Wenn es um das Thema Umwelt geht, dann glänzt nicht nur unsere
glorreiche Vereinigung der europäischen Bruder- und
Bruderinnenvölker immer wieder mit innovativen Ideen, auch unsere
medialen Herolde werden noch während des Verkündens von
Begeisterung aus der Bahn geworfen.
So geschehen auf „
nachrichten.at“,
wo vor wenigen Tagen über die neuen Verordnungen des Truchseß von
Brüssel hofberichterstattet wurde, wie wir die Meere vor Plastikmüll
zu retten gedenken.
Denn immerhin, so tiriliert es aus den „nachrichten“-Studios:
„Die
EU-Kommission hat am Montag ein breites Plastikverbot vorgeschlagen.
Es geht um zehn Einwegprodukte, die 70 Prozent aller Abfälle im Meer
verursachen.“
Das müssen wir uns merken, denn weiter liest der
Durchschnittsmedienkonsument eh nicht.
Zumindest ist jedem klar: zehn Einwegprodukte aus der EU verursachen
70 Prozent aller Abfälle im Meer. Und da ist es einfach, mal
gegenzusteuern. Und im Gegensteuern ist unser weströmischer
Kaiserhof bekanntermaßen unbestrittener Weltmeister.
„Am Montag hat sie einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der ein
Verbot der typischen Einwegteller, Bestecke und Trinkhalme aus
Plastik vorsieht. Verboten werden sollen auch Rühr- und
Wattestäbchen sowie Luftballonhalter aus Kunststoff.“
Jetzt bin ich ehrlich baff, denn ich hatte ein vollkommen falsches
Bild von der Welt! Ich habe unzulässigerweise wieder einmal aus der
persönlichen Erlebniswelt auf die EU-Kommissionsrealität
zurückgeschlossen und mir gedacht, wenn allein bei unserem
persönlichen Plastik-Hausmüll Wattestäbchen und Strohhalme nicht
einmal Promille der Gesamtmasse ausmachen, dann können die nicht 70
Prozent am Gesamtmüll stellen. So kann man sich irren. Ich muss mal
bei meinen Nachbarn in der Tonne nachsehen, die müssen ja
proppenvoll mit Wattestäbchen, Trinkhalmen und Rührlöffelchen
sein.
Ich dachte an Müllsäcke, Einkaufstüten, den ganzen Dreck der in
Asien und Afrika einfach in die Botanik geschüttet und vom
Monsunregen in den Indischen Ozean gespült wird. Aber weit gefehlt!
Das Märchen vom Recycling unserer Einweggeschirre und -bestecke ist
entlarvt, und auch der Plastik-Hausmüll, in dem bei uns Trinkhalme
und Wattestäbchen entsorgt werden, wird nicht in die Müllverbrennung
geschickt sondern im Pazifik verklappt. Jeden Tag legen heimlich
große Schüttgutschiffe von europäischen Häfen ab und bringen
jedes Jahr Millionen Tonnen an Wattestäbchen und Automatenbechern in
den Pazifik. Damit ist auch das Geheimnis der Müllstrudel gelöst,
in denen sich große Müllinseln sammeln – die werden nicht durch
Meeresströmungen zusammengetragen sondern gezielt von
Ohrenschmalzbombern befüllt!
„Bei
anderen Wegwerfwaren – von Plastikbehältern über Trinkbecher bis
hin zu klassischen Folienverpackungen, etwa für Chips, und
Tragetaschen – sollen der Einsatz reduziert und die Erzeuger an der
Sammlung und Verwertung beteiligt werden.“
Die Erzeuger sind bereits an Sammlung und Verwertung beteiligt. Dass
das Geld, das sie der Abfallwirtschaft für das Recycling zahlen
müssen, anscheinend nicht dafür verwendet wird, zu recyclen,
sondern den Müll in den Pazifik zu fahren, können sie ja nicht
wissen. Wusste ich bisher auch nicht.
„Laut
EU-Kommission machen die zehn Produktgruppen, bei denen die
Einweg-Richtlinie ansetzt, etwa die Hälfte der Kunststoffabfälle im
Meer aus.“
Moment mal. Erst ein paar Sätze weiter oben hat die Woge der
Begeisterung, die durch die Redaktionsstube schwappte, den
informativen Müllstrudel hinterlassen, es handle sich um, ich
zitiere wörtlich: zehn Einwegprodukte, die 70 Prozent aller
Abfälle im Meer verursachen.
Abgesehen davon, dass Produktgruppen nicht unbedingt Produkte sind,
schaffen wir hier das rechnerische Wunder, dass diese einerseits die
Hälfte der Kunststoffabfälle, aber gleichzeitig 70 Prozent aller
Abfälle im Meer ausmachen. Der allzu häufige Umgang mit
Kriminalitätsstatistiken scheint die Rechenfähigkeiten nachhaltig
geschreddert zu haben.
„„Wir holen schon jetzt mehr Plastik aus dem Meer als Fisch“,
sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am Montag.“
Ach, der Fransi, die alte Lügenschleuder.
Der weltweite
Fischfang
(nur Wildfisch) liegt bei über 80 Millionen Tonnen pro Jahr.
Also Lüge.
In das Meer gelangen weit weniger Abfälle als Fische rausgefischt
werden, aber das ist irrelevant und sicher immer noch zu viel.
Deshalb ist ja, trotz aller unwidersprochen veröffentlichten
dreisten Lügen des auch sonst mit legendärer Wahrheitsliebe
ausgestatteten Herrn Timmermans, durchaus lobenswert, die Vermüllung
der Ozeane einzubremsen.
Dann schauen wir mal, wo der Müll so herkommt:
Äh.
Also doch Asien und Afrika?!
Also werden die Inder jetzt weniger der von ihren Müllbergen in den
Ozean geschwemmten Plastiksackerl benutzen, wenn nur wir endlich
beginnen, uns die Ohren mit Holzpflöcken auszuschmalzen? Oder
liefern wir die gebrauchten Wattestäbchen als Entwicklungshilfe nach
Afrika, wo sie nochmal benutzt und erst dann in die Flüsse gekippt
werden? Verzichten die Afrikaner generell auf Kunststoff, wenn auch
wir unsere Kaffeebecher wieder aus Tropenholz schnitzen?
„Mit
den geplanten Einschränkungen und Regeln soll es aber gelingen,
diese Abfälle um die Hälfte zu reduzieren und neue Chancen für
Unternehmen aufzutun. Denn nichts von dem, was verboten werden soll,
wird in Europa produziert.“
Aha, wir reduzieren Abfälle um die Hälfte, die wir weder
produzieren noch in die Meere kippen. Und ist das jetzt eine Hälfte
von der Hälfte oder doch von den 70 Prozent – oder von sich
selbst, dem Gesamtplastikaufkommen, dem Jahreskunststoffeinsatz von
Aldi oder dem durchschnittlichen Verbrauch an Kaffeebechern von
EU-Parlamentariern während ihrer Sitzungen?
Es gibt Nächte, da suche ich mit dem Teleskop den Nachthimmel ab, um
endlich einmal den Planeten zu entdecken, auf dem die EU-Kommission
wirkt.
„Ab 2030 soll in der EU kein Plastik mehr verwendet werden, das
nicht recycelt werden kann.“
Aus was machen die dann ihre Windräder? Momentan gibt es ja das
klitzekleine Problem, dass die Dinger aus
Epoxidharz-Verbundwerkstoffen geformt werden und zu gar nichts zu
gebrauchen sind außer zum Schreddern und giftstoffreich Verbrennen.
Sowas nennt sich Nachhaltigkeit und wurde von den Grünen erfunden.
Ach ja, einen Trost gibt es:
„Diese
Produkte werden nicht verschwinden, sie werden nur aus anderen
Materialien gemacht werden. Sie können weiter Picknicks machen und
Ihre Ohren säubern.“
Plastikbesteck braucht man nicht für Picknick, das Zeug brauchen nur
Fressbuden und Caterer. Aber für die Ohren machen sich Wattestäbchen
bisher doch besser als Holzpflöcke oder Spiralbohrer. Aber das ist
wohl nur Gewohnheit, wir müssen eben lernen damit zu leben.
Wie mit den EU-Duschköpfen, dem Glühlampenverbot und den daraus
folgernden Quecksilberschleudern in jedem Haushalt, mit der
Klospülungsreglementierung, der verlangten Harnstoffeinspritzung in
Abgasanlagen und dem kreischenden Düsenstaubsauger mit der am
Normteppich mit Normstaub festgestellten Normkonformität.