Ich bin kein Feind von Technik
im Kinderzimmer, ganz im Gegenteil. Unser Babyphone hat dem Großen,
als er noch der Kleine war, das Leben gerettet. Einen Babymonitor zur
Videoüberwachung habe ich aber abgelehnt. Wenn ich mein Kind sehen
will, muss ich mich zu ihm hinbegeben.
Bei Siri und Alexa bin ich
sowieso ablehnend eingestellt, finde es nur immer wieder erheiternd,
wenn ich die dümmliche Ausrede höre „Alexa hört eh nur zu, wenn
man vorher ihren Namen sagt.“ Meine Rückfrage, wie sie dann hören
soll, dass man ihren Namen sagt, wenn sie vorher gar nicht zuhört,
konnte noch niemand beantworten. Die Erklärung, dass
Sprachsteuerungen das personalisierte Sprachmuster nicht im Gerät
sondern in großen Serverbanken berechnen, auf die erstmal alle im
Raum gesprochenen Worte gespielt werden müssen, verstehen viele gar
nicht. Oder es gipfelt in dem Ausruf: „Quatsch, des dürfen die ja
gar net!“ Was natürlich ganz klar ist. Niemand würde jemals etwas
tun, von dem Liese Müller glaubt, dass der das gar nicht darf.
Logisch.
Dann dieser Blödsinn mit dem
„internet of things“, wo alle möglichen Haushaltsgeräte
vernetzt werden und das Netz mit allen Daten füttern, wann ich mir
wieviele Frühstückseier koche, ob hart oder weich, wie stark ich
meinen Kaffee trinke und wie viele Kalorien ich zu mir nehme (mit
Meldung an die Krankenkasse, um mich als Risikopatienten einzustufen
und bei bestimmten Erkrankungen einen Fahrlässigkeitsselbstbehalt
einzuführen?), mit einem Kühlschrank, der Entnahmen registriert und
Bestellungen automatisch generiert (dann steht jeden Tag das Gleiche
im Kühlschrank, immer und immer wieder, jeden Tag ist spätestens
beim Öffnen der Kühlschranktür Murmeltiertag) – wer braucht
sowas? Überwachung durch ein Datenverarbeitungsgerät, das mir nach
Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Stuhlgang vorschreibt, was
ich heute essen darf. Autos die der Versicherung melden, dass ich
immer wieder das nervige Plingen der Geschwindigkeitswarnung
ignoriere und auf der Autobahn den Tempomat auf tempobolzende 132
einstelle. TV-Geräte, die entscheiden, welche Inhalte ich sehen soll
und welche nicht und wann es Zeit für mich ist, schlafen zu gehen.
Und alle zeichnen alles von mir auf und speichern es irgendwo in den
Kuckucksheimen der virtuellen Wolken, wo dann die verwaltenden
Konzerne vollen Zugriff auf alle Daten haben, denn irgend einer ihrer
Server steht schon in einem Land, wo Datenschutz nicht einmal in der
Theorie existiert.
Und dann kommt das: Internet
of shit.
Nach dem noch halbwegs
sinnvollen Babyphone und dem bereits grenzwertigen Babymonitor jetzt
also die „smarte Windel“. Wir erinnern uns an den lang
vergangenen Englischunterricht, wo das Wort „smart“ noch als
Synonym für „klug“, „raffiniert“ und „intelligent“
erklärt wurde. Heute wird es jeden Dreck mit Datenanschluss
verwendet. Ein Hemd mit Schweißmengensensor gilt bereits als
„smart“, obwohl das Ding nur erkennen kann, ob der Träger
schwitzt. Ein Blutdruckmessgerät, früher einfach ein
Blutdruckmessgerät, ist heute „smart“ wenn es die Daten gleich
an die Versicherung kabelt. Nannte man früher einfach „Petze“ –
heute „smart“.
Die „smarte Windel“
jedenfalls hat einen Sensor, der den Feuchtigkeitsgrad des
Innenraumes überwacht und in Verbindung mit Umgebungstemperatur,
Luftfeuchtigkeit und einer Statistik des üblichen
Windelwechselzyklus und der Fütterungshäufigkeit eine Meldung auf
dem Handy ausspuckt, wann die Windel gewechselt werden soll. Also
unsere Kinder haben uns den richtigen Zeitpunkt mit einigermaßen
Nachdruck auch ohne App vermittelt. Optisch, akustisch und
olfaktorisch. Man konnte sogar an einigen Zeichen sofort erkennen, ob
es sich um eine reine Flüssigkeits- oder eine mit Feststoffen
kombinierte Füllung handelte, die den im Kind selbst eingebauten
Windelsensor zum Anschlagen brachte. Allerdings haben wir uns als
Eltern den Luxus geleistet, lieber unsere Kinder zu beobachten und
ihr Verhalten zu studieren, auf ihre Zeichen zu achten und von ihnen
zu lernen, als blöd den ganzen Tag auf einen Mini-Bildschirm zu
glotzen. Die Smombie-Eltern der Zukunft bekommen das wahrscheinlich
nur noch mit, wenn es ihnen von einer App auf dem Handy gesagt wird.
Und was natürlich das Ganze so
interessant für die Windelhersteller macht: die Daten landen wieder
in ihrem virtuellen Kuckucksheim, wo sie ausgewertet und komplette
Kundenprofile erstellt werden – und das bereits von Geburt an. Wie
all die anderen Daten auch. Google-Suchen, Amazon-Bestellungen,
Geldbewegungen, Kartenzahlungen, Bewegungsmuster, Ernährungsmuster,
Daten aus Gesundheitsüberwachungssensoren, sogar alle Gespräche in
den eigenen vier Wänden über Sprachsteuerungen, Siri und Alexa. Wir
ziehen eine Datenspur hinter uns her, eine Art Chemtrail aus
Informationen, die Interessierte nur noch abgreifen und auswerten
brauchen. Konzerne, die uns mit personalisierter Werbung zumüllen
wollen, Behörden, die sich für Verhaltensmuster interessieren,
Versicherungen, die uns in Risikoklassen einstufen wollen…
„Eine Studie hat gezeigt, dass
Menschen, die als Baby bereits häufiger als fünf Mal am Tag die
Windel gewechselt bekamen, ein um sieben Prozent höheres Risiko
haben, später Magenprobleme zu bekommen. Jeder, über den wir die
Daten als Vielwindelwechsler haben, wird daher im Falle, dass im
Erwachsenenalter sein Kühlschrank angewiesen wurde, tierische
Produkte mit einem Fettgehalt von mehr als 0,3% zu bestellen, nicht
mehr versichert.“
Zumindest machen die Kinder das
einzig Richtige mit solchem „smarten“ Überwachungsmüll: sie
scheißen drauf. Und das ist angeblich auch das Einzige, was der
Windelsensor nicht erkennen und melden kann: wenn das Kind die Windel
mit einer Granate gefüllt hat. Also ausgerechnet die wichtigste
aller Informationen wird einem vorenthalten. Und die armen
Smombie-Eltern müssen ihre Ohrstöpsel auf volle Lautstärke drehen
um den blöden Balg nicht mehr brüllen zu hören, der Krawall macht,
obwohl laut Windel-App alles in bester Ordnung und die Windel erst in
einer Stunde wieder zu wechseln ist…
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