Ess geet um di
pyldunk. Mal wida.
Erinnern wir uns:
Das angeblich bis in die Neuzeit nachwirkende Rohrstaberl-Schulsystem fordert
bis heute von Kindern, dass sie entgegen ihren eigentlichen Interessen des
spielerischen Lernens von Irgendwaswasspaßmacht solche Sinnlosigkeiten und
Spaßkiller wie Lesen, Schreiben und Rechnen lernen müssen. Und das fordert sie
so brutal, dass sich inzwischen ein lockeres Drittel dem verweigert und aus
reinem Trotz als Analphabet eine neunjährige, ja was eigentlich? Schulbildung
kann man das ja nicht nennen – verlassen.
Was bleibt sind
gebrochene Konsumfreaks in der Tretmühle des irdischen Jammertals der
Kapitalistengesellschaft. Doch wir haben ja Experten, und wir haben den „Standard“.
Hier werden Sie
geholfen.
„Neurobiologe Hüther: Vernichtendes Zeugnis
für Schulsystem“
Diese Überschrift
des Interviews mit einem Neurobiologen lässt erstmal viel hoffen. Immerhin
wissen wir, dass ein Schulsystem, das strukturelle Analphabeten züchtet und
kaum in der Lage ist, lebensfähige junge Menschen in die Arbeitswelt zu
entlassen, durchaus ein vernichtendes Zeugnis verdient. Aber mit Interesse muss
man erkennen, es liegt eben nicht daran, dass die Kinder nicht mehr nach
strengem Plan pauken müssen wie wir einst, sondern noch immer viel zu wenig
Spaß und Spiel und viel zu viel Wissen ertragen müssen.
„Jedes Kind ist auf
seine ganz besondere Art einzigartig und damit auch hochbegabt. In jedem steckt
noch irgendetwas, was noch gar keiner zur Entfaltung gebracht hat.“
Aha, aus dieser
Richtung weht der Wind. „Auf seine ganz besondere Art hochbegabt“ ist die
sprachliche Vorbereitung auf „verhaltenskreativ“ und „andersartig“. Es mag ja
sein, dass jemand eine besonders hohe Begabung dafür hat, mit dem Schulbuch auf
den Köpfen seiner Mitschüler Bongo zu spielen, aber muss man das jetzt eher
fördern um einen tollen Bongo-Spieler und eine Klasse weichgeklopfter
Schwachsinniger zu bekommen oder das arme Kind brutal in ein Lernsystem
zwingen, wo es um Benehmen und Wissen geht?
„Kirschkernweitspucken
kann auch eine Begabung sein. Wenn wir im tropischen Regenwald wohnten und
unsere Kinder dort groß würden und wir noch keine Feuerwaffen hätten und uns
mit dem Blasrohr verteidigen und unser Wildbret besorgen müssten, dann wäre
einer, der mit Kirschkernen richtig weit spucken kann, der hochbegabteste,
begehrteste und tollste Typ in dieser Blasrohrgesellschaft.“
Und was soll uns das jetzt sagen? Dass wir an jeder Schule
ein Kirschkernweitspuck-Casting durchführen und die hundert Besten schicken wir
per Luftpost in den Urwald? Könnte direkt zu einem Steigen des
durchschnittlichen Intelligenzquotienten führen, aber „Dumm spuckt gut“ ist ja
auch nicht bewiesen.
Wie kann ein Mensch, der als Wissenschaftler ernstgenommen
werden will, mit einem so dermaßen bescheuerten Beispiel daherkommen?
Es mag ja sein, dass jemand ein toller Weitspucker ist. Aber
wir haben hier nun einmal keine Blasrohrgesellschaft sondern eine der
Arbeitsteilung. Denn statt einen tasmanischen Krötenmolch mit Kirschkernen
totzuspucken muss er sich sein fertig vorgegartes Mikrowellenlebensmittel aus
dem Supermarkt fischen, und dazu benötigt es keiner Spucke sondern Geld, das
man sich erarbeiten muss. Durch Wertschöpfung oder Dienstleistung. Und jetzt
kommt der Haken mit dem Bedarf: Nur sehr wenige Leute sind bereit, einem
Menschen Geld dafür zu zahlen, dass er spuckt. Und so kommt der höchstens auf
die Idee, Geld damit zu verdienen, dass er andere Leute mit Anspucken bedroht
und die sich freikaufen müssen.
Man kann den Bedarf komplett ignorieren und der Gesellschaft
klarmachen, dass sie keinerlei Anspruch auf eine Gegenleistung hat, aber so
züchtet man Kriminelle und Sozialhängemattenlieger.
„Ein Beispiel: ein
Junge, der schon mit drei Jahren beginnt, Skulpturen zu bauen. Sie merken, der
könnte einmal ein irrsinnig toller Tischler werden. In unseren heutigen Schulen
wird er als nicht allzu begabt erkannt werden, sondern als einer, der den
Leistungsanforderungen nicht genügt, weil er im Kopf immer zu Hause bei seinen
Schnitzereien ist. In der Schule findet er für das, was er kann, überhaupt
keine Anerkennung und soll die ganze Zeit etwas machen, worauf er gar keine
Lust hat.“
Erstens werden
Skulpturen nicht gebaut sondern geschnitzt, zweitens sind Tischler keine
Schnitzer und drittens wird ein Schnitzer, der nicht Lesen und Rechnen kann
sicher niemals ein Tischler sondern entweder ein anerkannter
Skulpturenschnitzer mit staatlicher Förderung aus dem Künstlerfonds oder
dauerarbeitsloser Lebensversager, der irgendwann seine unverkäuflichen
Schnitzereien verbrennt, weil er sich die Heizkosten nicht mehr leisten kann.
In beiden Fällen nicht fähig, von eigener Leistung zu leben. Genau darauf soll
Schule Menschen nämlich vorbereiten: einmal auf eigenen Füßen stehen, für sich
selbst sorgen zu können.
Es mag ja sein,
dass Kinder Begabungen haben, aber diese zu Fördern ist Aufgabe der Eltern; die
Aufgabe der Schule ist das Vermitteln von Wissen. Lesen, Schreiben, Rechnen,
auch wenn das keinen Spaß macht. Und das Erlernen der Fähigkeit, sich auf Dinge
zu konzentrieren, ist auch recht brauchbar. Es hilft nämlich dabei, dann wenn
es um das Meistern von Lebensaufgaben geht eben nicht nur mit dem Kopf bei Spaß
und Spiel zu sein sondern zu erkennen, dass es eine Zeit für alles gibt: Eine
Zeit zu lernen, eine Zeit zu essen, eine Zeit zu schnitzen. Und nicht Spielzeit
rund um die Uhr. Ganz abgesehen davon, dass das hirnverdrehte Beispiel des
Wissenschaftlers die Möglichkeit ausblendet, dass einer lernbegierig, klug und ein guter Schnitzer sein kann.
Das Lernen ist die
Vorbereitung auf das Leben in dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem man einmal
als Erwachsener leben wird. Hätten die Steinzeitmenschen lieber geschnitzt als
zu jagen, hätte sich das mit der Evolution bald erledigt gehabt. Es gibt Zwänge,
die ergeben sich aus der Realität. Das sollte ein Wissenschaftler wissen. Denkt
man. Aber ich bin ja kein Neurobiologe. Obwohl manche eh gar keinen brauchen,
sondern eher einen Neuroornithologen. Eh schon wissen, das sind die, die
feststellen, was für einen Vogel jemand hat.
„Das Ergebnis ist
Schulverweigerung. Er geht nicht mehr gerne hin, wird möglicherweise krank oder
tyrannisiert seine Eltern oder schließt sich einer Gruppe an, die dann
gemeinsam in der Schule ein Riesentheater macht. Möglicherweise endet er in der
Drogenszene oder im Gefängnis.“
Ach je, weil der Bubi nicht den ganzen Tag nur schnitzen
darf sondern auch Lesen und Rechnen lernen soll, rastet er aus, nimmt Drogen
und wird Krimineller. Na gut, wenn man mit Kindern aus der friedensreligiösen
Community zu tun hat, dann wird das ja gerne als Ausrede dafür verwendet, dass
es die nicht interessiert. Schon um nicht zugeben zu müssen, dass ihr Imam und
ihre Eltern ausschlaggebend Einfluss genommen haben und es ja so schön bequem
ist, ein fauler Armleuchter zu sein. Dass es einen kulturellen Hintergrund
haben könnte und mit der Schule gar nichts zu tun hat. Blenden wir aus, ist
nicht politisch korrekt.
Auch wir haben als Kinder andere Hobbies gehabt als in die
Schule zu gehen, auch wir hatten Tage, in denen Schule keinen Spaß gemacht hat,
aber wir haben gelernt das Leben einzuteilen in Pflichtzeiten und Rechtzeiten. Wir
sind nicht in Depression und Schulverweigerung gefallen und haben unsere Eltern
tyrannisiert (die durften sich damals auch noch dagegen wehren, deshalb hätten
wir uns das gar nicht getraut) sondern hatten Spaß und Gaudi, haben das Leben
genossen, natürlich besonders in den Ferien, aber wir haben das auch schätzen
gelernt. Immer nur tun zu dürfen was immer man will ist nämlich wie immer nur
essen dürfen, was man will: man lernt den eigentlichen Wert niemals kennen und
bekommt nur geistiges Bauchweh.
Damals gab es Pflichten, die erfüllt werden mussten, um sich
die Rechte zu verdienen. Heute ist Pflicht gaga, so richtig voll Nazi.
„In Wirklichkeit
brauchen wir Handwerker dringender als Abiturienten. Wir brauchen nicht noch
mehr Psychotherapeuten, die alle Psychologie studiert haben. Wir brauchten
einmal einen, der eine Kirchturmuhr reparieren kann.“
Stimmt. Aber woher willst du den denn nehmen? Wer soll das
machen? Ein kirschkernspuckender Blasrohrschnitzer? Um guter Handwerker zu
werden und in die Lage zu kommen, eine Kirchturmuhr zu reparieren, muss man
Techniker sein, und Technik ist in Form und Funktion gegossene Mathematik. Man
muss lesen können, Fachbücher und technische Dokumentationen, man muss rechnen
können, Mechanik und Statik, man muss sich konzentrieren können, Zusammenhänge
erkennen, man braucht Kompetenz und keinen Kirschkern zwischen den Ohren. Handwerker
sind nicht Mit-dem-Hammer-auf-irgendwas-Draufhauer sondern Meister ihres
Faches, und dazu benötigen sie Wissen, Können und lebenslange Lernbereitschaft.
Wer, wenn er mal nicht das machen darf was er gerne gerade
tun will, mit Lernverweigerung und Verhaltenskreativität reagiert, wird niemals
die Lernbereitschaft haben, um ein Meister zu werden.
Ich unterstelle mal, dass dem Wissenschaftler gar nicht
bewusst geworden ist, dass er hier gerade die Handwerker als Leute hingestellt
hat, die eben nicht so viel lernen müssen, weil sie eben einfachere Jobs als
Psychologen machen. Dabei muss das Ergebnis der Arbeit eines Handwerkers
garantiert funktionieren; über das Ergebnis der Arbeit von Psychologen schweige
ich jetzt mal lieber. Ist wohl so ein unbewusster Standesdünkel, den das
Studium mit sich bringt. Auch im Arbeiter-und-Bauern-Staat.
„Wir müssen uns
darüber verständigen, was die Aufgabe von Schule eigentlich ist. In jedem
Zeitalter, wo immer es Schulen gab, haben sie nicht zur Entfaltung von
Potenzialen der Kinder gedient, sondern dem Zweck, die nachwachsende Generation
so vorzubereiten, dass sie dann so funktioniert, wie das notwendig war, damit
das gesellschaftliche System funktioniert.“
Wenn ein Neurobiologe schon mit „wir müssen“ anfangen, wird mir anders. Wenn er wirklich weiß, wie
Verständnis funktioniert, dann weiß er auch, dass „wir müssen“ in einem Satz,
der sich ganz offensichtlich an andere Menschen wendet, ein absolutes No-Go
ist.
Die Aufgabe von Schule ist ganz klar: Vermittlung von
Wissen. Alles, was jemals über diese Grundfunktion hinausgehend versucht wurde
und wird hat genau zu dem Schulversagen geführt, das wir heute erleben dürfen.
Es ist erstaunlich, dass Schule, als sie der reinen Wissensvermittlung diente,
noch Erfinder, Techniker, Wissenschaftler und Freigeister hervorbrachte, die es
schafften, eine Welt voller Wohlstand zu erbauen, die wir gerade aufzehren. Wir
lecken sogar gerade die Teller vom Dessert sauber.
Und ja, natürlich soll sie Kinder darauf vorbereiten, dass
das gesellschaftliche System funktioniert. Was denn sonst? Was will der? Eine
Welt ohne Gesellschaft, eine asoziale Welt? Jeder macht was er will, keiner
macht was er soll aber alle machen irgendwas? Ohne funktionierende Gesellschaft
gibt es auch keine Schule, dann hat sich das Problem bald erledigt.
„Wenn sich auf dem
Höhepunkt der Reformschulpädagogik um 1920 in Deutschland und in Österreich das
alles ausgebreitet hätte und überall Reformschulen entstanden wären, dann
hätten die Nationalsozialisten nicht genügend Leute für ihre Ideologie
rekrutieren können. Dann hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben.“
Eben. Lesen und
rechnen können, Leistung abfordern, das ist ja sooo Nazi! Hätten die alle nur
Spieli-Spieli gemacht wären die alle zu blöd gewesen, jemals eine Feldhaubitze
zu bedienen und aus wär‘s gewesen mit dem Krieg.
Ich habe den bösen Verdacht,
dass der das wirklich glaubt, was er da schreibt. Da hat das DDR-Schulsystem
mit seiner politischen Indoktrination wohl harte Narben hinterlassen. Da fehlt
ja nur noch der Seitenhieb…
…ach, da ist er ja:
„…Der ist ein
Totalausfall für jeden Werbestrategen. Übrigens auch für jeden Politiker auf
Stimmenfang.“
Ha! Da haben wir’s!
Wir haben alle viel zu viel gelernt, viel zu viel Lesen und Rechnen und so,
deshalb sind wir so anfällig für Populisten. Wären wir strunzdumm, könnten nichts
außer Kirschkerne spucken und uns Sandalen aus Birkenrinde schnitzen, wäre die
Welt ein viel schönerer Ort.
Erstaunlich, was
man so lernen kann, wenn man Interviews mit Experten verfolgt. Zum Beispiel,
dass die Frage offen bleibt, wie man eigentlich zum Experten wird…
5 Kommentare:
Bewundernswert, lieber Fragolin, dass sie es geschafft haben, diesen Artikel zu Ende zu lesen.
Meine Geduld war bei Kirschkernweitspucken zu Ende, weil ich noch immer mit der Vorstellung zu kämpfen habe, wo dieser Experte entweder derart letale Kirschkerne herbekommt, oder aber wie er meint mit Spucken ein Wild erlegen zu können. Der muss ja spucken wie eine 45er Magnum.
lg
Ein hochbegabter Kirschkernweitspucker kann auch in unsere Gesellschaft seinen Platz finden, wie uns das „Bildungsfernsehen“ zeigt (https://www.youtube.com/watch?v=zSuV0vSGPrg (ab Minute 1:27))
Werter anaonym,
der link führt zumindest in Österreich auf ein gesperrtes oder vom Netz genommenes Video.
Werter heinz,
gefühlte und reale Wirkung des Handelns und auch des Denkens klaffen halt gern mal auseinander, aber bei Akademikern tut sowas besonders weh.
MfG Fragolin
"Experte" ist bei mir inzwischen ein Schimpfwort, irgendwo zwischen Journalist und Politiker. Da rede ich lieber vom Fachmann (m/w). Auch bei "Wissenschaftlern" muß man inzwischen genauer hingucken, wenn da zum Beispiel "nachgewiesen" wird, daß der Klimawandel Diabetes auslöst o.ä.
Ich vermute mal, dass wir eher vollständig auf Psychologen (und Soziologen, Politologen, Genderologen und ähnliche Quackertanten) verzichten könnten als auf fähige Handwerker. Wie gesagt, pure Vermutung. Proof me wrong.
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