„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Montag, 5. Juni 2017

Mut zur Wahrheit

Hut ab. Nein, ganz ehrlich, ich bewundere den „Standard“. Nicht nur, dass dort ein recht offenes Forum mit Kommentarfunktion für alle Artikel gepflegt wird, in das recht selten zensierend eingegriffen wird und auch Kommentare, die sich gegen die Redaktion wenden, freigeschaltet werden, nein, sie nehmen auch das ganze Pfingstwochenende zur Gelegenheit, einen Themenschwerpunkt abzuarbeiten, der im Zusammenhang mit pressegeförderten und regierungsinseratengestützten Systemzeitungen aus einer Mischung von Tapferkeit und Selbstironie bestehen muss: die WAHRHEIT.

Und zu diesem Themenschwerpunkt sind ein paar Artikel erschienen, mit denen ich mich die nächsten Tage, wenn der recht prall gefüllte Aufgabenkalender es zulässt, ein wenig beschäftigen möchte.
Heute beginne ich gleich mal mit einem Beitrag, dessen Überschrift mich bereits gefesselt hat. Weil in einem Satz so viele Dinge stehen, die erklären, was heute falsch läuft:

Umfrage: Fast die Hälfte will staatliche Richtigstellungen von Falschmeldungen“

Äh. Wo haben die umgefragt? In der Parteizentrale der Grünen? Oder in Pjöngjang?
Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich meine, dort steht nichts anderes, als dass sich die Hälfte der Bevölkerung wirklich wünscht, dass eine staatliche „Wahrheitsbehörde“ Meldungen überwacht und korrigiert. Und ich vermute, die meisten haben diesen Sinn ihrer eigenen Antwort nicht einmal im Ansatz begriffen.

Ich nehme das als eindeutigen Beweis, dass das, was in Deutschland unter Maas passiert, auch in Österreich auf sehr verhaltenen Protest stoßen würde. Die Leute würden das wirklich fressen, die Verstehenden und deshalb Protestierenden wären in einer Minderheit, die sich durch demokratische Gesetzgebung ruckzuck zum Schweigen bringen lassen würde, damit die Mehrheit in Ruhe ihre staatliche Wohlversorgung mit Wahrheit genießen kann.
Aber schauen wir mal, was der Artikel alles so zu bieten hat.

Wer weiß schon, ob das alles stimmt, was da Tag für Tag an Nachrichten vermeldet wird! Ob die Fakten stimmen, die man sich ergoogelt hat? Und kann man dem Arbeitgeber trauen, der einem eine glänzende Zukunft im Unternehmen verspricht – oder wird derselbe Arbeitgeber vielleicht schon im nächsten Quartal eine Kündigung aussprechen?“

Willkommen im „Standard“-Universum.
Wo man zwei Fragen in diesem Zusammenhang nicht stellen darf.
Erstens: Wer weiß schon, ob die Fakten stimmen, die man so im „Standard“ liest?
Zweitens: Und kann man dem Bewerber trauen, der dem Arbeitgeber vollmundig erklärt, der motivierteste und kompetenteste Angestellte zu sein, den er bekommen kann, oder wird derselbe Bewerber innerhalb eines Vierteljahres zum inkompetenten, faulen Beiwagerl mutieren?
Nein, man ist mit einem Seitenhieb auf Internet und einem zweiten auf Unternehmer schon mal ziemlich geradlinig in der ideologischen Filterbubble der Kernklientel unterwegs. Und merkt gar nicht, dass sich bereits dort das Kernthema schwierig gestaltet.

Denn die Wahrheit ist, dass nicht nur beim Googeln falsche Informationen weitergeleitet werden können, sondern auch beim stupiden Abkopieren vorgefertigter Agenturmeldungen oder offizieller Verlautbarungen durch Zeitungen. Und bei dem Beispiel mit dem Arbeitgeber handelt es sich nur um einen Schenkelklopfer für die begeisterte linke Leserschaft und eine Verbeugung vor den Freunden von der Arbeiterkammer, aber um kein Beispiel von Lüge oder Täuschung. Denn jedem Unternehmen kann passieren, innerhalb weniger Monate in eine prekäre Auftragslage zu kommen, die einen Stellenabbau zwingend nach sich ziehen kann, denn wo kein Kunde da kein Geld, auch nicht für Gehalt, und die letzten Eingetretenen sind meist die ersten Gegangenen. Hat nichts mit Fake zu tun sondern mit Wirtschaft, aber gut, es geht ja um den „Standard“ und seine Leserschaft, da legen wir mal die Latte nicht so hoch. Und es sorgt eben für Erheiterung, jedem Arbeitgeber Lug und Trug zu unterstellen, also das Feindbild zu hätscheln.
An dem Thema „Wahrheit“ kann man auf diese Weise aber fulminant scheitern.

"Dem ORF-Radio und dem ORF-Fernsehen sowie den Kaufzeitungen wird nicht viel weniger Wahrheitsliebe zugetraut als den Menschen aus dem täglichen Arbeitsumfeld, da liegen die Durchschnittswerte zwischen 2,88 fürs ORF-Radio und 3,03 für gekaufte Tageszeitungen." Allerdings liegt der Anteil derer, die hier ein glattes "sehr gut" geben, nur noch im einstelligen Bereich.“

Die freuen sich über einen Dreier, als hätten sie eine Auszeichnung bekommen. Und wenn der Durchschnitt der „gekauften Tageszeitungen“ schon bei Drei liegt, wo liegt dann der „Standard“? Oder anders gefragt: Will man die Wahrheit wirklich immer wissen?

Auffallend ist, dass diese traditionellen Medien bei erklärten Anhängern der Freiheitlichen durchgängig schlechtere Noten bekommen – "FPÖ-Wähler trauen Büchern und Zeitungen, aber auch dem ORF weniger. Etwa jeder dritte Freiheitliche gibt dem ORF-Fernsehen ein 'nicht genügend'.“

Man sieht das also wirklich so, dass Wähler der FPÖ (ohne explizite Betrachtung exakt dieser Klientel geht nix beim rosa Blatt) dem ORF und den Zeitungen (und da dürfte der „Standard“ ganz weit oben stehen) am wenigsten trauen. Auf die Idee, dass die Kausalität anders herum sein könnte, also besonders jene Leute, die sich von ORF und Presse verschaukelt fühlen, FPÖ wählen, kommen wir lieber nicht.

Außerdem tun ja die Medien auch alles, um bei den FPÖ-Anhängern ebenso wie bei allen Anhängern neutraler Berichterstattung allgemein besonders Minuspunkte zu sammeln. Was da in den letzten Jahren an Hetze und Lüge verbreitet wurde, an Sinnverzerrung, an Propaganda, das weckt nicht wirklich Vertrauen und Sympathie.

Also wenn die Medien jeden Tag über mich berichten, was ich für ein mieser Knilch bin und dass mich keiner grüßen darf, der seinen Ruf nicht auch versauen möchte, würde ich denen auch nicht mit Liebe und Vertrauen begegnen. Was ist Wahrheit, wenn man die Hintergründe nicht betrachtet und die Kausalitäten ignoriert? Kann man die überhaupt jemals erfassen, wenn man so oberflächlich daran geht?

Aber schauen wir uns mal an, wie es mit der Kernfrage des Artikels aussieht:

Welcher dieser beiden Meinungen stimmen Sie eher zu?
Meinung 1: Eine staatliche Stelle soll den Wahrheitsgehalt von Meldungen, die in Österreich verbreitet werden, kontrollieren und Falschmeldungen richtigstellen.
Meinung 2: Es ist nicht Aufgabe des Staates, Falschmeldungen zu kontrollieren."

Seien wir mal ganz ehrlich: Ist das überhaupt eine Frage? Jeder, der die Antwort 2 nicht wählt, hat nicht verstanden, was Aufgabe eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates ist und was nicht. Hat im Unterricht gepennt, sich einen Dreck dafür interessiert, nix begriffen. Und das ist die Mehrheit.
Ja, die Mehrheit!

So gefragt, sprechen sich immerhin 45 Prozent für eine staatliche Meldungskontrolle beziehungsweise eine offizielle Richtigstellung von Fake-News aus. Junge Befragte tun das mit noch größerer Mehrheit (53 Prozent), auch die städtische Bevölkerung neigt mehr dazu, den Staat Falschmeldungen richtigstellen zu lassen. Der Meinung, dass die Kontrolle von wahr oder falsch keine Aufgabe des Staates sein sollte, schließen sich 41 Prozent an.“

Oh, Papa Staat, bitte bitte sage mir die Wahrheit! Lass mich nicht im Zweifel zurück, predige mir die Wahrheit von der Kanzel des Ö3-Nachrichtenstudios, sag mir was ich wissen soll, sag mir was ich denken soll, wen ich hassen soll und wen ich wählen soll…
Also wenn das unseren Obertanen kein feuchtes Höschen verpasst?!

Auffallend ist, dass auch Befragte, die offiziellen Stellungnahmen der Bundesregierung eher schlechte Noten geben, die Erwartung haben, dass der Staat Falschmeldungen glaubwürdig entgegentreten kann und soll.“

Das ist ja genau das Paradoxe an unserem Wahlvolk. Egal mit wem man redet, alle haben die Schnauze voll, alle wollen „denen da oben“ mal so richtig eine reinkellen, die alle zum Teufel jagen, aber sowie es um Verantwortung geht, und sei es nur mal selbst nachzudenken ob das, was man da liest, wahr oder falsch sein könnte, greinen sie nach den Obertanen wie kleine Kinder nach dem Papa, damit er ihnen die Welt erklärt. Und wählen sie deshalb wieder und wieder.

66 Prozent behaupten, dass sie versuchten, selbst immer die Wahrheit zu sagen – besonders Wähler von SPÖ und Grünen sagen das von sich.“

Jaja, die Guten. Wollen nur die Wahrheit sagen. Die sie von Papa Staat präsentiert bekommen haben. Oder von der Parteizentrale. Oder aus dem „Standard“. Es gibt kaum bessere Selbstdarsteller als jene, die glauben, selbst die Guten und moralisch Höherstehenden zu sein. Das gibt so ein gutes Gefühl, im Recht zu sein, wenn man auf andere, niedere hinpeckt. Deshalb absolut glaubwürdig, der Wert.
Und man geht natürlich davon aus, dass, so wie man selbst Vertreter der Wahrheit und Ehrlichkeit ist, von allen anderen nur belogen und betrogen wird:
Als besonders skeptisch erweisen sich in diesem Punkt die SPÖ-Anhänger.“
Ja, das ist der Preis der moralischen Selbsterhöhung.

Dafür sind es besonders die Freiheitlichen, die bezweifeln, dass Wahlen in Österreich fair und ohne Fälschung durchgeführt würden.“

Tja, Erfahrung prägt den Menschen.

Drei Prozent glauben schließlich, die Erde sei eine Scheibe.“

Naja, das dürften jene sein, die das in ihrer Schulzeit in Kabul oder Bagdad auch noch so gelernt haben. Oder ein paar Scherzkekse. Denn mal ganz ehrlich: Wenn einem eine solche blöde Frage gestellt wird, ist man schon versucht, die zu veräppeln.
Wird noch lustig, dieser Themenschwerpunkt.
Echt wahr!

3 Kommentare:

Heinz hat gesagt…

Lieber Fragolin,

Mich würde interessieren, ob man alle Antworten dieser 3 Prozent Erdenscheiben vom Ergebnis herausgefiltert hat, oder bekommen wir hier tatsächlich präsentiert, was Menschen, die die Erde für eine Scheibe halten, zu so einem komplexen Thema wie "Wahrheit" zu sagen haben?

Interessant auch bzgl. Google: Alle Leute, die Google nicht trauen, vertrauen sich selber nicht. Google sagt zu 100% die Wahrheit, man muss nur die richtigen Fragen stellen und sich dann jene Quellen aussuchen, "die die Wahrheit sprechen". Aber Vorsicht bei Wetteranfragen .... :-)).

lg

raindancer hat gesagt…

Ich nehme nichts und niemand mehr ernst der in der Argumentation eine Nationalsozialismus Bezug gerstellt. Abgesehen davon lese ich aus Prinzip keinen Standard und keine Kleine Zeitung mehr, da könnt ich ebensogut die Kloheftchen der Zeugen Jehovas lesen

Karl hat gesagt…

Werter Fragolin,
warum verschwenden Sie Ihre Zeit damit sich mit diesem linkslinken Schundblatt zu befassen? Das Gesindel, das dort für die immer kleiner werdende Klientel schreiben darf, sollte man nicht als Journalisten bezeichnen. Das sind Arschlöcher und Unmenschen edelster Güte. Auch deren Zeit wird vorbei sein, spätestens, wenn ihnen die nächste Regierung die Presseförderungen steicht. Lassen Sie diese Afterjounalisten jaulen, am Ende des Jahres wird es damit vorbei sein.
Das ist für mich das gleiche verlogene Gesocks, das übelste Propaganda betreibt, wie die Arschlöcher vom CNN, die gestellte Szenen um die Welt schicken und den Menschen damit eine Anti-Terror-Demo der Moslems vorzugaukeln. Dass ich nicht lache.
Verschwenden Sie lieber Ihre Zeit mit wichtigeren Themen. Ist meine Meinung.
Herzlichst, Karl