„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Samstag, 10. Juni 2017

Unwissenheit

Ich werde alt.
Das merke ich zum Beispiel daran, dass sämtliche Regeln und Vorschriften meiner Kinder- und Jugendzeit heute keinerlei Gültigkeit mehr besitzen.

Erstmal hätte uns unsere Mutter in dem Falle, dass wir mit dreizehn noch morgens um drei um die Häuser ziehen, erst kräftig aus der Hose geschüttelt und dann wäre uns das Verlassen der heimischen Kemenate wochenlang nur durch zusammengeknotete Laken möglich gewesen, was bei der damaligen Qualität des Leinens böse hätte enden können, wenn wir nicht parterre gewohnt hätten. Und ich rede hier von Jungs.
Mädchen wären bereits ab zehn Uhr abends nach einem emotionalen Anruf des Vaters von der örtlichen Polizei gesucht und im Falle des Findens per Blaulichttaxi zu Papa gebracht worden, der ihnen noch vor den wegschauenden Augen der Beamten eine geknallt hätte. Ach ja, das waren brutale Zeiten. Aber dafür kamen die Mädchen bei sowas mit einem blauen Auge davon, was man durchaus wörtlich nehmen kann und in Anbetracht der modernen Alternativen geradezu erstrebenswert scheint.
Sexistisch, brutal und Kinder unterdrückend: Ach was waren diese Zeiten voll Nazi!

Dann haben wir gelernt, dass man auf gar keinen Fall mit Fremden mitgehen darf, egal wie nett die tun. Und dabei war mit „Fremden“ durchaus einfach schon der Zustand des Nicht-persönlich-bekannt-Seins gemeint, das reichte wenn der Fremde aus dem Nachbardorf kommt. Von weiter her Zugelaufene kamen auch dermaßen selten vor, dass allein deren Auftauchen im Dorf dazu führte, dass es einen mittleren Auflauf gab und in der Folge alle Fahrräder, Rasenmäher und unverheirateten Töchter schnell weggeschlossen wurden. Fremde war einfach die Definition für alle anderen, und keiner wäre auf die Idee gekommen, welche in ihr Haus zu lassen und dort auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Und mit denen ging man nicht mit. Nicht am hellichten Tag und schon gar nicht mit dreizehn in der Nacht um drei Uhr.
Gelebte Xenophobie, gepaart mit vorsichtigem Rassismus: Ach was waren diese Zeiten voll Nazi!

Heute gelten diese ewiggestrig-verzopften und muffigen Regeln einer verknöcherten Vergangenheit nicht mehr. Heute können Dreizehnjährige die ganze Nacht irgendwo durchfeiern, und sich wenn‘s geht bei einem Jugendombudsmann beschweren, sollten die verknöcherten Nazi-Eltern es wagen, ihnen da abweichende Vorschriften machen zu wollen. Sie ziehen durch die Nacht und rennen mit jedem mit, egal was für eine Gestalt das ist, auch wenn der sich als illegal angeschwemmter Krimineller entpuppt, egal, man will ja um keinen Preis ein xenophober rassistischer Nazi sein wie die Alten. Man lebt ja in einem bunten Land, einem bereicherten, lustigen Schmelztiegel einer grenzenlos multikulturellen Welt, in der sich nie wieder ein pubertierendes Mädchen ein blaues Auge holen muss.

Von einem illegal invasierten Iraker. Brutal in einen Raum gezerrt und defloriert.
Ja, so ist das lustige bunte Leben. Und wehe man sagt jetzt was gegen den armen traumatisierten Flüchtling, das wäre Hetze und ganz ganz böse Pegida. Der wollte ja nur spielen. Der wusste ja nicht, dass die erst dreizehn ist. Der stand eben nur auf den gleichen Typ wie Polanski, kannte aber weder die hiesigen Anflirtregeln noch wusste er, dass es ungesetzlich ist, ein Schulmädchen zu knallen. Hätte man ihm ja mal in einem Wertekurs bei der örtlichen Volkshochschule erzählen können. Wenn er hingegangen wäre. Und verstanden hätte, was man da redet. Oder sich dafür interessiert hätte.

Ach ja, eines habe ich auch noch während meiner Kindheit gelernt:
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Gilt auch nicht mehr.
Ebensowenig wie: Vor dem Gesetz sind alle gleich.
Seit der „Farm der Tiere“ wissen wir: richtige Schweine sind etwas gleicher als alle anderen.

2 Kommentare:

gerd hat gesagt…

"Ich werde alt."

Ich hoffe doch sehr, dass dieser "Zustand" noch eine ganze Weile anhält. Woher wüsste ich sonst, dass ein Kindesmissbrauch keiner ist, wenn Täter und Opfer vorher miteinander getrunken haben?

raindancer hat gesagt…

Drecksau.....und für sowas muss man auch noch den Knast zahlen anstatt dass man den mit einen Tritt in den Arsch in einen Knast im Irak befördert.