Es war einmal in Neidistan, dem Land großer proletarischer
Töchtersöhne und einer kleinen fiesen neoliberalen Ausbeuterkaste,
da mogelten sich die gemeinen Wahlverlierer durch einfache gemeinsame
Stimmenmehrheit an die Macht und schickten die eigentlichen Erben der
Macht und fulminanten Wahlgewinner, die halt einfach zu wenige
Stimmen bekommen hatten, was in einer Demokratie nach ihrem
Verständnis aber kein Grund sein kann, um von den wohlerworbenen
Futtertrögen verjagt zu werden, in die Wüste. Da half auch kein
trotziges Verwüsten der zu räumenden Büros und sabotierendes
Vernichten von Computerhardware – es zogen die Vertreter der bösen
Neoliberalen und ihre randfaschistischen Steigbügelhalter
machtergreifend in die Ministerialbüros und errichteten das eiskalte
Kapitalistenkalifat. Die nach sozialer Wärme strebende Masse, der
nun nur mehr brennende Mülltonnen zum Erwärmen ihrer frierenden
Herzen blieb, schrie ihre Verzweiflung, angestachelt durch die
gefühlt ungerechterweise von ihren Futtertrögen verstoßenen
Rotjacken und unterstützt von den schon wieder nicht an die
Futtertröge gekommenen Grünkleidchen, ihre Wut in die Welt und
zwang die sich frecherweise gegen den Willen der Rotjacken
konstituierende Regierung, unterirdisch zur eisigsten Vereidigung der
Geschichte Neidistans zu schleichen.
Hier könnte man meinen, es wäre der Tiefpunkt allen Elends erreicht
und eine dicke Schicht aus sozialem Schnee und Eis legte sich über
die hungernden und frierenden proletarischen Massen, aber nein, es
gab eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: beherzte
Patrioten flüchteten in die arme befreundeter Nachbarn und erflehten
von ihnen Acht und Bann gegen die widerrechtlich gewählte Regierung
und das renitent falsch wählende Gevölke, was zwar absolut nichts
brachte als einen Schub widerlichen nationalistischen Wir-Gefühls
der Bio-Neidistaner und ein paar Familienfotos ohne die
neidistanische Ministerin. Die Schlechte: Aus den Untiefen des
Schwarzblauen Sumpfes kroch das Urböse, der Neoliberalensauron, der
Inbegriff des Kapitalismus, der sich wild drehende
Privatisierungsderwisch, der Vorzeige-Yuppie, das pawlowsche
Neidreflexglöckchen mit der Föhnfrisur und wagte es,
sozialistisches Familiensilber in Privatbesitz zu transferieren und
das Tempo der Staatsverschuldung zu bremsen. Er setzte die Machete
schächtend an den Hals Heiliger Kühe und belud sich mit dem ewigen
und unauslöschbaren Fluch des Hasses derjenigen, die glauben, dass
Gerechtigkeit bedeutet, einfach vom Geld anderer Leute zu leben. Und
das sind besonders in Neidistan nicht wenige.
Es kam, wie es kommen musste, und Neidistan wurde befreit von
Neoliberalen und Faschos und konnte sich endlich wieder entfalten:
das Subventionswesen erblühte wieder, Privatisierungen wurden
gestoppt, Gebühren abgeschafft und Halleluja! Hosianna! auch die
Staatsschulden durften wieder fröhlich explodieren. Es gab ja sechs
verlorene und finstere Jahre nachzuholen.
Man könnte glauben, Ende gut, alles gut. Aber da war ja noch der
Sauron. Die Dartzielscheibe der Hassenden. Der Sandsack, an dem sich
die Zukurzgekommenen, Zurückgebliebenen und Abgehängten, die zur
Verarbeitung der Schuld am eigenen Versagen immer einen Popanz
brauchen, an dem sie sich abarbeiten können. Und so wurde das
Märchen geboren, dieser mit seinem Erfolg angebende (in Neidistan
ein Schwerverbrechen) Fokus des Hasses der Erfolglosen wäre eine
wandelnde kriminelle Organisation. Sofort wurde die einst von
elfengleichen Rotjacken besetzte und endlich vom Weisungsjoch der
schwarzblauen Orks befreite Neidistananwaltschaft aktiv und bedeckte
auf parteifreundlichen Zuruf den Neoliberalen mit Klagen. Das
Trommelfeuer medialen Rufmordes und hetzender Vorverurteilung der mit
Steuergeldern gemästeten medialen Stalinorgeln begleitete den
Rufmord am Verhassten mit knallendem Stakkato.
Und schlussendlich wurde der neoliberale Schuft seiner gerechten
Strafe zugefüh…, äh, nach jahrelangen Ermittlungen vor den Kadi,
äh…, nein, auch nicht. Eigentlich wurde nach und nach jede der
gefaketen Anklagen fallengelassen,
weil auch Jahre der juristischen Nachstellung keinerlei Hinweis auf
Straftaten erbrachten. Egal, ein erfolgreiches Jahrzehnt für
Vernaderer, Hetzer und Hasser wurde abgeschlossen. Man konnte dem
Delinquenten zwar nichts nachweisen, aber man konnte ihn lange genug
mit Scheiße bewerfen, dass man selbst durch aufgespachtelte Parfüme
den Mief der Exkremente zu erspüren meint. Man muss nur genug Dreck
werfen, dann bleibt auch was hängen, egal, wie erstunken und erlogen
die Anwürfe sind.
Karl-Heinz Grasser war das erste und prominenteste Opfer des
postfaktischen Medienstalkings. Eine monate- und jahrelange
Hetzkampagne nähert sich ihrem kleinlauten Ende.
So gehen Linke mit denen um, die sie zu ihren Feinden erklären. Man
muss Grasser nicht mögen, um den Umgang mit seiner Person für einen
handfesten Politskandal zu halten.
Aber warum nur habe ich mir von den Rotjacken nichts Besseres
erwartet…
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