„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Montag, 28. August 2017

Abschiebefrei

Wir leben im Gegensatz zu den Afghanen in Afghanistan in einer freien Demokratie (na gut, ich will mal nicht übertreiben, aber sagen wir mal: vergleichsweise freien Gesellschaft) mit erst frisch erwachenden Gegenbewegungen fanatisch-detonativen Charakters. Deswegen gibt es bei uns auch ein Demonstrationsrecht und eine vergleichsweise hohe Sicherheit, friedlich demonstrieren zu dürfen und keine Gewalt gegen die Demonstranten zu erleben. Außer man demonstriert für oder gegen etwas, was die radikale Ultralinke erzürnt, dann kommen schon mal fröhliche Überzeugungstäter angekarrt und verteilen Gratismassagen mit Baseballschlägern oder Eisenstangen. Was bei Themen passiert, die stolze Muselmanen erzürnen, weiß ich nicht, solche Demos werden vorbeugend erst gar nicht genehmigt und, sollten die kleinräumig und kurzzeitig illegal trotzdem stattfinden, hinterher lautstark als verdammenswerter islamophober Terrorakt beheult. Sicher ist sicher.

Ich habe also absolutes Verständnis dafür, wenn Afghanen, die nach Österreich gekommen sind, hier bleiben wollen, und dagegen protestieren, wenn man sie wieder heimschicken will. Und ich stehe ihnen auch das Recht zu, deswegen zu demonstrieren. Aber wenn ich mir durchlese, was die Medien, in diesem Falle der „Kurier“, daraus machen, muss ich doch mal wieder die Feder spitzen.

Sie halten Schilder wie "Gegen Deportationspolitik" und "Gerechte Asylpolitik für AfghanInnen" in die Höhe und protestieren gegen die Abschiebungen in das kriegsgebeutelte Land.“

Gut, Überzeichnungen und Dramatik gehören zu dem Thema wie der Frosch zur Goldenen Kugel, sonst funktioniert das Märchen nicht. Aber die fremdenpolizeiliche Aufforderung, das Land, für das man keine Aufenthaltsgenehmigung hat, wieder zu verlassen, ist keine Deportation. Mit polizeilichen Maßnahmen hat man erst zu rechnen, wenn man die behördliche Anweisung ignoriert oder kriminell wird. Und das ist internationales Recht. Ganz im Gegenteil, im Vergleich zu vielen anderen Ländern handhabt Österreich dieses Recht sogar ziemlich lax.

Wo man „Ungerechtigkeit“ in der Asylpolitik verortet, bleibt erst einmal ein Rätsel. Was ist ungerecht daran, wenn man nachweislich persönlich verfolgten Menschen Schutz gewährt, aber Menschen, die nur aus Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation auswandern, nicht? Die haben nun einmal keinen besonderen Schutzstatus, der das Recht begründet, von uns aufgenommen, gefüttert, rundumversorgt, mit Quartier samt Fernsehen und Mobiltelefon versehen zu werden. Asylpolitik ist gerecht, wenn sie die Schutzbedürftigen (und auch dieser Begriff wird geradezu inflationär missbraucht) unter Schutz stellt und ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen ermöglicht, und alle anderen, die nur „ein besseres Leben“ haben wollen, davon ausschließt. Und dazu muss der Begriff der „Schutzbedürftigkeit“ so klar definieren, dass er Schmarotzer fernhält.

Es geht aber vielen um „ein besseres Leben“, das wird ja auch immer wieder frech als Argument ins Feld geführt, obwohl es eigentlich sogar ein Gegenargument ist. Besser als was denn? Besser als in Afghanistan? Besser als in Bolivien? Oder besser als in Kärnten? Bekomme ich vom Staat auch nur einen Cent geschenkt, weil ich ein besseres Leben haben will als die Rund-um-die-Uhr-Tretmühle zweier Jobs, die ich brauche, um nach dem Abzug der Hälfte meiner Einkünfte genug zum Erhalt des bescheidenen Wohlstands einer vierköpfigen Familie am Konto zu haben? Den ich, geht es nach dem Willen der „Gerechten“ und „Fairen“, nicht einmal an meine Kinder weitergeben darf, ohne dafür noch einmal Strafsteuer zu berappen?

Eine sogenannte „gerechte Asylpolitik“ liegt dann vor, wenn es keinem gelingt, das System zum eigenen Vorteil zu plündern, egal ob es sich um einen Afghanen oder sonst einen windigen Hund handelt. Asylpolitik ist „gerecht“, wenn jene, die Asyl benötigen, weil sie wegen etwas, was bei uns kein Verbrechen ist, an Leib und Leben bedroht und verfolgt sind, es auch bekommen und nicht jene, denen es eben nicht zusteht, denen, die es bräuchten, die Töpfe leerfressen und denen, die die Töpfe füllen, dabei frech ins Gesicht lachen. Wenn diese Leute also eine „gerechte Asylpolitik“ fordern, dann sollten sie bedenken, was das wirklich heißt, und schon mal ihre Sachen zusammenpacken und zum Flughafen spazieren.

Nüsse, Datteln und Tee mit viel Zucker werden herumgereicht. Aus Lautsprechern ist afghanische Musik zu hören.“

Klingt nach Kabul, ist aber Wien. Der Punkt, an dem man den Fehler findet, kommt später und lautet:

Österreich sei für ihn sein neues Zuhause.“

Nein. Ist es nicht. Es ist ein Wohnort, an dem man sicher seine Traditionen fortleben kann. Aber ob das jetzt Österreich ist oder Deutschland oder Frankreich, ist eigentlich irrelevant, denn es ist nur ein Ort außerhalb von Afghanistan, an dem ein Afghane leben möchte, als wäre er in Afghanistan, ohne dafür etwas tun zu müssen, weil es der Staat verschenkt. Wäre Österreich das Zuhause, also der Ort, an dem man mit seinem Herzen angekommen ist, gäbe es Kaffee und Mehlspeisen, und zwar selbstgebacken und vom selbst erarbeiteten Geld gekauft, und aus den Lautsprechern von mir aus die EAV.

Ja, es sind diese Kleinigkeiten, die es ausmachen. Niemand muss seine kulturelle Identität aufgeben (obwohl man genau das von den Einheimischen fordert, doch das ist eine andere Geschichte), aber es macht eben den Unterschied aus, ob ich irgendwo Unterschlupf finde oder eine neue Heimat. Die neue Heimat ist nur dann eine Kopie der alten Heimat, wenn ich nicht aus der alten Heimat fliehe, sondern auswandere zur Kolonisation. Fragt die Indianer, die können da ein bisschen was drüber erzählen, wenn Europäer „ein neues Zuhause“ finden, an dem sie wie im alten Zuhause leben können.
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie folgt immer dem gleichen Muster. Weil Menschen Menschen sind.

"Unser Ziel ist, dass die Abschiebungen gestoppt werden. Wir wollen hier im Park bleiben bis das gewährleistet ist. Wir hoffen, dass uns die zuständigen Minister hören", sagt Mohammed (Name geändert). Er trägt eine Sonnenbrille und lässt ein Stück Würfelzucker in seinem Mund zergehen. Seine Stimme wird traurig: "Viele Freunde wurden schon abgeschoben. Zuletzt ist einer aus dem Flugzeug in Kabul gestiegen und gleich darauf bei einem Anschlag gestorben."

Schön, dass genau diese Geschichte des Herrn Name geändert schon mehrmals bei Demonstrationen in vorgehaltene Mikrofone und Diktiergeräte fabuliert wurde, so kommt ein Gefühl des Vertrauten auf. Man erzählt halt immer wieder gern die gleichen Märchen und die Medienkonsumentenschaft hört diese auch immer wieder gern. Tränendrüsen werden gedrückt. Die Tatsache, dass „der Freund“ auch in London, Paris, Berlin, Nizza, Barcelona oder Madrid aus dem Flugzeug steigen und kurz darauf gesprengt, gemessert oder vom LKW überrollt werden kann, wird da nicht erwähnt. Warum auch? Wen interessiert‘s? Immerhin ist die Gefahr, von Afghanen auf das Gleis vor einer einrollenden Bahn gestoßen zu werden, für Afghanen in Europa geringer als für Europäer in Europa. Oder so.

Übrigens gehe ich in einem Punkt konform mit den Demonstranten: Auch ich will keine Abschiebungen mehr. Ich will, dass die gar nicht erst notwendig werden und wir der ganzen Welt klarmachen, spätestens an der gesicherten Grenze, dass der Eintritt hier streng geregelt und limitiert ist. Ich will, dass erst gar keiner unser Land betritt, der hier nichts zu suchen hat.
Dann wäre die ganze Diskussion nämlich obsolet und auch diese Demo zweckfrei.

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