„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Samstag, 22. Juni 2019

Großes Kino

Grundsätzlich ist es mir ja egal, von wem sich Parteien bespenden lassen, ich halte es nur für angebracht, solches in beliebiger Höhe verpflichtend veröffentlichen zu müssen, aber das ist meine persönliche Meinung. Deshalb habe ich auch keine Probleme damit, wenn Leute wie Klaus Ortner oder Stefan Pierer der ÖVP haufenweise Spenden in den Rachen schaufeln. Ich muss eine Partei, die sich von milliardenschweren Sugardaddies aushalten lässt, ja nicht wählen. Ich wähle ja auch den politischen Arm der Strabag nicht. Aber ganz besonders aufgefallen ist mir folgender Satz in diesem Krone-Artikel:

Anders als Pierer hatte Ortner seine Spenden allerdings auf mehrere Tranchen verteilt, womit die sofortige Veröffentlichung der Großspende auf der Rechnungshof-Homepage umgangen wurde. Laut Nehammer waren es insgesamt neun Tranchen.“

Ach.
Man hat also trickreich verhindert, Geldflüsse transparent zu machen.
Warum mir das so aufstößt? Weil die gleiche ÖVP, die sich auf so trickreiche Art mit sehr hohen Geldbeträgen versorgen lässt, die Koalition mit der FPÖ gesprengt hat, weil der besoffene und einer russigen Kurzrockträgerin imponieren wollende Strache vor versteckter Kamera davor geprahlt hat, genau das auch tun zu wollen, was die ÖVP offensichtlich schon lange tut, nämlich Geld einzusacken, ohne es an die große Glocke zu hängen.
Wie ich es damals bereits formuliert habe: Strache hat nicht das Sittenbild der österreichischen Politik besudelt, sondern bestätigt. Er wollte genauso agieren, wie es die anderen schon lange tun. Nun, damit hat er sich zurecht abgeschossen, denn seine Anhänger haben ihn ja genau deshalb gewählt, weil sie endlich mal eine Partei wollten, die nicht nur ans Beutemachen denkt. Diese Ernüchterung hat der FPÖ einiges an Stimmen gekostet, und das nachhaltig.

Aber trotzdem bleibt es besonders bemerkenswert, welch gigantisches Ausmaß an widerlicher Heuchelei inzwischen bei den Schwarzen und Roten erreicht wurde. Die Schwarzen lassen eine Koalition platzen, weil sie ihrem Koalitionspartner vorwerfen, genau das tun zu wollen, was sie selbst schon längst fabrizieren, und die Roten plustern sich momentan wegen Ausgaben auf, die sie in gleichem Zusammenhang weit teurer getätigt haben. Von den Gefälligkeiten gegenüber Kanzlersöhnen oder strammen Parteisoldaten bei Strabag, Siemens oder ÖBB wollen wir mal gar nicht reden. Dem Ortner seine Tochter in der ÖBAG ist auch nicht verwerflicher als dem Kern sein Sohn beim Haselsteiner. Und dass sich die SPÖ über massenweise mächtige Vorfeldorganisationen indirekt sponsern lässt, ist auch nichts Neues am Nordbalkan.

Als würden sich beim Wirten zwei Gäste vor ihren prall gefüllten Schnitzeltellern gegenseitig vorwerfen, widerliche Fleischfresser zu sein, während der dritte, der am Nebentisch in seinem mageren Salat stochert und sagt, er würde auch gern ein Schnitzel haben, dann von beiden gemeinsam niedergebrüllt wird, weil er bisher offensichtlich nur so getan hat, als wäre er Vegetarier.
Was für eine Schmierenkomödie.

Wenn das der Auftakt des Wahlkampfes ist, dann wird es in weiterer Folge aber noch lustig werden, von wegen „nicht gegen den Mitbewerb argumentieren“ und „fairen Stil“ und Blablablupp. Da kommt inhaltlich gar nichts mehr außer sich gegenseitig die Leichen aus dem Keller zu graben und dem Gegenüber den Gestank zuzuwedeln. Wenn die so weitermachen, schaffen sie es noch, dass bis Ende September die Blauen mit weißeren Westen dastehen als der Rest. Denn denen konnten sie bisher nur vorwerfen, was sie wollen, aber gegenseitig graben sie jetzt aus, was sie selbst tun.

Ich besorg‘ mir schonmal Chips und Cola. Das wird noch ganz großes Kino geben diesen Sommer.

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