Also
mal ehrlich, ich bin immer wieder erstaunt, wie ausgerechnet jene
progressiven Kräfte und intellektüllen Vorkämpfereliten der Großen
Weltrevolution, die uns bei jeder sich anwanzenden Gelegenheit als
Tatsache verhökern wollen, dass unsere ganze Realität nur
konstruktivistisch im eigenen Mentalkäfig zusammengehäkelt wird,
und das ausgerechnet aus reiner Wortwolle, genannt „Sprache“,
nicht einmal ansatzweise in der Lage zu sein scheinen, solche auch
nur halbwegs sinngebend zu verwenden.
Wenn,
wie im „Standard“
berichtet, die EU-Kommission einen „Sprecher“, also einen für
Medienarbeit und Wortwahl Qualifizierten und hoffentlich nicht durch
Verschulzung zu seinem Posten Gekommenen, heraustrompeten lässt, die
Todesstrafe wäre "nicht nur eine rote Linie, sondern die
röteste aller roten Linien" ..dann stellen sich mir die
Zehennägel auf. Das hat was vom guten alten Werbespruch „weißer
als weiß“. Roter als rot. Was für ein sprachlicher Nonsens!
Und
inhaltlich sieht es auch nicht besser aus.
Welche
„rote Linien“ gibt es denn? Bisher doch nur die Weigerung,
sogenannte „Flüchtlinge“ importieren zu lassen. Und da hat die
Türkei ja jetzt keine Probleme, ist sie ja ein reines
Migrations-Exportland für die EU.
Es
gab keine „rote Linie“ als kurdische Bergdörfer in der Türkei
von der türkischen Luftwaffe bombardiert wurden und die türkische
Regierung eigene Staatsbürger als Kollateralschaden schulterzuckend
zur Kenntnis nahm. Wie es da mit den „europäischen Werten“ in
puncto Umgang der Obertanen mit aufmüpfigen Untertanen aussehen
muss, kann sich gern jeder selbst rückschließen. Jedenfalls ist das
Bombardieren von Dörfern auf dem eigenen Staatsgebiet keine „rote
Linie“.
Es
gab auch keine „rote Linie“ als der laufende türkische
Genozidversuch an den zugegeben in ihren Mitteln auch nicht
feinsinnigen Kurden das türkische Staatsgebiet verließ. Die meisten
türkischen Offensiven in Syrien und Irak galten nämlich nicht den
IS-Schergen oder Al-Nusra-Terroristen, sondern genau jenen Kurden,
die als Verbündete der internationalen Allianz gegen den IS
kämpften. Übrigens auch keine „rote Linie“ der Nato, wenn deren
Verbündete bombardiert und deren Gebiete feindlich besetzt werden.
Weder Nato noch EU haben Probleme mit Angriffskriegen. Außer Putin
spielt dabei eine Rolle, dann sieht plötzlich wieder alles anders
aus. Aber das nur am Rande zum Thema bigotter Sauhaufen.
Als
in der Türkei zum Frauentag Frauen, wir erinnern uns, jenes
Geschlecht das in der EU sogar „positive Diskriminierung“ genießt
um Buße für vergangene angebliche patriarchalische Unbill zu
erfahren, gegen die bekopftuchende Radikalislamisierung auf die
Straßen gingen und dann auf Geheiß des Erdowahnsinnigen mit
Knüppeln, Tränengas und Gummigeschossen auseinandergeprügelt und
massenweise in Haft verschleppt wurden, war auch nirgends eine „rote
Linie“ zu entdecken. Klar, geht hier jemand gegen Islamisierung auf
die Straße, wird auch gerne Geknüppelt und mit dem Wasserwerfer
Renitentengießen gespielt. Man versteht sich.
Erst
beim Einkerkerungsfuror gegen die Opposition nach der Putschposse
wurde man langsam stutzig, aber irgendwie auch erst, nachdem es
durchaus strunzlinke Rotzlöffel waren, die es erwischte. Eigentlich
hat man mit dem Mundtotmachen von Dissidenten auch in der EU kein
wirkliches Problem, nur gilt hier der Konsens, dass Linke, egal wie
anarchistisch oder aggressiv sie sind, niemals Dissidenten sein
können. Um als solcher anerkannt zu werden muss erst der ritterliche
Schlag zum „Rechten“ erfolgen. Dann kann man auch alle
Widerlichkeiten gegen jene auffahren, da passt kaum noch ein Blatt
zwischen unsere Obertanen und den Sultan. Deshalb war auch dort keine
wirklich „rote Linie“ zu sehen.
Und
jetzt wird mit einer Verfassungsänderung die Person Erdogan faktisch
zum Großsultan erhoben, das Parlament zur Jubelbude degradiert und
das ganze System so einzementiert, dass einer die absolute
alternativlose Entscheidungsmacht hat, die Regierung aus
Speichelleckern und Erfüllungsgehilfen besteht und das Parlament
nicht einmal bei Grundsatzentscheidungen mehr gefragt wird. Könnte
man sich in einem EU-Land wie beispielsweise Deutschland gar nicht
vorstellen, oder? Also auch dort, ganz konsequent, keine „rote
Linie“.
Aber
jetzt, jetzt kommt sie, und es ist nicht irgendeine „rote Linie“,
nein, es ist auch nicht die „roteste“ sondern die „röteste
aller Linien“: die Todesstrafe!
Keine
Sorge, bis das spruchreif wird und vom Sultan durchgepeitscht und
dann rückwirkend an den Unbequemen ausprobiert, die im Windschatten
der Putschposse aus dem Verkehr gezogen wurden oder schon lange im
Knast sitzen und deren Frage somit endgelöst werden kann, wird noch
einiges Wasser durch den Bosporus strömen und in der EU interessiert
ja auch morgen keinen mehr sein grammatikalisch sinnfreies Geschwätz
von gestern.
Also
egal. Auch wenn in der Türkei die Demokratie die töteste ist und
der erste Gefangene dieser den letzten Atemzug ausgurgelnd folgt,
werden bei uns die bigöttesten Demokratievortäuscher auch die
freudvöllsten Beitrittsgesprächsführer bleiben. Bis der Irre vom
Bosporus selbst sein Volk ausrufen lässt: Ihr Idioten da im Norden,
wir wollen nicht zu euch in die depperte EU, aber ihr könnt euch
anstellen und untertänigst darum bitten, dem Neo-osmanischen Reich
als tributpflichtige Provinzen beizutreten. Und selbst dann ist damit
zu rechnen, dass diese Verräter dem nachgeben und sofort ein
Unterwerfungsgebot legen.
Die
einzigen „roten Linien“ die ich befürchte, sind die Ströme von
Blut, die das kosten wird. Und die Haufen von tötesten aller
Menschen.
2 Kommentare:
Ich frage mich sowieso, wieso diese "röteste" aller Linien dann im Falle der USA, z.B., keine Konsequenzen whatsoever haben, außer dass man ihnen speichelleckend in den Arsch kriecht. Wovor soll sich der Sultan nun also fürchten, der Hosenanzug steckt ihm eh schon im Hintern, kommt halt noch ein EU-Würschtl dazu.
lg
http://www.achgut.com/artikel/mit_aydan_oezoguz_richtig_rechnen_lernen
Kommentar veröffentlichen