Sehr verehrter Herr Professor Portisch,
nein, hier muß ich bereits zögern ... denn mit dem heutigen
Kurier-Interview haben Sie für mich einen Ihrem Alter und Ihrer Position
gern zugestandenen Anspruch auf "Verehrtheit" endgültig verwirkt —
belassen wir es daher besser bei der standardisierten Anredefloskel
Sehr geehrter Herr Professor Portisch!
Im heutigen Kurier findet sich auf der Titelseite der Aufmacher »Hugo
Portisch ist empört über den Umgang der FPÖ mit den Medien«, wobei das
Interview auf Seiten 4-5 mit der doppelseitigen Überschrift »Portisch:
Das ist eine politische Bedrohung« versehen ist.
Als langjährigem Journalisten, der noch dazu jahrelang der
Kurier-Redaktion als Chefredakteur vorstand, kann ich Ihnen — und dem
Kurier — nicht unterstellen, Aufmacher und Schlagzeile nicht beiderseits
gewußt und gebilligt zu haben. Sie wollen also mit diesem Interview
ganz bewußt die FPÖ als »politische Bedrohung« für Österreich — oder gar
für die derzeitige EU (die Sie nonchalant mit »Europa« gleichsetzen) —
stilisieren ... ... denn anders kann es wohl nicht verstanden werden!
In der Vergangenheit legten Sie immer großen Wert darauf, keiner
politischen Partei nahezustehen, gaben sich als unabhängiger, der
Wahrheitsfindung verpflichteter Journalist und Schriftsteller. Diese
Position, welcher Sie sicher zu erheblichem Ausmaß Ihr Ansehen bei den
Österreichern verdankten, haben sie bereits im Zuge der
Präsidentschaftskampagne Van der Bellens untergraben, indem Sie für
diesen warben. Doch mit dem nunmehrigen Interview haben Sie auch die
letzte Maske — und man muß hier für die Vergangenheit wohl von bloßer
Maskierung ausgehen, angesichts der bestürzenden Einseitigkeit Ihrer
Wortwahl! — von »Parteiunabhängigkeit« fallen lassen. Hier drängen sich
dem unbefangenen Leser einige Fragen auf:
Wo war eigentlich Ihre öffentlich geäußerte Empörung, als erst vor
wenigen Tagen ruchbar (und vom ORF schließlich unter dem Druck der
Öffentlichkeit eingestanden) wurde, daß in der aktuellen
Berichterstattung ein Beitrag sinnstörend gekürzt worden war, der
dadurch den Eindruck erwecken mußte, die Tiroler FPÖ und ihr
Spitzenkandidat sei mit den antisemitischen Entgleisungen eines
Besuchers einer Wahlveranstaltung einverstanden?
Wo war Ihre Empörung über die Dreistigkeit, mit der nicht nur der ORF,
sondern auch zahlreiche Printmedien zwar über eine angebliche (und bis
heute nicht einmal zum Status polizeilicher oder staatsanwaltlicher
Vorerhebungen führende, geschweige denn nachgewiesene!) »Verstrickung«
des FPÖ-Spitzenkandidaten in eine Affaire um ein Gesangsbuch einer
Burschenschaft in Ausführlichkeit berichteten, doch leider, leider bis
nach der Wahl zu erwähnen »vergaßen«, daß der im Impressum namentlich
genannte llustrator dieses Liederbuches ein bekannter SPÖ-Mann war. Denn
sonst wäre die Empörungsinszenierung gegen einen FPÖ-Kandidaten, der zu
erfolgreich zu werden drohte, wohl in sich zusammengebrochen. Nochmals
meine Frage: wo war Ihre Empörung über diesen flagranten (und, wie man
feststellen muß: leider erfolgreichen!) Versuch der Medien, durch
gezielte Information und Nicht-Information Wahlen zu
beeinflussen? Oder sehen Sie darin keine »politische Bedrohung«, sofern
dadurch die Interessen der von ihnen offenbar präferierten Partei(en)
gefördert werden?
Wo blieb Ihr geharnischter Protest gegen die Versuche der SPÖ, durch dirty campaining
letztklassiger Sorte (gefakete Websites, Falschmeldungen etc.) die sich
für sie doch eher ungünstig anlassende Wahlkampagne zur
Nationalratswahl 2017 »umzudrehen«? Oder sehen Sie das etwa nicht als eine Bedrohung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an? Was, wenn ich fragen darf, geruhen Sie dann als Bedrohung anzusehen? Etwa nur ein Facebook-Posting Straches am Faschingdienstag? Wirklich, so ganz im Ernst?
Befremdlich ist auch Ihre etwas seltsame Definition, was unter dem
Begriff der »Systemmedien« zu verstehen sei. Auf die Frage des »Kurier«
(»Die FPÖ spricht auch immer von Systemmedien. Was versteht man
darunter?«) definieren Sie wie folgt:
Systemmedien sind ein Schimpfwort geworden. Ist mit System die Demokratie gemeint, dann wäre der Begriff ein Skandal. Wenn die Medien der Demokratie Systemmedien sind, dann ist es ein Schimpfwort.
Sie wissen ebenso wie jeder historisch Gebildete, daß der Begriff in den 1920er-Jahren (damals noch »Systempresse«
— denn die elektronischen Massenmedien spielten noch kaum eine Rolle)
als Bezeichnung der die damalige Meinung maßgeblich prägende
Presselandschaft, die den Parteien der sogenannten »Weimarer Koalition«
nahestand, gebraucht wurde. Heute meint »Systemmedien« hingegen jene
»Mainstream-Medien«, die durch informelle Sanktionen eines peer review weitgehend gleichgeschaltet agierend, Meldungen filtern und Meinungen steuern.
Das jedoch für demokratiergefährdend zu halten, ist keineswegs »ein
Skandal«, wie Sie insinuieren wollen — ganz im Gegenteil! Oder wollen
Sie mir wirklich erzählen, daß Sie die österreichische Realverfassung,
die de facto die geschriebene demokratische Bundesverfassung
längst durch die Herrschaft von Parteisekretariaten und
Korruptionsnetzwerken aller Art (politischer, wirtschaftlicher und nicht
zuletzt medialer!) zersetzt hat, noch für »demokratisch« halten? Sorry —
dann wären Sie entweder grenzenlos dumm oder grenzenlos naiv, und für
beides halte ich gerade Sie nicht! Was also sind Ihre
Beweggründe, hier zulasten einer Partei, die bei den letzten
Nationalratswahlen immerhin mehr als ein Viertel der Wählerstimmen
bekommen hat (und damit nur ganz knapp hinter der SPÖ liegt), als
vorgeblich »parteiunabhängiger Journalist« offen die Abwahl der FPÖ zu
propagieren. Darf ich Sie da wörtlich zitieren?
Das müßte man dann den Wählern sagen, ihr gefährdet eure Freiheit und eure Demokratie, wenn ihr solche Parteien weiter unterstützt.
Sind das wirklich Worte eines »parteiunabhängigen Journalisten«? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten!
Muß ich Sie ernstlich darauf hinweisen, daß die von Ihnen geleugnete
parteipolitische Schlagseite des ORF und der meisten Printmedien
(verrate ich Ihnen denn wirklich eine Neuigkeit, wenn ich sage: nach
Links!) keineswegs eine krude Verschwörungstheorie durchgeknaller
Neo-Nazis ist, sondern von selber jahre- und jahrzehntelang in leitenden
Positionen des Medienwesens tätigen Journalisten in zahlreichen
Publikationen thematisiert wurde! Oder wollen Sie ernstlich die
Seriosität z.B. von Dr. Unterberger bezweifeln — jahrelang Chefredakteur
der »Presse« und der »Wiener Zeitung«, und derzeit Betreiber eines der
einflußreichsten politischen Blogs Mitteleuropas —, der exakt diese von
ihnen offenbar als inexistent betrachteten Deformierungen der
Medienszene seit Jahren wieder und immer wieder seiner fundierten Kritik
unterzieht? Oder einen Dr. Klaus Peter Krause, jahrzehntelang Chef der
Wirtschaftsredaktion der F.A.Z.?
Und gestatten Sie mir eine gewisse Skepsis, ob auf die »Kurier«-Frage:
»Warum steht gerade der ORF im Visier der FPÖ?« Ihre Antwort
Weil er eines der größten, einflußrechsten und glaubwürdigsten Medien ist.
tatsächlich ernstgemeint war. Falls doch, darf ich, Herr Professor, Ihre geneigte Aufmerksamkeit auf Websites wie z.B. »ORF-Watch« lenken, wo Sie ad nauseam
die Fülle an gelenkter Information und bewußter Nicht-Information,
parteipolitischer Voreingenommenheit, ja schlichten Märchen dieses nach
Ihrer Darstellung angeblich »glaubwürdigsten« Mediums tagesaktuell
nachlesen können? Und da sind keine Obskuranten am Werk, die das
Schaffen edler, wahrheitssuchender ORF-Mitarbeiter verunglimpfen wollen,
sondern »gestandene« Journalisten, denen wohl auch Sie, Herr Professor,
nicht Professionalität oder Berufsethos werden absprechen wollen, wie
z.B. Christian Ortner, Werner Reichel, oder der bereits erwähnte Andreas
Unterberger!
Wenn es etwas gibt, was an Ihrem langen »Kurier«-Interview dennoch
begrüßenswert ist, dann die Tatsache, daß die Österreicher jetzt wissen,
wo Sie stehen, und daher bei künftigen Wortmeldungen von ihrer Seite
einschätzen können, welche Interessen Sie bedienen. Umso bedauerlicher
ist für mein Dafürhalten, daß dieser Erkenntnisgewinn eins zu eins
zulasten Ihres Ansehens als »Flaggschiff« des unabhängigen Journalismus
geht.
Ich verbleibe
mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns
LePenseur
Das Interview findet sich hier: kurier.at/politik/inland/portisch-das-ist-eine-politische-bedrohung/311.237.047
5 Kommentare:
gut geschrieben...nur leider wirds niemand jucken...
wir werden weiter das System füttern müssen, ob wir wollen oder nicht
wahrscheinlich in Zukunft auch ein paar Zuckis für blau und schwarz, aber im Grunde wird der ORF niemals unabhängig.
Ebenso werden wir für Internet Zugang allein schon zahlen müssen, wie D...Haushaltsabgabe und es wird extrem EU freundlich, Migrantenfreundlich, Trumpfeindlich usw sein.
Also absolut neutrale Berichterstattung inklusive Unterhaltung für das Volk: Fussball, Skifahren,Musikantenstadel Vorstadtweiber...eben alles was das öst. Hirn so braucht um nicht intelligenter zu werden.
Die linken staatskuenstler zeigen gerade wer sie finannziert.Bedauerlich dass auch Portisch zu dieser Gruppe gehoert!
Werter Fredl,
in Zeiten, wo man ungestraft andere als "Nazischlampen" und "Dreckschweine" bezeichnen darf, rutscht einem sicher auch gelegentlich eine deftige Entgegnung raus, aber ich möchte doch bitten, daran zu denken, dass ich für die Inhalte hier verantwortlich gemacht werden kann. Also bitte etwas mehr Contenance, auch wenn sie fraglos vollkommen im Recht sind mit Ihrer Einschätzung. Danke!
MfG Fragolin
Muss dem leider zustimmen, dass ich von Herrn Portisch sehr enttäuscht bin. Vielleicht hat er zu lange in der Toskana gelebt, abseits vom Geschehen gewesen, um die Stimmung im Land mitzubekommen? Der Tod seier Frau wird ihn auch etwas verwirrt haben.
Jedenfalls - wir Österreicher brauchen niemand den uns die Medien vorsetzen glauben zu müssen - wir wissen selbst was wir wollen.
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