Es war so schön, so eine aufgelegte Geschichte, um der xenophoben
AfD und den fremdenhassenden Ewiggestrigen die wahre Fratze des
ekligen gruppenvergewaltigenden Deutschen vorzuführen, praktisch den
ultimativen Beweis zu erbringen, dass das Oktoberfest ein einziger
Rudelbums ist und die gruppenschnackselnden Zugelaufenen dies nur
tun, um sich hier so richtig zu integrieren. Da fallen also ein
halbes Dutzend deutschbepasste Jungspunde regelmäßig über
ahnungslose Maiden her, die sie erst heimtückisch in eine Falle
locken um sie dann fröhlich und nicht ganz freiwillig, also ohne die
in Schweden inzwischen benötigte schriftliche
Einverständniserklärung, durchzumäuseln. Der Beweis schien
erbracht, denn auch der tausendste eingewanderte Ausgreifer ist nur
ein bedauerlicher Einzelfall, der eine schwere Kindheit hatte und
eine traumatisierende Flucht und überhaupt ein hartes Leben, während
der eine Deutsche, wenn man ihn dann endlich hat, sofort
stellvertretend für diese ganze widerliche Volksgemeinschaft steht,
die aufzulösen und einem Existenzende zuzuführen selbst glühenden
Patrioten wie dem urdeutschen Türken Deniz Yücel, geheiligt sei
sein Name und gebenedeit die Luxuscessna, mit der er heim in das
Reich des organisierten Volkstodes von seiner schönsten Seite
geflogen wurde, eine feuchte Phantasien produzierende Freude ist.
Und dann das.
Auch der letzte, sich in Begleitung seines Anwaltes der Polizei
stellende, bevor er vielleicht von den Vätern der geschändeten
Jungfern erwischt und mit handfesten Argumenten oder scharfen
Gegenständen nachhaltig auf den Pfad der Tugend zurückgeführt
wird, Jungspund mit dem glattgescheitelten biodeutschen Habitus
entpuppt sich ebenso wie seine Rammelgenossen als, wie es heute so
schön politisch korrekt heißt, Angehöriger der Volksgruppe der
Sinti. Ich werde an dieser Stelle natürlich darauf verzichten,
darauf hinzuweisen, dass unsere ungarischen Freunde ob dieser
Umschreibungen jedesmal erheitert feststellen, dass wir nicht einmal
wissen, dass das Zigeuner sind; ich will sie und mich ja nicht in
Schwierigkeiten bringen. Also keine Zigeuner, vor denen man seine
Töchter warnt, sondern Sinti, vor denen zu warnen natürlich
rassistische Hetze wäre. Obwohl, wenn man an die Mädchen denkt,
wäre etwas mehr rassistische Hetze im Elternhaus durchaus präventiv
gewesen und ihnen dadurch eventuell einiges erspart geblieben. Ich
persönlich stehe ja zu dem für aufrechte progressive Linke
faschistischen und ultrarechten Standpunkt, dass der eine oder andere
zu Unrecht diskriminierte nicht zum Stich gekommene Zigeuner- oder
auch Sontwasjunge mir weit mehr egal ist als das Schicksal
vergewaltigter Mädchen. Lieber eine vorsichtige (und für
geisteskranke fremdenfokussierte selbsthassende Antifanten damit
natürlich rassistische) Tochter als eine vergewaltigte. Vorurteile
hat die Natur geschaffen, um genau so etwas zu vermeiden. Aber
während das blöde Gaffen eines alten biogermansichen Geilings in
den bereitwillig zur Schau gestellten Ausschnitt einer erwachsenen
Frau ein Schwerstverbrechen darstellt, von dem man ableiten kann,
dass man vor allen alten weißen Männern dringend warnen und sie mit
Vorurteilen behängen kann, darf dies bei anderen Gruppen, vor Allem
jung und fremd, natürlich niemals geschehen. Hetze Hetze bäh, da
sei Kahane vor!
Jedenfalls hat sich mit dem unerwarteten Zusammenbruch des medialen
Kartenhauses zum finalen Beweis der auch sexuellen Erbschuld der
Deutschen auch der Tonfall in den Medien geändert. Nach dem
anfänglichen Hinweis auf den deutschen Nachnamen und dem
genussvollen Durchreichen des vermeintlichen Konfirmationsfotos wird
nun plötzlich verständnisvoll über das arme Kind berichtet.
„Am
Ende war der öffentliche Druck zu groß: Nach den Vergewaltigungen
mehrerer Schülerinnen im Ruhrgebiet hatte sich am Donnerstagabend
mit Dean Martin L. der letzte Tatverdächtige bei der Polizei
gemeldet.“
Merkt das jeder? Das arme Kind unterlag einem zu großen öffentlichen
Druck. Nein, nicht dass ihm die Polizei auf den Fersen war und es
wohl unausweichlich war, in Kürze mit Handschellen und vorgehaltener
Waffe abgeführt zu werden, sondern der „öffentliche Druck“ auf
den armen Knaben war zu groß. Es gibt Momente, da muss man sich die
Formulierungen unserer Schreibkünstler wie ein After Eight auf der
Zunge zergehen lassen, um nach dem Schmelzen der zarten bittersüßen
Hülle der wohlgewählten Euphemismen den leicht widerlichen
minzescharfen Kern zu schmecken. Man ahnt: ich mag kein After Eight.
Und ich mag dieses manipulative Geschreibsel nicht, dessen Schöpfer
bei jeder leisen Anmerkung einer unzulässigen Meinungsmanipulation
empört aufkreischen, weil getroffene Hunde bekanntlich heulen.
„Die Ermittler gehen von mindestens sechs Fällen in den
vergangenen Monaten aus, in denen jugendliche Mädchen Opfer geworden
sein sollen.“
Ach, „jugendliche Mädchen“. Normalerweise nennt man so etwas
„Minderjährige“, und wenn der Günther oder der Klaus die nur an
der Schulter berühren, ist das bereits eine Sexualstraftat. Früher
gab es bei uns den blöden, aber treffenden Spruch: „Die hält der
Staatsanwalt noch mit dem Daumen zu!“ Interessant, wie
unterschiedlich das Alter bewertet wird, wenn man weiß, wer die
Täter waren.
Denn nur
wenige Stunden vorher hieß es in der gleichen
Zeitung (und das habe ich mir alles gesichert, bevor es aus dem Netz
verschwindet):
„Das gemeine Volk rast, denn einem jungen Deutschen
werden brutale Taten vorgeworfen. Seit Mittwoch kursiert das
Fahndungsfoto eines 18-Jährigen aus Gelsenkirchen-Heßler. Darauf
ist ein schlanker Teenager mit kurzem dunklem Schopf und ernstem
Blick sehen. Er trägt ein blaues Sporttrikot: Dean Martin
Lauenburger. Er soll mit vier weiteren Männern zwischen 16 und 23
Jahren minderjährige Mädchen vergewaltigt und sexuell genötigt
haben.“
Da war er noch ein junger Deutscher, hatte einen kompletten Namen und
ein unverpixeltes Foto und er hat wohl „minderjährige Mädchen
vergewaltigt“.
Nur wenige Stunden später ist er ein Sinti und es gibt „Fälle,
in denen jugendliche Mädchen Opfer geworden sein sollen“.
Merkt jeder, wie sich der Tonfall ändert? Und es geht, zurück zum
neueren Artikel, so weiter:
„L.
wurde beim Betreten der Polizeiwache in Gelsenkirchen gestern Abend
von Passanten erkannt und beschimpft.“
Ach, der arme Junge! Da ist das böse Dunkeldeutschland, das er nur
Stunden vorher noch selbst verkörpern sollte, was nur durch die
unglückliche Tatsache der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, die
selbst darauf besteht, absolut nicht deutsch zu sein, misslang, über
dem armen Kind zusammengeschwappt und hat – mutmaßlich allein
getrieben durch Xenophobie und Fremdenhass der AfD – seinen Unmut
über dem armen generalverdächtigten Diskriminierten ergossen.
„Er
war im Abiturjahrgang der Gesamtschule und sollte dieses Jahr Abitur
machen, ist aber vor einigen Wochen von der Schule geflogen, weil es
Ärger gab.“
Das muss man kurz vor dem Abi noch schaffen, wo möglichst noch jeder
durchgezerrt wird bis zum bitteren Ende. Was kann das nur für
„Ärger“ gewesen sein, den ein solches Engelchen verursacht hat?
„Sein
Anwalt Hans Reinhardt sagt im Gespräch mit WELT: „Die treibende
Kraft kann er nicht gewesen sein.“ Er hat seinen Mandanten als
höflich, zurückhaltend und introvertiert kennen gelernt.“
Ach. Die treibende Kraft kann er nicht gewesen sein, weil er
„höflich, zurückhaltend und introvertiert“ scheint.
Deshalb ist er wahrscheinlich auch von der Schule geflogen. Deutsche
Schulen sind bekannt dafür, Kinder, die durch zu viel Stille
auffallen, zu selten aufzeigen und die Lehrer immer höflich grüßen,
rausschmeißen, weil sie ein so schlechtes Beispiel ewiggestrigen
Gedankengutes von Knigge abgeben. Immer wieder müssen besonders
Angehörige geschenkter oder zugelaufener Gruppen die schwere
Diskriminierung erfahren, wegen zu viel Bescheidenheit und
Höflichkeit massivem Hass ausgesetzt zu werden.
Warum die „Welt“ die vollkommen unmaßgebliche Meinung eines
Anwaltes, dem gegenüber sein Mandant ja wohl nicht so bescheuert
sein wird, ihn blöd anzurotzen und seinen Stern zu zerkratzen, für
erwähnenswert hält, sei dahingestellt, aber es riecht immer wieder
nach dem Versuch, ab sofort ein etwas positiveres, besseres Bild von
dem Jüngling und seinen Kameraden zu malen; der Verdacht, das könne
damit zusammenhängen, weil nach der Bekanntgabe der demonstrativen
Undeutschheit des vermeintlich Deutschen das zu erwartende
Gerichtsurteil nicht ganz so hart ausfallen wird, wie man es für
einen Horst oder Erwin mit gleicher Faktenlage erwartet hätte. Und
man will auf die Stimmungsmache vorbereiten, dass eventuelle
Unmutsäußerungen gegen diese übermütigen Früchtchen
selbstverständlich nichts Anderem als reinem Hass gegen die gesamte
Volksgruppe der Zigeuner Sinti entspringen muss. Man
instrumentalisiert bereits jetzt jedes begangene Verbrechen und jedes
gefallene Wort zum Pflügen des Ackers, auf dem propagandistisch die
Reinwaschung der Goldstückchen gesät werden soll.
Dazu gehört dann auch das:
„L. ist bei seinen Großeltern aufgewachsen.“
Schwere Kindheit, alles klar? Muss man strafmindernd berücksichtigen,
solange jemand keine Hakenkreuze schmiert. Vielleicht macht der
„kika“ auch noch eine Reportage für die Kleinen daraus.
„Die
mutmaßlichen Täter sollen über soziale Netzwerke oder Bekannte
Kontakt zu den Mädchen aufgenommen haben. (...)
Bei den Ermittlungen wurden unter anderem Handy-Chats
ausgewertet.“
Fertig. Ganz anders als noch ein paar Stunden vorher, als der
vermeintlich Deutsche noch einen Namen hatte:
„Im Internet sollen die Vergewaltiger detailliert mit ihren
Sex-Verbrechen geprahlt haben. (...) Ein
Imbissbuden-Besitzer erinnert sich an Lauenburger als unauffällig.
Im Internet fiel der 18-Jährige dagegen als verbal rüde auf. Auf
seinem Facebook-Account sind alte Einträge mit dem Wort „ficken“
zu finden.“
Ach, hat er vielleicht alte Programme von Ingo Appelt transskribiert?
Oder ist es nicht eher normal, dass Pubertierende in ihren
Fratzenbuchgruppen auch übers Vögeln oder Ficken schreiben? Das hat
genau gar nichts zu sagen, ich möchte nicht wissen, bei wie vielen
jungen Männern man sowas finden würde, wenn man sucht. Deshalb zog
man es auch an den Haaren herbei, als er noch ein Deutscher war, und
verzichtete generös darauf, nachdem er zum Sinti mutierte.
Erstaunlich, oder?
Und damit das Bild rund wird, schließt das Ganze nochmal mit einer
dezenten Erwähnung der wohlwollend die Tatsachen verdrehenden und
den realen Opfern nach der Vergewaltigung auch noch medial ins
Gesicht spuckenden Anwaltsmeinung:
„Er sagt, eher Opfer als Täter zu sein.“
Na dann, auf zum Gedenkmarsch für das arme Opfer, und vergesst nur
nicht, liebe aufrechte Bürger, ein wachsames Auge darauf zu halten,
dass nicht irgendwelche rechten Nazischlampen die angeblichen Opfer
für ihre Hetze gegen die wirklichen Opfermonopolisten
instrumentalisieren. Immerhin sind die ja freiwillig zu dem gelackten
Schnösel mit dem berühmten Namen in seine Karosse geklettert und
haben sich zu dem Erdloch im Wald fahren lassen, das wir aus dem
alten romantischen Lied über das schöne Zigeunerleben kennen...
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