„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Donnerstag, 18. Mai 2017

Notwehr

Wie definiert man Notwehr?
Ich frage ja bloß. Ehrlich ganz unschuldig.
So von wegen das hier.
Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass hier gerade was gewaltig schief läuft.

Ein Video erklärt, was die Geschworenen zu sehen bekommen:

Darauf war zu sehen, wie der Angeklagte sein Messer zückte, ohne dass er angegriffen worden wäre. Bei der folgenden Rauferei stach der Kosovare dem 34-jährigen Polen sieben Mal in den Oberkörper. Dieser starb noch an Ort und Stelle. Sein 37 Jahre alter Landsmann kassierte Stiche in den Rücken und in den rechten Unterarm.“

Der Kosovare, bei dem es scheinbar keiner weiteren Erwähnung mehr wert ist, dass das Mitführen eines Messers an sich bereits eine Straftat darstellt, hat also seine Waffe gezückt, bevor es zu dem Raufhandel kam, hat diesen also erst provoziert. Dass es schon vorher von den besoffenen Polen zu verbalen Provokationen gekommen sein soll und sich den ganzen Abend eine angespannte Situation aufgebaut hat, spielte dabei keine Rolle, denn Notwehr gegen verbale Provokation gibt es nicht. Sollte wirklich einer der Polen für Zeugen hörbar eine Morddrohung gegen den Kosovaren ausgesprochen haben, wäre die gesetzeskonform angemessene Reaktion gewesen, sofort die Polizei zu rufen. Ob das gegen die persönliche Ehre eines Albaners verstößt, ist in Österreich absolut irrelevant und gilt vielleicht in Skopje, aber eben nicht hier.

Als das Duo offensichtlich das Lokal verlassen wollte, stand der Angeklagte auf, klappte sein Messer auf und forderte die Polen, die bereits ihre Jacken angezogen hatten, zum Gehen auf.“

Für eine Notwehrsituation auch eher ungewöhnlich ist, dass der Messerstecher erst aufspringt und das Messer zückt, als die beiden besoffenen Polen gehen wollen. Die haben sich schon die Jacken angezogen und wollen den da einfach sitzen lassen, und der springt auf und zückt sein Messer und brüllt sie an, sie sollen verschwinden.
Ja, machen sie doch gerade! Also was soll das? Was hat das mit Notwehr zu tun?

Und dann hebelt der seine illegale Stichwaffe, denn Klappmesser in einer Kneipe sind genau das, dem Polen auch noch zur Abwehr eines Angriffs in den Rücken? Wollten ihn die Polen niederstrecken, indem sie ihm mit dem Hintern ins Gesicht springen oder was?

Ich kann natürlich mit voller Hose leichter stinken als die im Prozess Anwesenden, aber für mich stellt sich das so dar: die beiden besoffenen Polen haben die Kellnerin angebaggert, der Messerfuzzi hat es mit der Eifersucht und der Ehre bekommen und ist ausgerastet. Nach dem Mord wird natürlich sofort wieder ins „Mimimi“ verfallen, aber anders ist es nicht zu erklären.
Normale Menschen hätten bei Morddrohung die Polizei gerufen. Normale Menschen wären froh gewesen, wenn die zwei Säufer abrücken und hätten die einfach gehen lassen. Normale Menschen wären einfach sitzengeblieben, vielleicht angespannt und in Verteidigungsbereitschaft, aber sie hätten niemals eine Waffe gezogen und wäre damit auf die beiden losgegangen.

Da die Bedienung laut eigener Aussage keine Angst oder Bedrohung verspürte, war die Situation wahrscheinlich harmloser, als es ein in seiner Beschützerehre Gekränkter sieht. Dieses ganze südländisch-anachronistische Gockelgehabe ist nicht nur widerlich, sondern, wie man sehen kann, auch tödlich.

Umso unverständlicher für mich, dass da von „Notwehr“ gefaselt wird und ein offensichtlich aggressiver, mit illegalen Waffen im öffentlichen Raum herumstreunender Mörder mit mittelalterlicher Messerstecherideologie, auf freien Fuß gesetzt wird. Hat der eine Großfamilie, die bei den Verhandlungen dabei war und die Namen der Gechworenen mitnotierte? Oder wie kommt es, dass plötzlich für Notwehr existenzielle Richtgrößen wie die konkrete Bedrohungssituation, der Richtung des Erstangriffs und die Verhältnismäßigkeit keinerlei Rolle mehr spielen?


Ich nehme mal eine Formulierung aus jusline.at zu dem Thema:

Der Täter ist durch Notwehr gerechtfertigt und straflos wenn:
1. objektiv eine echte Notwehrsituation gegeben war
2. er über das Vorliegen einer solchen Bescheid wusste (subjektive Notwehrsituation)
3. Er in diesem Fall das gelindeste Mittel zur Abwehr des Angriffes verwendet oder er bloß aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken das gerechtfertigte Maß überschritten hat und ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch in dieser Situation ebenso gehandelt hätte.“

Ein Klappmesser in den Rücken ist das gelindeste Mittel zur Abwehr gegen Leute, die gerade gehen wollen? Und gerade gehen wollen ist ein Angriff?
Und:
Die Geschworenen hätten in dieser Situation also genauso gehandelt?

Wie gesagt: Ich werde das Gefühl nicht los, dass hier gerade was gewaltig schief läuft.

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