„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Sonntag, 16. Juli 2017

Inquisition

Es ist ja nun schon einige Jahre her, dass der letzte Ketzer von der Heiligen Inquisition angezeigt und einem weltlichen Gericht verurteilt wurde. Man könnte glauben, ganz besonders die ach so progressiven, zukunftsersehnenden und vergangenheitsverabscheuenden Linken würden sich eine Rückkehr in solch interessante Zeiten nicht unbedingt wünschen, aber man kann sich offenbar täuschen. Jedenfalls bejubeln sie in ihren üblichen Gegen-Rechts-Filterblasen die Verurteilung eines Tiroler FPÖ-Mandatars wegen, festhalten, es wird mittelalterlich, „Herabwürdigung religiöser Lehren“.

Der „Standard“ berichtet sogleich: „Islamfeindliches Posting – Tiroler FPÖ-Funktionär verurteilt“

Bitte die Zunge frei machen, um sich den Inhalt genüsslich darauf zergehen zu lassen. In Österreich, einem per Verfassung säkularen Staat, in dem laut ebendieser Verfassung vor dem Gesetz alle gleich sind, wird es hiermit faktisch von einem Leitmedium in Berufung auf ein Gerichtsurteil zur Straftat erklärt, religionsfeindlich eingestellt zu sein. Wenn man wohlwollend annehmen möchte, dass es sich nicht um ein rechtsbeugend islamophiles Urteil handelt, wird hiermit also das öffentliche Äußern atheistischer Weltanschauung zum Straftatbestand erklärt. Das ist nicht neu, aber ungewohnt, da wie eingangs erwähnt die Inquisition seit einigen Jahren ihr öffentliches Wirken eingestellt hat. Mir ist nicht bekannt, ob die römisch-katholische Kirche vorhat, hier wieder eine Filiale der Glaubenskongregation zu eröffnen und aktiv werden zu lassen, aber mit diesem Paragraphen 188 StGB würde sich das glatt wieder ausgehen:

Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

Es muss also nur einen einzigen Menschen „berechtigt ärgern“, dass man irgendwas über sein Spaghettimonster oder das Nudelsieb sagt, und schon kann man im Knast landen. Wir reden von Österreich und 2017. Und wir haben ein gelebtes Strafrecht, das auf Gotteslästerung, ja Lästerung jeglichen religiösen Anbetungsgegenstandes und sogar jeder „Einrichtung“ Freiheitsstrafe androht. Soviel zum zivilisatorischen Abstand zwischen Österreich und Iran.

Doch schauen wir uns das schwere Verbrechen an, dass nun dieser religionsherabwürdigende Strolch begangen hat. Es besteht in folgenden Worten, wobei nur die beiden letzten und die Uneinsichtigkeit des Delinquenten, solches als Ketzerei zu widerrufen und sein Haupt schuldbewusst vor dem Quran zu beugen, das Gericht dazu brachten, den Bösling mit immerhin 120 von 360 höchstmöglichen Tagsätzen zu verknacken:

Wir brauchen keinen Ramadan. Wenn jemand unsere Art zu leben nicht passt, soll er Österreich verlassen. Wir brauchen keine geisteskranke Islamideologie!“

Religiöses Gedöns als geisteskrank zu bezeichnen ist jetzt nicht gerade die nette Art, aber wenn jemand abends mit einem unsichtbaren Großen Weißen Kaninchen redet, steckt man ihn sehr wohl in eine Zwangsjacke und versucht das medikamentös wieder einzurenken, tut er dies aber mit einem unsichtbaren Großen Herrgott, darf man das nicht einmal kritisieren ohne zu riskieren, vor dem Kadi zu landen? Wo leben wir, dass wir Leute, denen das Einhalten von Regeln frühmittelalterlicher Wüstenreligionen wichtiger ist als das Zusammenleben mit Nachbarn, die sich einen Dreck um sowas scheren (was ihr gutes Recht ist), für Idioten halten? Wo leben wir, das Gotteslästerung, siehe oben, ein Straftatbestand ist?

Was soll das überhaupt sein, „Herabwürdigen einer Religion“? Eine Religion hat erstens keine Würde, also kann man sie nicht herabwürdigen, und zweitens ist eine Religion keine Inkarnation sondern nur die abstrakte Bezeichnung für eine Ideologie, die sich zur Durchsetzung ihrer Politik eines Gottesbildes bedient. Ansonsten kann man eine Religion genauso „herabwürdigen“ wie einen Wochentag, eine Uhrzeit oder eine astronomische Konstellation, nämlich gar nicht.
Und wie verspottet man eine Einrichtung? Wie einen krumm gewachsenen Baum, eine schief gemauerte Wand oder den Vollmond? Ist es strafbar, wenn ich einen Golf GTI verspotte, nur weil er das Anbetungsobjekt eines PS-Fetischisten ist? Und was, wenn ich über dessen Garage lache, komme ich dann in den Knast?
Wer beschließt solche Gesetze und kann sich nächsten Tages noch im Spiegel anschauen?

Dass wir Gesetze haben, die offensichtlich Tür und Tor für logikbefreite Glaubensurteile, die sich trefflich für Gesinnungs- und Politjustiz missbrauchen lassen, öffnen, ist für mich der weit größere Skandal als das geschmacklose Pöbeln eines Provinzpolitikers und wird nur noch getoppt durch die Tatsache, dass es offensichtlich Gerichte gibt, die diese Tür bedenkenlos durchschreiten. Ob es den Jubel radikalmuslimischer Jihadisten wert ist, genüsslich einem Blauen eine reinzuwürgen, muss jeder selbst für sich entscheiden.

Artikel 18 der Menschenrechtskonvention:
Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“

Liebe Scharia- und Katholibankämpfer und alle Linksdjihadisten, die religiöse Steinzeitriten und -überzeugungen instrumentalisieren um politischen Gegnern an die Karre zu pinkeln, hier steht nicht nur Religion sondern auch Überzeugung. Und wenn es die Überzeugung eines Menschen ist, dass Gottesanbetung und Einhaltung sinnfreier Riten Idiotien sind, dann hat er das Recht, diese Überzeugung zu äußern. Nennt sich Meinungsfreiheit und ist eines der elementaren Menschenrechte. Das sollte nach meiner Überzeugung durchaus niveauvoller als im vorliegenden Fall geschehen, aber es steht nichts von Höflichkeit in den Menschenrechten.
Schränkt ein Gesetz diese Überzeugungs- und Meinungsfreiheit ein, ist es menschenrechts- und damit verfassungswidirg, da die Konvention der allgemeinen Menschenrechte Teil der österreichischen Verfassung ist.

Vielleicht sollte sich mal ein Gericht, nämlich das Höchstgericht, darum kümmern, wie es sein kann, dass ein Gesetz die Menschenrechte auf Überzeugungs- und Meinungsfreiheit aushebeln kann, indem es mit schwammigen Gotteslästerungsregeln daherkommt.

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