„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Sonntag, 5. März 2017

Arme Kinder



Und wieder wird unser Bildungssystem „verbessert“. Naja, muss man inzwischen schon nicht mehr groß kommentieren. Spätestens seit der NMS weiß man, es regiert im Bildunsgbereich nur mehr Idiotie. Offensichtlich schultraumatisierte Bildungsversager in politischer Entscheidungsfunktion lassen ihren verklemmten Hass auf alles, was keine Ferien sind, an den Kindern aus und nennen das dann „Reform“. Meine Güte, wie viel Hass und Häme wurde einst über jene gegossen, die die NMS als genau das vorhergesagt haben, was sie jetzt ist: eine Rubbelvorlage der Gesamtschulfetischisten ohne erkennbaren Nutzen für die Schüler und Lehrer, dafür aber eine gigantische Geldverbrennung. Also das Übliche.

Schön an der neuen Reform unserer Kern-igen Plan-A-Regierung ist ja, dass sie es wieder einmal schafft, die Früchte des bisherigen Totalversagens der Bildung aufzuzeigen indem man den Leuten in Euphemismen verschraubt Betrug und freche Lüge serviert und kaum einer merkt’s. Kommt mir vor wie eine regelmäßig stattfindende Erfolgskontrolle: Hauen wir mal irgend einen Mist in die Öffentlichkeit und schauen dann, ob das überhaupt noch einer kapiert. Wenn nicht: voller Erfolg!

Im rosa Linksblatt wird deshalb auch der neue Große Wurf unserer Bildungsministerin vorgestellt. Kampfparole: Schulautonomie und Bildungsreform.
Und dann wird gleich im ersten Absatz klargestellt:

„Die Bildungsreform wird es ermöglichen, dass Kleinschulen vermehrt zusammengelegt werden, unter bestimmten Umständen sollen die Schulerhalter (Gemeinden, Länder oder Bund) dies auch ohne deren Zustimmung tun können.“

Gut. Ist halt so. Wo Geld ausgegeben wird, sollte Kalkül herrschen. Kommt von Kalkulation, auch wenn die postfaktischen Emotionspolitiker eher das Wort „kühl“ darin erkennen wollen. Aber ich werfe mich lieber wieder auf die verwendeten Worte.
Sämtliche im Artikel vorgestellten Punkte, von zwangsweiser Schulzusammenlegung über „Clusterbildung“ bis hin zur Klassenschülerhöchstzahl drehen sich nämlich ausnahmslos um die Aufwandsminimierung, haben also mit Bildung überhaupt nichts zu tun. Lehrplangestaltung und Vereinheitlichung, Ausrichtung am Leistungsprinzip, Strategien zum Fordern und Fördern – pah, Fehlanzeige. Warum also nennen die etwas „Bildungsreform“ das mit Bildung nur indirekt zu tun hat? Sechs, setzen.

Nächster Fall: Wie kann etwas unter „mehr Schulautonomie“ verkauft werden, wenn gleich im ersten Satz steht, dass Schulen bei Entscheidungen der Schulerhalter nichts mehr mitzureden haben? Im Prinzip wird nur der letzte Schritt vollzogen, um eingesickerte demokratische Strukturen, die die Leute bei Grundsatzentscheidungen an einen Tisch gezwungen haben, endgültig zu eliminieren. Eltern haben eh nix mitzureden, Lehrer und Direktoren auch nicht mehr, der Bürgermeister entscheidet. Wie bei Benjamin Blümchen, jawoll Bürgermeister Chef. Will ich gar nicht werten, wer zahlt schafft an oder so, aber dann soll man nicht „mehr Autonomie“ draufschreiben. Das ist ja wie das Gewinsel von dem „Zeit“-Autoren, das ich hier vor wenigen Tagen hatte, dass Einsperren die wahre Freiheit bedeutet.
Benennt die Dinge doch einfach beim Namen: Wir haben kein Geld, das brauchen wir für minderjährige Dreißigjährige aus Aleppo bzw. das Mästen derer „Betreuungsorganisationen“, also jammerts net und schickt eure Siebenjährigen eben eine Stunde früher aus dem Haus in die 35-Schüler-Klasse einer Stadtschule. Bei der Schülerzahl ist die statistische Wahrscheinlichkeit, nicht das einzige deutschsprachige Kind zu sein, viel größer als bei 18. Seht es einfach positiv! Immerhin hatten wir erst eine Steuerreform und ihr müsst kaum mehr bezahlen als vorher, und die Gewerbereduzierung auf ein Gewerbe mehr als vorher war auch ein voller Erfolg! Und mit unserem neuen Dressman als Kanzler haben wir den bestangezogensten Politiker in der Regierung seit Grasser!

„Zwei bis acht Schulen können einen "Schulcluster" bilden.“

Man übernimmt das Modell der Spezialschulen. Unsere örtliche Musikschule unterrichtet an vier Standorten, hat aber nur einen Direktor. So soll es dann eben auch bei Landes- und Bundesschulen gehen Spricht eigentlich nichts dagegen, wenn dadurch der Verwaltungsaufwand sinkt. Hat aber auch nichts mit mehr Autonomie oder Verbesserung der Bildung zu tun.

Und was komplett fehlt ist eine eindeutige Neuregelung betreffs der Qualifikation, Aufgaben und Bezahlung der Direktoren. Diese sind nämlich leider nicht immer die Fähigsten und besten sondern auch mal gute Freunde oder stramme Genossen der schulerhaltenden Verwaltungseinheit. Das richtige Parteibuch und der Grundsatz „Es ist egal was du kannst, es kommt drauf an wen du kennst!“ entscheiden darüber, wer nachher „autonom“ über die Einstellung von Lehrern entscheidet? Und das soll qualitätsfördernd sein?

Das Problem ist doch, dass die Hälfte der Direktoren auf Dankbarkeitsposten sitzen und die andere Hälfte den Job aus dem eigenen Personalstand macht, weil sich keiner mehr das antun will. Bei aller Verwaltungsreform wird nämlich am Umfang des Verwaltungsaufwandes für jeden noch so kleinen Furz nicht gerüttelt.

„Lehrer sollen etwa an mehreren Standorten eingesetzt werden können.“

Na, die Pragmatisiertenvertretung wird euch den Zahn schon noch ziehen, und die jungen Vertragslehrer machen das eh schon seit Jahr und Tag. Interessant wird da die Stundenplangestaltung; ich würde z.B. mal reformatorisch anregen, dass am ersten Schultag im September Lehrereinsatz, Stundenplan, Lehrplaninhalt und Lehrmittelbedarf geklärt und erledigt sind. In meiner Schulzeit, damals in Zeiten finsteren Frontalunterrichts, in dem wir ja im Gegensatz zu den im heutigen kompetenzbasierten Kleingruppenmeeting gezüchteten strukturellen Analphabeten nichts ordentlich gelernt haben, war am Beginn der Sommerferien der Zettel fertig, was am ersten Schultag am Ende des Sommers mitzubringen sei. Da wussten Schüler schon vor den Ferien, welche Hefte sie nach den Ferien brauchen. Kann man sich heute kaum noch vorstellen.
Heute wissen sie weder, was sie mitbringen, noch welcher Schulstoff voraussichtlich ansteht, noch welchen Lehrer sie wiedersehen werden. Und am Land auch, ob sie überhaupt noch in die gleiche Schule kommen.  Einer der Legionen an bahnbrechenden Erfolgen der regelmäßig wiederkehrenden Menschenexperimente an Unmündigen.

„In den neun Bundesländern werden "Bildungsdirektionen" eingeführt, die Landes- und Bundeslehrer gleichermaßen verwalten. Sie übernehmen Schulaufsicht und Qualitätssicherung.“

Und ersetzen bitte was? Ach, die gibt es jetzt zusätzlich? Naja, irgendwo müssen die bei Standorteinsparungen freigesetzten Gelder ja hingeleitet werden. Wir feuern ein paar Indianer und stellen dafür ein paar Häuptlinge ein und verkaufen das dann auch noch als „Bildungsreform“.
Mir tun nur die Kinder leid. Selbst Lehrer haben sich den Beruf selbst ausgesucht, aber die Kinder, die können wirklich nichts dafür.

„Da es sich um eine Verfassungsmaterie handelt, brauchen SPÖ und ÖVP für die Umsetzung der Reform die Stimmen von Grünen oder Freiheitlichen.“

Da mache ich mir keine Sorgen. Wäre mal was Neues, wenn Kahlschlag im Bildungsbereich nicht begeistert mitgetragen wird. Farbe egal.

P.S.
Was ich unter Schulautonomie verstehe: Der Staat erteilt Leistungsvorgaben und Prüfungspläne und fördert jeden Schüler mit einem fixen Betrag. Schulen können von Verwaltungseinheiten aber auch privat betrieben werden, die Förderhöhe ist immer gleich. Schulen entscheiden selbst (autonom!) wie sie die Kinder zu den vorgegebenen Leistungen führen und ob sie mit dem Förderbetrag auskommen oder höherwertige Angebote mit Zuzahlung der Eltern anbieten oder Kooperationen mit Firmen oder anderen Bildunsgeinrichtungen eingehen. Und die Eltern entscheiden selbst (autonom!) für welches Modell sie sich entscheiden und wo sie ihre Kinder hinschicken. Die Politik legt den Förderbeitrag fest und verhandelt diesen mit den Vertetern der Bildunsgeinrichtungen jährlich bzw. in regelmäßigen Abständen neu aus, hält sich aber ansonsten komplett raus und lässt die Schulen selbst entscheiden, wen sie als Geschäftsführer einstellen, wer die pädagogische Leitung übernimmt und welche Lehrer nach welchen Kriterien eingestellt werden. Bankrotte Schulen werden unterstützt um den Schulbetrieb im laufenden Schuljahr zu Ende zu führen, um den Kindern einen sauberen Wechsel zum Schuljahresanfang zu ermöglichen.

Das wäre Autonomie. Aber da könnten die Parteien ihre Krakenfinger nicht in die Entscheidungen stecken und in der Bildung herumpfuschen. Und es könnte ja dann Eliteschulen geben, in die auch einfache Kinder des Pöbels gehen könnten, und das will doch nun wirklich keiner aus den Partei-Eliten, dass ihre Kinder dann vielleicht mit dem Pack in eine Klasse kommen…

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Guten Tag!

Ihre Überlegung zum Thema Staat / Schulen ist völlig OK, bleibt aber ängstlich auf halber Strecke stehen. Denkanstoß: Wer zahlt, schafft an ...

Freundliche Grüße eines Lesers!

Fragolin hat gesagt…

Werter Anonym,
ich weiß, worauf Sie hinauswollen, und das wäre auch mein Wunschgedanke, aber ich bin auch Realist und weiß, was absolut unmöglich ist. Zumindest in unserer Gesellschaft. Bereits das Andenken wahrer Autonomie bedeutet hier ja schon radikaler Neoliberalismus, und spätestens da werfen sich 90% der Leute schreiend zu Boden. Verantwortung weiche!
Ich möchte, wenn es schon den radikalen Wandel nicht geben kann, wenigstens eine Rückkehr zu vernünftigen Strukturen andenken. Zwar ist jede Verbesserung eine Veränderung, aber nicht jede Veränderung eine Verbesserung (was unsere Progressiven nie begreifen), und dann muss man die Stellschrauben wieder zurückdrehen.
Ein radikaler Systemwechsel von Staat zu Privat wäre ideal, aber wie gesagt unrealistisch.
MfG Fragolin

Anonym hat gesagt…

Danke für die Klärung Fragolin!

Ein Wort vielleicht noch zu den sehr gefragten(!) deutschen "Privat"schulen: Der Kunde bezahlt quasi doppelt, diese Schulen sind nach meiner Kenntnis zudem finanziell schlechter gestellt als die staatlichen, das Personal natürlich in "lockeren" Arbeitsverhältnissen und es besteht Staatsaufsicht: Personaleinstellungen müssen ministeriell abgenickt werden, es gelten selbstverständlich die staatlichen Lehrpläne und Prüfungen und selbst der Status "Staatlich anerkannte Privatschule" wird erst nach Jahren verliehen.

mfG!