Mediterraner Strand. In Reih und Glied mit geradezu preußischer
Exaktheit ausgerichtet die ausgebleichten Sonnenschirme und
Klappliegen, die garantieren, dass jedem die antidiskriminierend
gleiche Anzahl an Quadratzentimetern Schatten zuteil wird, der sich
nicht zu blöd ist, dafür die Äquivalentmiete einer kompletten
Zweiraumwohnung mit Einbauküche und Klimaanlage zu zahlen. Während
die Kinder versuchen, mittels kleiner Eimer die komplette Anlage zu
fluten, was sie euphemistisch als Bau einer Sandburg mit Burggraben
bezeichnen, wobei nichts erkennbar ist, was auch nur ansatzweise an
eine Burg, aber sehr viel, was an einen Graben erinnert, buddeln sie
mit Begeisterung die seltsamsten Schätze aus: Zigarettenkippen mit
pinkfarbenen Lippenstiftresten, sandverklebte Lutscher, mit Muscheln
und Kieseln gefüllte Plastikflaschen, einen halben Meter
Wäscheleine, eine kleine Plastikschaufel, Eislöffel und nachdem sie
bereits scheiteltief in ihrer Ausgrabungsstelle die Schichten des
Sandes, des Kieses, feuchtem Löss und erstarrter Magma durchbrochen
haben, Faustkeile, einen Neandertalerschädel und einige
Dinosaurierskelette.
Bei der Beobachtung des Tageslaufes am Strand konnte ich derweil sehr
gut nachvollziehen, wie unsere Altvorderen aus dem Schattenwurf der
Sonne die Uhr entwickelten: Mit gleichmäßiger Kreisbewegung
umrunden über den Tag die Liegen den Sonnenschirm wie ein Zeiger die
Uhr, immer dem kargen Schattenwurf des löchrigen Stoffkreises
folgend. Seltsamerweise schwärmen alle aus den kühlen und
schattigen Häusern und Gärten zum frei in der prallen Sonne
glühenden Strand, um sich dort wieder unter ein paar
Quadratzentimeter Stoffschatten zu verkriechen, weil es ja so heiß
ist. Ich habe da eher auf eine rein pflanzliche Salbenkombination aus
Sonnenschutzmilch und Mückenvertreibungsmittel gesetzt, deren
Lichtschutzfaktor einen wahrscheinlich selbst mitten im Abwurfgebiet
einer Wasserstoffbombe vornehme Kellerblässe bewahrt und die
gleichzeitig alle bekannten und unbekannten Arten von Insekten
nachhaltig kollabieren lässt, wenn sie sich der Haut weiter als bis
auf zwei Meter Abstand nähern.
Man soll nicht alles glauben, was die Werbung sagt.
Weiß jemand, wie das brennt, wenn man einen fett aufgedunsenen
Mückenstich mitten auf einem knallroten Sonnenbrand hat? Und sowas
nennt sich Urlaub.
Afrikaner werden an diesem Strand keine angeschwemmt, die sind alle
schon da. Im Minutentakt schwärmen ganze zentralafrikanische
Stammesgemeinschaften, deren Kral irgendwo zwischen den Hotels
versteckt liegen muss, aus und fragen jeden, besonders Leute mit
geschlossenen Augen oder solche, die eine Zeitung oder ein Buch lesen
wollen, eindringlich und anhaberisch, ob sie nicht unbedingt
Handtaschen, Badetücher, Hüte, Drachen, Schmuck, Sonnenbrillen,
Ledergürtel, Schuhe, Holzschnitzereien, Bastkörbe, historische
Amphoren, Baumaschinen, ausrangiertes Kriegsgerät oder
Großraumschlauchboote (endlich weiß ich, wo die nach dem Anlanden
bleiben) kaufen wollen, alles natürlich zum halben Preis, wobei
niemand sagen kann, wie hoch denn überhaupt der volle wäre. Einen
besonderen Spaß gönnte ich mir gestern, als ich nach dem Aufbranden
der dritten Welle zentralafrikanischer Tinnefverkäufer, die
durchsetzt waren mit illegalen ostasiatischen Massageanbieterinnen,
meinen Sohn zu mir heranzog und in Richtung Strandpromenade zeigend
laut verkündete: „Sie mal, mein Großer, so sieht hier die POLIZEI
aus!“
Innerhalb von zwei Sekunden war der komplette Strand frei von
jeglichen Verkäufern und Dienstleistungsanbietern. Ich vermute, die
haben sich im Sand eingegraben oder besitzen sogar ein dichtes Netz
an Fluchttunnels unter dem Strand.
Mal sehen, vielleicht, wenn morgen die Kinder etwas tiefer graben,
stoßen sie auf einen Gang...
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