Was
denken sich Journaillisten, wenn sie ihre Artikel schreiben? Offenbar
nicht viel. Hauptsache, es klingt »gefällig« (für die Ohren ihrer
Brötchengeber) und »witzig« — wenigstens für kultur- und bildungsferne
GesellInnen (Gender muß sein!) wie sie ...
DiePresse,
näherhin ein Herr Günter Spreitzhofer (dessen Namen man sich wohl nicht
wird merken müssen, wenn all seine Artikel so fundiert sind), berichtet
über die Hauptstadt der Dominikanischen Republik unter der Titelzeile:
Dominikanische Republik: Eine Stadt namens Heiliger Sonntag
Die Destination ist mehr als ein Badetraum unter karibischen Palmen. Das bemerkte schon Christoph Kolumbus, als sein Schiff Maria an der Nordküste strandete.
Holy Shit! »Eine Stadt namens Heiliger Sonntag«
— solch blühender Unsinn muß einem erst mal einfallen! Warum, Herr
Spreitzhofer, glauben Sie, daß die »Dominikanische Republik« auf Deutsch
eigentlich so, und nicht etwa »Sonntagsrepublik« heißt? Weil sie
vielleicht was mit »Dominikanern« zu tun haben könnte?
Bingo!
Denn: »Domingo« heißt auf spanisch nicht nur der Sonntag (der
»Herrentag«, um es exakt zu übersetzen), sondern auch der Ordensgründer
Domingo de Guzmán
Domingo de Guzmán (Caleruega, Burgos; 1170 — Bolonia, Sacro Imperio Romano Germánico, 6 de agosto de 1221) fue un presbítero castellano y santo católico, fundador de la Orden de Predicadores, más conocidos como dominicos.
... wie einen die spanische Wikipedia belehrt (wobei der Name »Domingo de Guzmán« auch in der deutschen Version des Lexikons
ausdrücklich erwähnt wird). Also nix mit »Heiliger Sonntag«, Herr
Spreitzhofer, sondern schlicht und einfach: »Sankt Dominik« ...
Und so geht's im Artikel munter weiter mit dem Pseudowissen!
Es war Christoph Kolumbus, der die Insel 1492 – Auftraggeber Spanien zu Ehren – Hispaniola nannte, kurz zum ersten Gouverneur der „Neuen Welt“ aufstieg und damit seine Schuldigkeit getan hatte: 1502 wurde er abgesetzt, sein Sohn Diego de Colón bald Vizekönig. Der Seeweg nach „Westindien“ war vermeintlich gefunden, auch wenn die angeblichen Indianer eigentlich Tainu, die lokale Urbevölkerung, waren.
Nein, Columbus glaubt keineswegs den Seeweg nach »Westindien« gefunden zu haben, sondern den westlichen Seeweg nach Indien
— denn er wähnte sich an der Ostküste Indiens gelandet! Der Begriff
»Westindien« wurde erst geprägt, nachdem klargeworden war, daß diese
Territorien eben nicht im (seit der Antike bekannten)
Indien lagen, weshalb man sie zur Unterscheidung »Westindien« — im
Gegensatz zum »alten«, zum »echten« Indien (welches in der Folge dann zu
»Ostindien« mutierte) — benannte.
Was
sonst noch im Artikel steht, kann ebenso aus jedem Reisebüro-Prospekt
entnommen werden. Mit einem Wort: ein klassischer Schwurbelartikel mit
Halbwahrheiten für Halbgebildete. Mittlerweile typisch für
»Qualitätsmedien«. Daß derlei — der von Karl Kraus genüßlich zitierte
»Grubenhund« beweist's — auch früher schon vorkam, erklärt manches, aber
entschuldigt nichts! Denn der typische »Grubenhund«
soll zwar nicht, aber kann wegen seiner überzeugenden Gefinkeltheit
einer Redaktion schon »passieren«. Gewisse Grundzüge von Bildungswissen
hingegen darf man hingegen selbst heutzutage bei Mitgliedern einer
Zeitungsredaktion voraussetzen — oder ist selbst das in Zeiten des
grassierenden »Relotismus«bereits zu viel verlangt?
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