich. Der Staat darf es im Vorfeld nicht einmal kontrollieren und beeinspruchen, sondern immer erst hinterher einklagen, und zwar beim Autor. Der trägt immer das alleinige Risiko.  Nennt sich Zensurverbot und steht im Grundgesetz. Ich hoffe, ihr habt euch dessen Inhalt nicht von Frau Roth erklären lassen sondern selbst mal nachgelesen.

„Die Meinungsfreiheit ist und bleibt ein hohes Rechtsgut.“

Muss man sich mal vorstellen, wer das schreibt.

Das Internet ist jedoch kein rechtsfreier Raum, in dem rassistische Hetze oder sonstige strafbare Äußerungen verbreitet werden dürfen.“

Hinter dem Satz mit der Meinungsfreiheit ist jedes „jedoch“ ein Dolch im Rücken der Argumentation. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, denn das bisher gültige Recht kommt darin voll und ganz zur Geltung. Nur weil die Feststellung der Identität etwas schwieriger ist heißt das nicht, dass jeder machen kann, was er will. Pech natürlich, wenn derjenige in Australien oder auf den Fidschi-Inseln sitzt, aber das ist auch bei anderen Delikten ein Problem.

Und im Übrigen geht es hier immer noch um „Hassrede“, also eben nicht strafbare, aber für einige Unbestimmte in unbestimmtem Grade abstoßende, also undefinierte und dem subjektiven Gefühl Unbekannter unterworfene Worte.

„Es geht um die Durchsetzung des geltenden Rechts und um die Verfolgung von Rechtsverletzungen, auch in den sozialen Netzwerken.“

Nein, geht es eben nach meiner Wahrnehmung nicht, denn geltendes Recht wird bereits durchgesetzt. Ihr wollt scheinbar nur gerade ein neues Recht zur Geltung bringen, dessen Zweck es ist, sich selbst durchzusetzen. Inhaltsleer wie das Gesülze des Gottkanzlerkandidaten, der mit belegter Kermit-Stimme genau nichts fordert, aber das vehement, um dann, wenn die Macht dafür da ist, dieses Nichts mit den eigenen Inhalten zu füllen. Es geht scheinbar darum, Instrumente zu schaffen, um eigentlich durch die Meinungsfreiheit gedeckte und strafrechtlich eben nicht relevante Inhalte so schnell wie möglich dem oben erwähnten virtuellen Scheiterhaufen zuzuführen. Und zwar auf Verdacht und vorbeugend.

 „Dabei darf allerdings die Entscheidung, was letztlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, nicht privaten Unternehmen wie Facebook, Twitter oder Google überlassen werden; diese dürfen nicht zum „Richter über die Meinungsfreiheit“ werden.“

Erstens: Ach nein, und warum fordert ihr das im ganzen Rest des Papieres dann?
Zweitens: Gilt das auch für die „Faktenchecker“ z.B. von der ARD und der „Zeit“, die darüber entscheiden sollen, ob etwas als „Fake“ gekennzeichnet oder gar gelöscht und der Nutzer gesperrt wird?
Drittens: Schließt das auch illegal querfinanzierte Privatschnüffelstiftungen mit kerniger Stasi-Erfahrung aus oder dürfen die sich behördliche Kompetenzen anmaßen?

„Vorrangig geht es natürlich darum, gegen den jeweiligen Rechtsverletzer vorzugehen, also gegen denjenigen, der volksverletzende oder verunglimpfende Inhalte postet.“

Wenn es so wäre, würde das bestehende Recht, das eh schon sehr meinungseinschränkend ist, mehr als ausreichen. Hier soll aber offensichtlich der Aktionsradius ausgeweitet werden.

„Aber auch die Anbieter der sozialen Netzwerke haben eine Verantwortung, der sie gerecht werden müssen.“

Haben sie nicht. Müssen sie nicht. Für den Inhalt ist immer und ausschließlich nur der Autor verantwortlich. Und wird dieser strafrechtlich verfolgt ist auch bisher schon der Plattformanbieter verpflichtet, auf gerichtliches Geheiß Daten herauszurücken. Aber genau das ist der springende Punkt: Aktiv werden muss jemand erst auf richterliches Geheiß. Der Rest ist Datenschutz. Wenn es um Löschung geht: Urheberrechtsschutz. Persönlichkeitsrechte, die den Bürger gegen eine tobende Administration oder selbstherrlich agierende Großkonzerne schützen sollen. Warum wohl?

„Strafrechtlich relevanten Falschmeldungen und Hasskommentaren kann auch heute schon angemessen begegnet werden. Notwendig ist darüber hinaus ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement, um beispielsweise Betreiber auf entsprechende Inhalte hinzuweisen und Rechtsverletzungen anzuzeigen, da Löschung von strafbaren Inhalten allein keine Lösung ist.“

Wenn strafrechtlich bereits angemessen begegnet werden kann, ist jedwedes „darüber hinaus“ obsolet. Was hier vorgeschlagen wird klingt für mich wie die Begründung zur Installation eines Denunziantenwesens. Abgesehen davon braucht niemand den Betreiber hinzuweisen, aber jeder kann Anzeige erstatten, wenn er einen Rechtsbruch vermutet.

Man will also vom Betreiber verlangen, auf Zuruf Unbekannter sofort aktiv zu werden und mit bisher nur Richtern vorbehaltener Rechtserkenntnis unrechte Inhalte sofort zu löschen und die Fälle zur Anklage zu bringen. Also die Drecksarbeit des Denunzianten zu vervollständigen.
Und dann kommt natürlich gleich einmal eine neue Definition für dermaßen in den Gesetzeskäfig zu sperrende „soziale Netzwerke“ daher:

 „Plattformen, die darauf gerichtet sind, ihren Mitgliedern soziale Interaktion und den Austausch von Inhalten zu ermöglichen“.

Merkt das jeder? So wie hier. Ein Blog. Kommentarfunktion, Interaktion, Verlinkungen, Austausch von Informationen – und dann liegt es im Ermessen des Gerichtes festzustellen, was „Mitglieder“ sind und für den Rest kann sich der Blogbetreiber eingraben. Ist noch gar nicht so lange her, dass ich die Befürchtung äußerte, sowas wie unsere Blogs hier wird es auch nicht mehr lange geben, da werden Leute wie Maas und Merkel schon Mittel gegen finden.

Eines der Hauptprobleme bei der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ist das Fehlen von verantwortlichen Ansprechpartnern bei den Betreibern der sozialen Netzwerke für Justiz,  Strafverfolgungsbehörden und für Betroffene und das Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse des Plattformbetreibers in Deutschland. Diensteanbieter von sozialen Netzwerken sollen künftig eine Kontaktstelle mit einer 24/7 - Erreichbarkeit in Deutschland vorhalten, die die Strafverfolgungsbehörden bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben unterstützt und an die sich Betroffene wenden können.“

Klartext: Ihr könnt bisher den SN, und hier steht ja in dicken unsichtbaren Buchstaben „facebook“ und „twitter“ zwischen den Zeilen, offensichtlich rechtlich rein gar nichts. Deshalb sollen sie jetzt Anlaufstellen für eure Denunzianten und für die Strafbehörden schaffen, weil ihr sonst – was tut? Na, ist der Groschen gefallen? Wie blöd sollten die SN sein, sich euch freiwillig auszuliefern, wenn ihr denen bisher den Buckel rutschen könnt?

Außerdem sollen jährliche Berichte erstellt werden, gegen die das Berichtswesen des Qualitätsmanagements ein Dreck ist. Leute, das sind international tätige Konzerne. Wann genau fallen Beschwerden in den Bericht und wann nicht? Ist eine Beschwerde ohne Absender weltweit zuordenbar? Gilt die Beschwerde nur gegen einen deutschen Eintrag? Den Eintrag eines Deutschen? Einen Eintrag auf Deutsch, auch wenn er von Tahiti kommt? Einen Eintrag auf Englisch, wenn er aus Deutschland kommt? Einen Eintrag auf Russisch, wenn keiner weiß woher er kommt, aber ein in Deutschland lebender Russe dagegen Beschwerde einlegt? Oder will Deutschland einen Bericht über alles auf der ganzen Welt? Kommt das nur mir wie vollkommen unausgegorener bullshit vor, der nur verschwurbeln soll, dass man einfach unter der Vortäuschung, man wolle internationale Großkonzerne an die Kette legen die kleinen Betreiber deutscher Blogs und Informationsseiten abzuschießen? Man schafft ein Gummikorsett und zieht es dann bei Bedarf demjenigen über, den man darin sehen will.

„Bereits nach geltendem Recht haften Hostprovider für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer, sobald sie Kenntnis von diesen haben und nicht unverzüglich tätig geworden sind, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.“

Bereits dieses geltende Recht ist meiner Meinung nach eine Frechheit. Denn wann soll ein Hostprovider von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangen? Erst oben wurde festgestellt, dass es nicht sein kann, dass Private feststellen, was rechtmäßig ist und was nicht, denn das ist und bleibt alleinig Aufgabe der Gerichte. Und hier haben Private plötzlich die Pflicht, alles, was nicht rechtmäßig ist, innerhalb kurzer Zeit zu löschen, ohne Einspruchsmöglichkeit des Urhebers und selbst in voller Rechtsverantwortung stehend? Soll das ein Witz sein? Da bei faktisch keiner Aussage zu 100% garantiert werden kann, dass nicht irgend ein Gericht irgend einen Verstoß gegen irgend ein Gesetz feststellen könnte, ist bereits die Veröffentlichung des ersten „Guten Morgen!“-Postings eines Users eine rechtlich fragwürdige Geschichte, die unverzüglich gelöscht werden müsste oder zumindest eines Rechtsgutachtens bedürfe.

Bereits heute ist die Rechtslage so krude, dass die ihre Hütten gleich schließen könnten. Und wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum jeder, der es sich leisten kann, keine erreichbare Anlaufstation in Deutschland hat und möglichst auf jeden Rechtsverkehr mit denen pfeift. Sollen sie facebook Rechnungen schicken, die können die dann in die Mülltonne treten und lachend weitermachen weil der Staat Deutschland denen in Amerika genau gar nichts kann.

Im TMG werden Diensteanbieter verpflichtet, Beschwerden und Hinweise unverzüglich zu bearbeiten und offensichtliche Rechtsverletzungen (z.B.eindeutige Gewaltverherrlichung; Beleidigungen, Volksverhetzung) binnen 24 Stunden zu löschen.“

Und nochmal: wann ist eine Rechtsverletzung „offensichtlich“, und wenn sie „offensichtlich“ für juristische Laien ist, warum sollen sich dann überhaupt noch Gerichte darum kümmern? Immer wieder dieses leise anklingende Ausschalten der Justiz und volle Übergabe der Verantwortung an Private, bei denen man scheinbar die Hoffnung hat, sie über Strafandrohungen und Steuerprüfungen lenken zu können und im Falle einer Gegenklage, denn jetzt kommt der bisher noch nicht beschriebene Fall des sich wehrenden Users, als der Depp zwischen dem Autor und dem staatlichen Gericht zu stehen. Wird wegen der staatlich verlangten vorsorglichen Löschung von Inhalten nachträglich die Unrechtmäßigkeit der Löschung erkannt und dem Autor, der in diesem Falle das Opfer wäre, ist ein wirtschaftlicher Schaden entstanden, wer steht dann für die Entschädigung gerade? Na? Praktisch, was?

Und außerdem: in diesem System gibt es für mich sichtbar keine Möglichkeit der Unterlassungsforderung, kein Einspruchsrecht, kein rechtliches Gehör, nichts. Reine Willkür auf Basis anonymer Denunziation? Und das ohne an einer einzigen Stelle rechtlich eindeutig zu definieren, was denn jetzt eigentlich genau die Straftat ist? Stellen sich Sozen so den Rechtsstaat vor?

Bei komplizierten Fällen (in Fällen von nicht-offensichtlichen Rechtsverletzungen), in denen sorgfältige Prüfungen und Abwägungen erfolgen oder Stellungnahmen der Betroffenen eingeholt werden müssen, sollte die Löschung spätestens binnen 7 Tagen erfolgen. Der Plattformanbieter wäre bei substantiierter Darlegung einer Rechtsverletzung (etwa in Form einer Eidesstattlichen Erklärung) verpflichtet, dies binnen 24 Stunden zu prüfen und ggfs. mit dem mutmaßlichen Rechtsverletzer Kontakt aufzunehmen und innerhalb einer kurzen gesetzten Frist eine Stellungnahme einzuholen. Wenn es sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung handelt oder eine eidesstattliche Versicherung vorliegt, keine rechtzeitige Stellungnahme erfolgt oder aber die Rechtsverletzung eingeräumt wird, wird der angegriffene Inhalt gelöscht. Bei Bestreiten  einer Rechtsverletzung muss der Fall gerichtlich geklärt werden.“

Was soll das? Bei nicht-offensichtlichen Rechtsverletzungen landet das bei der Staatsanwaltschaft und die entscheidet, ob das vor Gericht geht. Was soll der Provider jetzt Anwälte entscheiden lassen? Und was hat da eine eidesstattliche Erklärung zu suchen? Gegenüber einer Privatfirma? Hä??
Eine Erklärung an Eides statt kann ich gegenüber einer staatlichen Behörde ablegen, aber doch nicht gegenüber privaten Unternehmen irgendwo in Nordamerika. Was wollen die damit?

„Es muss möglich sein, Entscheidungen der Plattformanbieter juristisch überprüfen zu lassen
und gegen diese Entscheidungen vorzugehen.
Besonders, aber nicht nur in Grenzfällen (also wenn es sich nicht um offensichtliche Rechtsverletzungen handelt oder keine eidesstattliche Versicherung vorliegt), liegt die  letztgültige Entscheidung nicht bei den sozialen Netzwerken, wenn es um die Einschränkung der Meinungs- oder auch der Berichterstattungsfreiheit geht.
Dies muss Entscheidung der Justiz bleiben.“

Schön. Man treibt erst den Provider dazu, alles was ihm gefährlich werden könnte sofort zu löschen, und dann gesteht man dem Autor großzügig das Recht zu, im Nachhinein sein Recht einzuklagen. Nicht mehr: im Zweifel für den Angeklagten. Nein, im Zweifel für den erzwungenen Vollstrecker und der Angeklagte muss auf sein finanzielles Risiko sein Recht auf rechtliches Gehör einklagen. Das sieht für mich aus wie die komplette Umkehrung des rechtsstaatlichen Grundprinzips. Wie viele werden mangels finanzieller Risikobereitschaft bzw. mangels finanzieller Möglichkeiten zur Risikobereitschaft erst gar nicht vor Gericht ziehen und auf das ihnen grundgesetzlich zustehende Recht auf freie Meinungsveröffentlichung in einem sozialen Netzwerk einfach verzichten?

Sowas nennt man dann Implantation von Schere im Kopf.
Ich möchte gar nicht mehr auf alles eingehen, das würde hier zu lang. Nur noch ein paar Leckerschmecker:

„Geprüft werden sollte zudem eine Kennzeichnungspflicht von Social Bots.“

Hahaha, und als nächstes kommt die Pflicht zur Nummerierung von Viren. Ich hau mich ab, dass die in einem Positionspapier soviel Komik unterbringen können hätte ich den ansonsten eher spaßbremsig daherkommenden Roten gar nicht zugetraut.

„Voraussetzung eines verantwortungsvollen Umgangs mit diesen Phänomenen ist Medienkompetenz und die Befähigung zur digitalen Selbständigkeit. Die Menschen müssen in der Lage sein, aus der Vielzahl der Informationen Inhalte einschätzen und bewerten und gezielte Falschinformationen ebenso wie Rechtsverletzungen erkennen zu können. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, die Menschen und insbesondere Kinder und Jugendliche zur digitalen Selbständigkeit zu befähigen.“

Genau diese Medienkompetenz gipfelt ja in der Erkenntnis, wann man es mit Lügenpresse oder Lückenpresse zu tun hat. Das dürfte den Obertanen ein Dorn im Auge sein, und ich kann mir Medienkompetenzausbildung an der Oberschule lebhaft vorstellen: es werden beispielhaft vorsortierte Meldungen der „Tagesschau“ und Artikel von „breitbart“ zum Vergleich vorgelegt und gleichzeitig eine „Faktenchecker“-Expertise, dass die Blogger gelogen haben und die Tagesschau immer super neutral und umfassend informiert hat. Und nennt das Ergebnis der Hirnwäsche dann „Medienkompetenz“. Geschenkt.

„Neben der Frage, wie man mit rechtswidrigen Inhalten umgeht, stellt sich natürlich auch die
Frage, wie man der Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses begegnen und wieder eine
respektvolle Debattenkultur etablieren kann.“

Naja, fürs Erste war schon mal der richtige Schritt, Herrn Gabriel die Frühverrentung nahe zu legen. Ansonsten: Schlag nach bei Erdowahn. Der will den Holländern aktuell Diplomatie beibringen. Vielleicht schickt er euch ein paar Schulungsunterlagen dazu, gut lesbar eingenäht auf eine türkische Flagge.

„Hier müssen wir entsprechende Förderprogramme aufsetzen und Strukturen aufbauen…“

Da war endlich das Zauberwort: Förderprogramme.
Am Ende geht es scheinbar nur um einen weiteren Schritt in Richtung Einschränkung der Meinungsfreiheit, die sich der Meinende jetzt auch noch gegen auf Staatsdrohung agierende Großkonzerne erstreiten müssen soll, bei der gleichzeitigen Verteilung fetter Staatskohle an ein paar verdiente Genossen, die die schwere Aufgabe übernehmen, das Ganze zu koordinieren.

Wir leben in wahrhaft interessanten Zeiten. Ob der Erdowahnsinnige oder der Bonsai-Zar die wirklich größte Bedrohung unserer (rest-)freien Welt darstellen, darf aber bezweifelt werden, wenn man solche Aussendungen liest.

2 Kommentare:

dna1 hat gesagt…

Also mir gefällt ja am besten dieser Satz:

"Daneben sind insbesondere im Kontext der Debatte um den Brexit und bei den Präsidentschafts- wahlen in den USA massiv gezielte Falschmeldungen und Propaganda unter dem Deckmantel eines vermeintlich seriösen Journalismus verbreitet worden."

Mit "gezielte Falschmeldungen" meinen die sicher die vielen falschen und manipulativen Meinungsumfragen, die von den seriösen Journalisten verbreitet wurden, und ja, da bin ich dafür, die gehören verboten. :-)

Fragolin hat gesagt…

Werter dna1,
besonders dieser krampfhafte Versuch, eine Deutungshoheit darüber zu etablieren, was seriöser Journalismus und was "vermeintlich" seriöser Journalismus ist, entlarvt das Ganze als Frontalangriff auf die letzten Reste an wirklich unabhängigen Medien.
Für mich haben Sozialdemokraten weder etwas mit sozial noch mit demokratisch am Hut. Die wirken wie eine einzige Räuberbande, die das System ausnutzen um es auszuplündern und jeden, der sie dabei stören oder gar entlarven könnte, aus dem Weg schaffen.
MfG Fragolin