„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Mittwoch, 26. April 2017

Enthemmte Träume

Es gibt Tage, da denkt man sich, irgendwie schon alle Tiefpunkte politischer Kompetenzbefreitheit erlebt zu haben, wohl befürchtend, sich zu irren. Und dann gibt es Tage, da weiß man, dass man sich geirrt hat. Es geht noch dümmer.

Nachdem der kanzlerische Show-Ankündismus scheinbar zur neuen Paradedisziplin der Obertanenriege mutiert ist, versuchen sich alle möglichen Leute in effekthascherischen Verkündigungen. So auch Margit Kraker, die Präsidentin des Rechnungshofes, die scheinbar in Zeiten ausgeglichener Haushalte, vernunftgeleiteter Sparpolitik und verantwortungsvoller Überschusserwirtschaftung nichts anderes zu tun hat, als sich Gedanken um die Verfassung zu machen. Vielleicht hat ihr nur keiner erzählt, dass es sich gerade während ihrer Amtszeit nicht um solche Zeiten handelt. Und vielleicht könnte ihr auch jemand erklären, dass sie Präsidentin des Rechnungshofes ist und nicht des Verfassungsausschusses.

Jedenfalls hat diese Frau, die ja bereits vor Monaten kernig ankündigte, der nächsten Regierung eine Zehn-Punkte-Aufgabenliste zu stricken, die diese dann zu befolgen habe (Warum sie diese Liste nicht gleich der jetzigen Regierung übergibt, die ja nicht gerade unter Überlastung zusammenbricht, bleibt ebenso ein Geheimnis wie die Frage, woher sie die seltsame Auffassung hat, dazu auserwählt zu sein, der Regierung Aufgaben zu erteilen, was diese gefälligst zu erledigen habe.), auch jetzt einen „Vorschlag“ gemacht, der ein fragwürdiges Licht auf das Verständnis des Begriffes „Demokratie“ in den obersten Etagen der Republik wirft.

Sie fordert, ohne rot zu werden, ein Verbot von Neuwahlen.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn das Parlament einmal zusammengesetzt ist und die Regierung einmal im Amt ist, gibt es für vier Jahre nicht nur, wie jetzt, fast keinen Weg mehr, die vorzeitig aus dem Amt zu jagen, falls sie allzusehr über die Stränge schlagen, sondern gar keinen mehr. Es soll verboten werden. Sollte ein Richtungsstreit in der Koalition die Zusammenarbeit lähmen, also noch mehr als jetzt, gibt es keinen Weg aus der Sackgasse und der Stillstand wird zwangspragmatisiert bis zum Ende der Legislaturperiode.

Dass damit unter dem Vorwand, das Parlament zu „enthemmen“, das Parlament erst richtig gefangen werden soll und den gewählten Vertretern des Souverän per Gesetz die Entscheidungsfreiheit geraubt werden soll, sieht diese Juristin nicht? Na gut, sie ist Schwarze. Und wenn die etwas „entfesseln“ oder „enthemmen“ wollen, verstehen die bekanntermaßen etwas ganz anderes darunter als der Duden. Aber noch steht irgendwo in der Verfassung, ich glaube ziemlich weit am Anfang, so dass man selbst mit Pröllschem Leseverständnis recht schnell an die richtige Stelle gelangt, dass das Recht vom Volk ausgeht. Und die rechtgebende Versammlung der gewählten Vertreter des Volkes das Parlament ist. Und die Legislaturperiode ein Richtwert ist, der faktisch die maximale Periode darstellt, bis zu deren Ende das Volk neuerlich gefragt werden muss, ob diese Truppe so weitermachen darf oder Veränderungen gewünscht sind.

Kann sich noch jemand erinnern, wie die Verlängerung der Legislaturperiode schmackhaft gemacht wurde? Erstens muss der bequeme Staatsbürger nicht mehr so oft den lästigen Weg an die Wahlurne beschreiten, zweitens spart man Gelder, die sonst für solchen Quatsch wie demokratische Entscheidungsfindung verschleudert werden und drittens kann die Regierung sich dann viel mehr auf ihre Arbeit konzentrieren und so richtig in die Hände spucken.

Inzwischen muss denen vor lauter Spucken schon der Sabber aus der Hand laufen, denn zum Anpacken kommen die trotzdem nicht. Also wo soll da jetzt der Gewinn liegen, die auch noch quasi zu pragmatisieren, ihnen Unkündbarkeitsstatus zu geben?

Es gibt ein schönes Sprichwort: Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Wenn Frau Kraker sich mehr politisch engagieren möchte und sich statt um die Steuergeldverschwendung im Staat lieber um eine Neuordnung des politischen Systems bemühen will, dann gibt es immer noch den Weg, ihren derzeitigen Posten an jemanden zu übergeben, der sich darüber im Klaren ist, wo sein Kompetenzbereich liegt, und eine Partei gründen, die die Verfassung umkrempeln will. Dann wird sie sehen, wie viele Menschen das wirklich wollen und ihr mit Begeisterung dabei helfen.
Viele dürften es nicht sein.

Zustimmung kam von den NEOS und dem Team Stronach.“

Klare Mehrheiten. Da lässt sich viel enthemmen. Zumindest die Träume.

1 Kommentar:

Heinz hat gesagt…

Werter Fragolin,

Meist bin ich mit ihnen einer Meinung. Auch in diesem Beitrag haben sie natürlich durchaus recht mit allem, was sie schreiben, allerdings haben sie diesmal einen zentralen Punkt außer Acht gelassen: "Wann haben Wahlen zuletzt in Österreich etwas geändert?"
Eben :-).

Liebe Grüße