Heute musste ich wieder an ein altes Kindergedicht denken, aus jener
Zeit, als Kinder noch Gedichte lernten. Wir lernten es freiwillig,
denn es war witzig. Wir lernten durch solche Gedichte, was „paradox“
bedeutet. Wir ahnten nicht, dass das heute, ein paar Jährchen
später, die Grundlage der medialen Berichterstattung darstellt. Und
zwar flächendeckend.
So ein Beispiel paradoxer Berichterstattung ist jetzt dem „Focus“
passiert. Dort werden im Abstand von nicht einmal 24 Stunden zwei
vollkommen gegensätzliche Meldungen veröffentlicht, ohne dass es
jemand merkt. Zumindest in der Redaktion.
Am
19.
September vermeldet das Fachblatt für Meinungsbildung mit
unverhohlener Häme über die verlogenen rechten Hetzer, dass die AfD
einmal mehr beim Hetzen und Lügen erwischt wurde und sich dabei böse
blamiert habe.
Was ist vorgefallen?
Die AfD hat nach dem, sagen wir mal so, recht übersichtlichen Beginn
der Oktoberfest-Gaudi, die ja schon zum zweiten Mal hinter
Merkel-Lego und Sicherheitszäunen stattfindet, auf Twitter die
natürlich absolut ungeheuerliche Behauptung aufgestellt, Merkels
Politik hätte zu einer schwierigeren Ausführung von und mieseren
Besuchszahlen bei Volksfesten geführt. Und dann mit absolut bösen,
manipulativen und verhetzenden Zahlen, die bis auf die Kleinigkeit,
der Wahrheit zu entsprechen, eben ganz böse rechtspopulistische Lüge
sind, ihre Aussage untermauert.
Und
hier
findet man diese üble Facebook-Hetze:
„2015:
Am ersten Tag strömen 1 Million Menschen über das Festgelände, im
Folgejahr nur noch 500.000. In diesem Jahr sollen es nach offiziellen
Angaben 600.000 Besucher gewesen sein.
In einem Land, in
dem man gut und gerne lebt, und das durch die Asylpolitik seiner
Kanzlerin unter massiver Sicherheitsgefährdung leidet, gestaltet
sich die Durchführung von Volksfesten seit 2015 mehr als schwierig.
Dass man am ersten Tag des Oktoberfestes noch 10 Meter weit sehen
kann, ist ebenfalls unüblich für eine Veranstaltung, bei der
normalerweise kaum ein Durchkommen möglich ist.
Holen wir uns am
24.09. gemeinsam unser Land zurück!“
Also, was steht da? 2015 waren es 1 Million am ersten Tag, 2016 nur
noch 500.000, dieses Jahr 600.000. Ein deutlicher Knick nach dem
Merkelschen Willkommenstaumel, der seltsamerweise einsetzte, nachdem
die Bereicherung Deutschlands in Köln ihre unangenehme Seite
offenbart hatte und diverse Leute mit Äxten in Regionalzügen oder
Rucksäcken bei Festspielen für ein Erwachen der ersten
Wellkammbesoffenen und eindeutig mehr Vorsicht bei Touristen geführt
hatten.
Da diese Zahlen statistisch nachgewiesen sind und den Angaben der
Veranstalter selbst entsprechen, kann man von deren Richtigkeit
ausgehen. Hat bisher auch niemand angezweifelt.
Also entsprechen diese Zahlen der Wahrheit.
Aber nicht, wenn sie von der AfD verwendet werden.
Also, bei was wurde die AfD jetzt erwischt?
„In
den Kommentaren unter dem Post der AfD beschweren sich die
Facebook-Nutzer über die Darstellung. Enrico schrieb: „Warum
belügt ihr eure Wähler? Es sind sogar mehr Besucher bis jetzt als
letztes Jahr.““
Äh. Ja. Letztes Jahr 500.000, dieses Jahr 600.000. Steht da. Auf
Facebook. Bei der AfD. Also wo ist da jetzt die Lüge versteckt? Dass
die Unfähigkeit zu sinnerfassendem Lesen mit der Notwendigkeit zu
betreutem Denken Hand in Hand geht, hat unsere Systempolitik eh schon
lange erkannt und deshalb das Bildungssystem sukzessive zerstört und
damit hordenweise Enricos und Kevins und Jaquelines gezüchtet, die
sich unabhängig jeglicher Faktenlage über den Inhalt einer Aussage
aufregen, weil sie zwar nicht begreifen, was da überhaupt drin
steht, aber genau wissen, auf wen sie einrotzen können. Man möchte
einigen Nutzern den gutgemeinten Rat geben, anstatt masochistisch auf
der Facebook-Seite der verhassten AfD blöd rumzupöbeln (außer man
verdient sich ein Taschengeld damit) die Zeit lieber zu ein paar
Nachhilfestunden in Medienkompetenz und Sinnerfassendem Lesen zu
nutzen.
Aufgestachelt werden diese Postfaktenfreunde natürlich durch die
„Faktenchecker“ der Anstalt für Betreutes Denken, die natürlich
mit den Steuergelder auch der bösen rechtsnationalen
AfD-Hetzerfreunde auf „
twitter“
sofort hämisch klarstellen müssen, dass die AfD lügt, denn es
wären ja dieses Jahr mehr Besucher als letztes Jahr.
Ja eben. Die AfD hat nichts anderes behauptet. Aber in den Jahren
davor waren es, mit Ausnahme 2001 nach dem Terroranschlag vom 11.
September, grundsätzlich etwa eine Million, also gut doppelt so
viele.
Man glaubt, man ist im falschen Film. Da behauptet jemand, das Auto
wäre blau gewesen, und der andere fährt im kreischend dazwischen,
er wäre ein dreister Lügner, denn jeder hätte deutlich gesehen,
dass das ein blaues Auto gewesen wäre.
Interessant auch die Unterschiede im Wortlaut des Textes, bei „Focus“
steht da nämlich wie oben zitiert:
Bei der „Tagesschau“ fehlt plötzlich der erste Absatz komplett.
Woher kommt diese „Lücke“, ohne die der ganze „Faktencheck“
nur inhaltsleeres Geblöke ist?
Könnte es sein, dass die „Postfaktenverklicker“ des Schwarzen
Kanals, äh, der Tagesschau, da so ein kleines Hoppala von
„Lückenpresse“ passiert ist? Und der Enrico und der Kevin und
die Jaqueline darauf reingefallen sind wie immer? Wer weiß?
Aber noch besser ist ja, um auf das Paradoxon zurückzukommen, die
nächste Meldung, aus dem gleiche Hause, nämlich „Focus“, doch
jetzt vom 20 September. Also nur einen Tag, nachdem festgestellt
wurde, dass die ultrarechte Hetze über ein komplett vergurktes
Oktoberfest mit Pauken und Trompeten als blamabler Fake enttarnt
wurde, schreibt das investigative Fachblatt für Meerestierverpackung
hier
mit weinerlichem Unterton:
„Wiesn-Schausteller
klagen nach vier Tagen über Besucher-Flaute“
Da ist der Beweis für den fulminanten Erfolg der, äh, warte mal,
was steht da? Besucher-Flaute? Ist das nicht so ziemlich die gleiche
Aussage, die erst einen Tag vorher als blamable Lüge und Hetze
enttarnt wurde? Und wie wird das diesmal begründet?
„Am
Montag war der schlechteste Tag meines Arbeitslebens“ (…) „Das
könnte an strengen Kontrollen an den Besuchereingängen liegen. Das
wirkt abschreckend.“
Neinneinnein, das ist böses AfD-Sprech, das ist Nazipropaganda!
Pfui!! Das hat doch alles nichts mit nichts zu tun und überhaupt!
„Wegen
der latenten Terrorgefahr hatten die Behörden das Sicherheitskonzept
in diesem Jahr nochmals ausgeweitet.“
Wieso Sicherheitskonzept? Erst einen Tag zuvor wurde die AfD dafür
geprügelt, auf eine „massive Sicherheitsgefährdung“ zu
verweisen, die es ja gar nicht gebe und die nur auf diffusen Ängsten
der durch die rechten Hetzer und Radikalisierer verschreckten
Menschen beruhe, und jetzt schreiben die, dass massive Polizeipräsenz
und ein verschärftes Sicherheitskonzept hinter den allseits
gegenwärtigen Volksfestzäunen, die inzwischen unsere Grenzzäune
ersetzen, die Antwort auf eine höhere Gefährdungslage sind.
Das ist das Paradoxon. Am Dienstag wird die Flaute am Oktoberfest als
herbeigeredete Lüge bezeichnet, am Mittwoch wird sie als
bejammernswerte Tatsache beweint. Am Dienstag ist eine höhere
Gefährdungslage eine von den Rechten herbeigeschriebene haltlose
Behauptung, am Mittwoch begründet man damit die Flaute, die es am
Mittwoch zu bejammern gibt und die am Dienstag noch ein Fake war. Es
ist Hasswoche.
Als Drüberstreuer noch das Bild, mit dem der „Focus“ am Mittwoch
seinen Artikel schmückt. Man vergleiche mit dem oben von der AfD
gezeigten „Fake“.
Und deshalb fiel mir das Kindergedicht wieder ein. Es ist von Joachim
Ringelnatz.
Die erste Strophe ging so:
Dunkel war's, der Mond schien helle,
Schnee lag auf der grünen Flur,
als ein Auto blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschossner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.
Anhang frei nach Fragolin:
Und die AfD lügt immer, auch wenn sie mal die Wahrheit sagt,
während der „Focus“ immer wahr spricht, bei jeder Lüge, die er
wagt.