„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Freitag, 17. Februar 2017

Das Äffchen am Leierkasten



Es war so sicher wie das Amen im Gebet oder das Allahu Akbar vor dem Bumm: Kaum hat der zerknitterte Gandalf aus Tirol den bösen Sauron Hofer besiegt und ist in die Hofburg eingezogen, beginnt die Demontage des Amtes. Solange es ein fettes Ausgedinge für verdiente Parteisoldaten darstellte, wurde es mit Händen und Klauen verteidigt und jede Beschränkung der Kompetenzen, wie sie gerade von den Blauen immer wieder gefordert wurde, solange die sich keine Chancen ausgerechnet haben, selbst mal den Präsidenten stellen zu können, wurde empört abgeschmettert.
Doch kaum hat ein blauer Kandidat den politischen Hochbetrieb monatelang in Schreckstarre versetzt und fast den Titel des obersten Grüßaugust der Nation den verdienten linken Recken entwunden, drehen sich die Meinungen wie Fähnchen im Wind.

„SPÖ und ÖVP wollen Macht des Bundespräsidenten beschneiden“ 

No na, das war vorherzusehen und nach der Wahl Van der Bellens von mir auch schon angekündigt. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass das der Beginn einer Demontagespirale ist, die im Verlauf der Amtszeit des Kaunertaler Chefabwicklers dazu führen wird, dass das Amt komplett obsolet und abgeschafft wird. Und die Blauen können ätzen was sie wollen – sie haben es selbst jahrzehntelang gefordert, also müssen sie still sein, wenn geliefert wird wie bestellt.

„Dabei folgten sie einerseits den Anregungen des Verfassungsgerichtshofs, andererseits dem Wunsch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich für eine Begrenzung der Kompetenzen des Amtes ausgesprochen hatte.“

Dass das Ganze scheinbar eine vorbereitete Chose ist und sich Van der Bellen vom ersten Moment an nicht ernsthaft als Bundespräsident sondern als Abwickler des Amtes zu verstehen scheint, wird daran sichtbar, dass der Amtsinhaber selbst darum bettelt, weniger Kompetenzen besitzen zu dürfen, also die Demontage des eigenen Amtes sogar einfordert.
Das dürfte der Deal gewesen sein zwischen dem Parteienblock und dem Grünen, dass er von allen Unterstützung erhält um irgendwie den Blauen zu verhindern und dann das Amt dermaßen stutzen, dass bei einem künftigen unerwünschten Wahlsieg nur mehr das Amt eines Äffchens auf dem Leierkasten übrigbleibt. Zu schrecklich klang die unverhohlene Drohung Hofers, die verfassungsmäßigen Kompetenzen gegen eine Regierung auszuspielen, die in Krisensituationen durch Nichtstun glänzt.

Und so wundert es den aufmerksamen Leser auch nicht, dass es genau diese Punkte sind, wo ein spielverderbender Präsident den Ochsen im Augiasstall gehörig mit der Mistgabel zwischen die Beine fahren könnte, die sofort abgeschafft werden sollen. Immerhin muss noch bevor der Sessel unter Van der Bellens Hintern angewärmt ist dafür gesorgt werden, dass auch im worst case – es kann immer was passieren – noch vor einer möglichen Wahl eines teuflischen Blauen dem Amtsinhaber die Zähne gezogen werden.

„Derzeit kann das Staatsoberhaupt Nationalrat und Landtage auflösen. Er darf auf Vorschlag des Justizministers Gefangene begnadigen und kann uneheliche Kinder ehelich erklären. Außerdem ernennt der Bundespräsident hohe Beamte wie Richter und Offiziere. Geht es nach Schieder und Lopatka, soll dies alles der Vergangenheit angehören.“

Vor Allem die Punkte mit der Auflösung der als Parlamente getarnten Parteiversammlungen und der Ernennung hoher Beamter auf Lebenszeit sind dabei gefährlich, könnten doch genau dort irreparable Schäden am bestehenden Pfründe- und Machtgefüge entstehen, sollte da jemand von außen dreinpfuschen. Und das will ja keiner, zumindest nicht dort, wo in diesem Pfründenetzwerk und Intrigantenstadel königlich abkassiert wird.

Dabei sähe ich die Gefahr gar nicht so groß, wie die aufgescheuchten Hühner jetzt darstellen. Die Blauen würden sie zwar von den goldenen Eiern scheuchen, aber kaum, um das System zu zerlegen, sondern nur, um sich selbst brütend daraufzupflanzen. Ein Teil des Problems ist kein Teil der Lösung, es geht hier also ausschließlich um Pfründe und Befindlichkeiten. Das System von eigennutzgesteuerter Arbeitsverweigerung auf menschennutzgesteuerte Pflichterfüllung im Dienste derer, von denen sie gewählt und bezahlt werden, umzustellen, wird auch der Blauen Interesse nicht sein.

„Vieles seien kaum genützte Relikte wie die Ehelicherklärung der Kinder.“

Das muss nochmal betont werden, denn an diesem Beispiel kann man verdeutlichen, dass es nur um Entrümpelung geht. Dass in Wirklichkeit Kompetenzen auf dem Spiel stehen, die im Falle ihrer Anwendung in den USA, Stichwort checks and balances, gerade bejubelt werden (weil es gegen Trump geht; gegen Obama wurden sie als niederträchtige Aktionen von Verhinderern gegeißelt), wird da nicht erwähnt. Natürlich wurde es selten bis nie angewandt, aber erstens war es auch nicht wirklich notwendig und zweitens haben ja bis jetzt die gleichen Freundeskreise alle Posten besetzt und die Krähen hacken sich ja gegenseitig nicht die Augen aus. Aber jetzt, wo die Gefahr besteht, dass wirklich mal einer die Instrumente der Überwachung und Ausbalancierung der Machtverhältnisse nutzt, knallen denen die Sicherungen raus und es wird hektisch alles beseitigt, was eigentlich als Regulativ in die Verfassung geschrieben wurde. Die Macht der Mächtigen darf nicht infrage gestellt werden, und schon gar nicht aus dem inneren Kreis.

„Nicht formal einschränken, aber präzisieren will die Koalition weitere Rechte des Staatsoberhaupts wie dessen Rolle als Oberbefehlshaber des Heeres. Die Neuregelung der Kompetenzen ist Zweidrittelmaterie. Die Grünen haben sich gesprächsbereit gezeigt, die FPÖ sieht eine Beschneidung der Rechte als falsches Signal an.“

Natürlich haben sich die Grünen gesprächsbereit gezeigt, erstens geht es bei denen traditionell gegen das Heer und zweitens unterstützen sie ihren Jetztdochwiedergrünen-Präsidenten nach Kräften. Die FPÖ allerdings sollte die Klappe halten, wenn jetzt genau jene Dinge beschlossen werden, die sie selbst lange Zeit gefordert haben.

Wenn es das Amt des Grüßaugust nicht mehr geben sollte, wäre es auch egal. Wir sind bisher ganz gut ohne ausgekommen und werden dies auch in Zukunft tun. Wenn man hier wirklich etwas verändern wollte im Land, dann wären Begriffe wie „Parteiräson“, „Koalitionszwang“ oder gar „Klubzwang“ ersatzlos von der Tagesordnung zu streichen und unter striktes Verbot zu stellen. Persönlichkeitswahl und absolute Entscheidungsfreiheit jedes Abgeordneten sowie Aufhebung der Anonymität bei Parlamentsabstimmungen. Im Gegensatz zum Wähler hat der Abgeordnete nämlich einen Job als Wahlstellvertreter bei wichtigen Entscheidungen, und da ist es im Sinne der Auftraggeber wichtig, zu erfahren, wie der Abgeordnete ihres Wahlkreises entschieden hat. Außerdem aktives Abwahlrecht in jedem Wahlkreis, das heißt über mehrere Stufen die Möglichkeit, einen Abgeordneten auch während der laufenden Legislaturperiode abzuwählen und auszutauschen, wenn eine entsprechende Mehrheit im Wahlkreis dies beschließt.

Aber das stinkt ja schon dermaßen nach Artikel 1 der Verfassung, dass in den Führungsetagen der Feudalhäuser namens Parteien die Fürsten, Grafen und Barone aufgeregt herumrennen und ihre Pfründe sichern, weil Demokratiealarm ausgelöst wurde. Und zu viel Demokratie, das wird gerade aus linken Kreisen ernsthaft behauptet, führt unweigerlich in den Faschismus und muss verhindert werden. Wäre ja auch unerträglich für das Volk, wenn es mitreden dürfte. Da kümmern wir uns lieber um das Äffchen auf dem Leierkasten.

Und so ist die angedachte „Demokratiereform“ (jedes Mal, wenn man in Österreich etwas von „Reform“ hört, ducken sich die Leute…) denn auch ein Hammer, wie man ihn sich vorstellt.

„Seit eineinhalb Jahren liegen Vorschläge für ein Demokratiepaket vor, die im Zuge einer parlamentarischen Enquete erarbeitet wurden. Geplant sind mehrere Maßnahmen, um unter anderem Volksbegehren und Bürgerinitiativen aufzuwerten.“

Schön, dass die nach eineinhalb Jahren schon mal angeschaut werden. Das Interesse muss ja kettensprengend sein. Wie man etwas „aufwerten“ will, was bis jetzt faktisch keinen Wert hat? Naja, man will darüber reden. Also nicht mehr einfach ignorieren, wie bisher, sondern erst mal drüber reden und dann ignorieren. Schön, dass wir darüber gesprochen haben. Nächster Punkt der Tagesordnung?

„Zur Behandlung von Volksbegehren werden eigene Ausschüsse eingerichtet.“

Ausschuss. Ein klares Wort.

„Bürgerinitiativen sollen elektronisch über eine Internet-Plattform des Parlaments einbracht werden können.“

In den Firmen gibt es die sogenannten „Kummerkästen“, das sind Briefkästen wo Mitarbeiter „Verbesserungsvorschläge“ einwerfen können, von denen sie nie wieder etwas hören. Schön, dass es die jetzt auch digital gibt. Ein Antwortbot wird sicher auch ein nettes Formular zurückschicken wo für den Einsatz gedankt wird. Und die IP-Adresse wird gespeichert. Für alle Fälle.

„Kanzler und Vizekanzler sollen zu Tagungsbeginn im September den Nationalrat über ihre politischen Arbeitspläne informieren.“

Wieso, lesen die Abgeordneten keine Zeitung? Muss der Yes-we-Kern! jetzt alle Jahre zum Ende der Sommerpause eine Bühnenshow veranstalten, und die Spaßbremse Mitterlehner sein Jahresprogramm verlesen? Alle beiden Sätze? („Ich werde den Herrn Bundeskanzler vollinhaltlich bei allem unterstützen, was er braucht! Ich werden jeden beißen, der mich daran hindern will!“ – oder so…)

„Bürger sollen in die Begutachtung eines Gesetzesvorhabens über die Parlaments-Homepage eingebunden werden.“

Auch das Haushaltsgesetz? Naaaa??? Da bin ich mal gespannt.
Das und dazu die öffentlich einsehbare namentliche klubzwangfreie Abstimmung im NR plus Abwahlrecht im Wahlkreis, das wäre mal eine Demokratiereform.
Und dann wäre da noch die Verwaltungsreform, die Dienstrechtsreform, die Bildungsreform, die Transparenzreform…

Na gut, schnippeln wir dem Präsidenten erstmal die Kompetenzen ab, die gefährlich werden könnten, und machen aus ihm ein Äffchen am Leierkasten.
Um den Rest kümmern wir uns später. Oder unsere Nachfolger. Oder deren Nachfolger. Oder deren…

2 Kommentare:

dna1 hat gesagt…

Schade, dass Richard Lugner nicht Präsident geworden ist. Dann wäre dieses unnötige Amt im Schnellverfahren abgeschafft worden.

Anonym hat gesagt…

Ehrlicher wäre gewesen : Kaiser - Kern,König - Mitterlehner.
Daher entfallen die lästigen Wahlen.
Blöd nur,daß der künftige Chef des Kalifats beide absetzen wird.