„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Mittwoch, 10. Mai 2017

Der grüne Hass

Die Grünen feiern einen fulminanten Erfolg. Nein, nicht das Wiederreichen der Beliebtheit bei ihren Wählern, als sie noch Chancen auf zweistellige Wahlergebnisse hatten, oder der Austausch der unsäglichen Galionsfigur mit dem Charme einer Schönheitsoperation gegen einen Menschen mit Realitätssinn, was ja auch der Selbstaufgabe gleich kommen würde, sondern sie haben ein Gericht gefunden, dass ihrem Wunsch, es dem Zuckerberg mal so richtig reinzuwürgen, gerne nachgekommen ist. Was diesen sicherlich beeindruckt. Falls er es überhaupt zur Kenntnis nimmt. Was auch egal ist, denn es geht zwar um Facebook, aber eigentlich doch nicht.

Schauen wir hier mal nach, immerhin ist der „Standard“ ja besonders gerne bereit, den gebeutelten Melonen auch mal einen Moment des Feierns zu gönnen, bevor die nächste veritable Watschen verteilt wird.

Einen Meilenstein haben die Grünen im Kampf gegen Hasspostings erreicht: Facebook muss solche Postings löschen und damit weltweit vom Netz nehmen, nicht nur in einem Land sperren.“

Soll ich gleich vorneweg mal was spoilern? Ja?? Okay: Es wird im gesamten weiteren Text keine klare Definition geben, was ein „Hassposting“ überhaupt ist. Finde ich wirklich bemerkenswert, da hier eine Firma dazu unter Strafandrohung verknackt wird, „Hasspostings“ zu löschen, und zwar weltweit und sofort, ohne eine genaue Erklärung abzugeben, welche Eigenschaften ein zu löschendes Posting überhaupt erfüllen muss, um ein „Hassposting“ zu sein.

Wir haben keine Ahnung, was wir dir verbieten, aber wenn du es trotzdem tust, verklagen wir dich!

Gut, okay, wir haben es hier mit Grünen zu tun, da wundert einen jetzt das Fehlen jeglicher Logik und Klarheit nicht wirklich; ehrlich gesagt hätte mich das Vorhandensein davon viel mehr verwundert. Aber weiß das Gericht, was es da beschlossen hat? Oder weiß der „Standard“, was das Gericht beschlossen hat, und schreibt vor lauter überschwänglicher Freude ob des Sternchens für ihre Lieblingspartei einfach nur Blödsinn? Unmöglich ist nichts, aber trotzdem hat es diese Meldung gewaltig in sich.

Ich spoilere gleich noch etwas: Es wird auch nirgends erwähnt, wie die Rechtslage eines Autors ist, dessen Beitrag vom Angesprochenen als unangenehm (und bei unseren Schneeflöckchen ist ja jeder Furz bereits sprühender Hass) empfunden und daher weltweit gelöscht wurde, und der sich zu unrecht behandelt fühlt und das Recht auf Veröffentlichung seiner verfassungsmäßig zustehenden Meinung einklagen möchte. Och, das ist den begeisterten Cheerleadern einer virtuellen Bücherverbrennung egal, gelle? Da tanzt der Sittenwächter-Mob um den Scheiterhaufen aus unbotmäßigem Geschmiere renitenter Untermenschen, entartetem Gewäsch und by the way auch systemkritischem Gelaber (oder in Neusprech: HateSpeech und FakeNews) in der gleichen mentalen Verzückung wie seine Brüder im Geiste schon vor acht Jahrzehnten und bekommt nicht einmal mit, auf wessen Spuren er unterwegs ist.

Doch weiter bei unserem grünen Chefschneeflöckchen, deren Unfähigkeit zum Einstecken bei gleichzeitiger blutiger Stutenbissigkeit beim Austeilen nicht nur die eigene Parteijugend bei ihrem zaghaften Zwergenaufstand kennen lernen musste:

Anlass für das OLG-Urteil ist ein von den Grünen geführtes Musterverfahren gegen über ein Fakeprofil ("Michaela Jaskova") verbreitete beleidigende Äußerungen – "miese Volksverräterin" und "korrupter Trampel" – über Parteichefin Glawischnig.“
Wichtig war laut Windhager auch die – ungewöhnlich deutliche – Feststellung des OLG, dass es sich eindeutig um Hasspostings handelt.“

Also ich als juristischer Laie bekomme da Bauchweh. Ein Gericht stellt eindeutig fest, dass etwas ein „Hassposting“ ist, obwohl es dafür keinerlei Definition gibt. Die angeführten Aussagen, die erstaunlich harmlos klingen gegenüber dem, was Linke über Trump, Putin oder LePen absondern oder gar dem, was der dafür beklatschte Jan Böhmermann dem Operettensultan um die Ohren geschlagen hat, haben so dermaßen gar nichts mit „Hass“ zu tun, dass einen allein der vorgeschriebene Respekt vor dem Talar davon abhält, über das Gericht tiefer gehende Fragen zu stellen.

Sehr wohl können diese Aussagen als persönliche Beleidigung und Unterstellung einer Straftat und damit schwere Rufschädigung gewertet werden. Das sind bereits einklagbare Straftatbestände und haben gar nichts mit „Hass“ zu tun und nebenbei erwähnt auch nichts mit „Facebook“. Eine Klage gegen den Autor, einen Gerichtsbescheid zur Offenlegung der Identität des Posters durch den Provider, fertig.
Nebenbei erwähnt verstehe ich den Ärger über solch deftige Aussagen, aber wer sich als Politiker dermaßen in der Öffentlichkeit präsentiert, muss auch was wegstecken können. Aber darum geht es ja auch nicht. Es geht ja um mehr.

Es werden die Aufsteller virtueller Litfaßsäulen faktisch verknackt, alle halbe Stunde um sämtliche Werbeträger herumzulaufen und zu kontrollieren, ob irgendwer dort irgendeinen Zettel hingehängt hat, der jemanden beleidigen könnte. Es ist, als ob der Vermieter von Werbeflächen verantwortlich gemacht wird, wenn der Mieter der Werbefläche halbnackte Mädchenhintern zeigt und damit wichtigtuerische Selbstdarsteller zum „shitstorm“ treibt. Selbst dann, wenn er die Werbefläche kostenlos für jeden Interessierten zur Verfügung stellt.

Eine Reihe wichtiger Fragen ist aber noch offen: So hat das OLG Wien die Löschung aller identischen Postings angeordnet – aber noch keine Entscheidung getroffen, ob ein Hostprovider auch sinngleiche Inhalte suchen und vom Netz nehmen muss.“

Dazu ein paar Fragen: Was genau bedeutet „identisch“? Wann ist es nicht mehr identisch? Ein Wort vertauschen, Satzzeichen anders setzen, etwas Umformulieren...? Was sind sinngleiche Inhalte? Wie genau wird „Sinngleichheit“ juristisch definiert? Hat es den gleichen Sinn, wenn nur Synonyme für den gleichen Sachverhalt genommen werden, also „Doppel“ statt „Trampel“? Oder auch, wenn man ein anderes Wort verwendet, wie „Karawankenmamba“, und für empfindsame Mimosen damit auch beleidigend wirken könnte? Wie soll Facebook Postings sinngleichen Inhaltes finden, wenn es gar keine Definition davon gibt?
Und gilt das dann in jede Richtung? Also auch, wenn über Strache oder Strolz oder sonstwen hergezogen wird? Über „Nazi-Schlampen“ zum Beispiel?

Wie verträgt sich das mit dem Einsatz des „shitstorms“ als Waffe der politisch Korrekten gegen alles, was ihnen nicht passt? Was ist ein „shitstorm“ anderes als eine ganze Welle von Hass? Ist politisch korrekter Hass besser als politisch unkorrekter? Und was ist Hass überhaupt? Wie kann jemand zweifelsfrei die Gefühlslage eines Menschen auf Basis einer hingetippten Aussage ferndiagnostizieren, ohne sich damit selbst unglaubwürdig zu machen?

Es wäre alles so lächerlich, wenn damit nicht an den Grundfesten unserer aufgeklärten, offenen Gesellschaft, nämlich der Freiheit der Meinung und der Kunst, gemeißelt würde. Und das ausgerechnet von den Grünen. Freiheitskämpfer als Faschisten, das hat was.

Also ich würde das Problem an Stelle von Facebook anders lösen und allen, die mit Löschungsforderungen und Klagsdrohungen kommen sofort den Account sperren. Dann können sie auch keine unangenehmen Reaktionen mehr bekommen, weil sie keine unangenehme reaktionen provozierende Aktionen mehr setzen können.
Denn, wenn jemand wie die Grünen rotzt:

Bisher müsse sich das Unternehmen jedenfalls den Vorwurf gefallen lassen, "die weltweit größte Hassplattform" zu sein.“

und dann gleichzeitig diese „Hassplattform“ für ihre eigene Parteidarstellung nutzt, und zwar kostenlos!, dann würde ich die sofort rausschmeißen. Achtkantig.

Also dann, liebe Melonen, ich gratuliere euch von Herzen für diesen Erfolg. Einen Erfolg dabei, mit Hilfe eines wohlgesonnenen Gerichtes einen Pudding an die Wand zu nageln. Eure Hoffnung, kostenlose Plattformen dazu zu bringen, auf euren Zuruf vorsichtshalber jeden dissidenten Text virtuell zu verbrennen, könnte sich erfüllen. Es könnte aber auch nach hinten losgehen. Denn wenn Zuckerberg morgen seine Kosten-Nutzen-Rechnung anschaut und sich zurücklehnend übermittelt „Liebe Österreicher, wenn ihr sowas bei der nächsten Wahl in die Regierung bringt, drehen wir unser Fratzenbuch landesweit ab!“ - dann könnte es passieren, dass die Grünen nicht einmal mehr die Stimmen ihrer eigenen Funktionäre bekommen.
Ob sie dann noch feiern?
Ich weiß nicht, aber ich sicher...

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