„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Dienstag, 26. März 2019

Flott ist sie, die Staatsanwaltschaft Graz — aber halt nur bisweilen

von LePenseur


Es ist noch nicht lange her, daß die Staatsanwaltschaft Graz mit ihrem Feldzug gegen die Identitären vor Gericht (in beiden Instanzen) famos auf die Schnauze gefallen ist. Das tut natürlich weh, und so liegt es nahe, eine Retourkutsche zu fahren, wenn sich's ergibt. Und es ergab sich ...

Christchurch-Attentäter spendete an Identitären-Chef

Vor mehr als einem Jahr erhielt Martin Sellner, Sprecher der rechten "Identitären", eine 1500-Euro-Spende von dem Mann, der nun in Neuseeland 50 Menschen erschossen hat. Nun gab es eine Razzia bei Sellner.
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... schreibt DiePresse (wie üblich: von APA ab). Lassen wir mal das Problem außen vor, daß die Formulierung der APA-Mitteilung höchst voreingenommen ist, selbstmurmelnd bei einem pöhsen rechten Täter auf das sonst obligatorische »mutmaßlich« nonchalant »vergessen« wurde, und was derlei Quisquilien mehr sind.

Aber einfach zum Mitschreiben:

Ein letztinstanzlich vom Verdacht der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung rechtskräftig Freigesprochener wird von der Staatsanwaltschaft mit einer Razzia bedacht, weil er vor einem Jahr eine überschaubar große Spende von € 1.500,00 von einem Mann erhalten hat, der ein Jahr später im begründeten Verdacht steht, fünfzig Menschen am anderen Ende der Welt erschossen zu haben.

Die Entgegennahme von Spenden, selbst wenn sie von einem rechtskräftig verurteilten Verbrecher stammen sollten, ist nicht verboten. Umso mehr daher auch die Entgegennahme einer Spende von jemandem, der nicht rechtskräftig verurteilt wurde, weil er die Tat, die er »mutmaßlich« — wir wollen doch immer schön korrekt bleiben, liebe Journaille, nicht wahr? — begangen hat, zum damaligen Zeitpunkt eben noch nicht begangen hat.

Was begründet also die Zulässigkeit einer Razzia?

Ich gehe beispielsweise davon aus, daß ein rechtskräftig verurteilter ehemaliger ÖVP-Abgeordneter im EU-»Parlament« und davor ÖVP-Minister — Politik-Kundigen sicherlich auch ohne Namensnennung wohlbekannt — im Verlauf seiner Politikerkarriere eine ganze Reihe von Spenden getätigt hat. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, daß es auch nur gegen einen einzigen dieser Spendenempfänger eine Razzia gegeben hätte. Ei, warum denn bloß nicht?

Immer wieder spenden auch interessierte Lobbyisten an Organisationen, von denen sie sich Vorteile erhoffen (sonst spendeten sie ja wohl nicht). Ich bin daher ganz schon gespannt darauf, zu erfahren, wie viele Razzien es bei den politischen Parteien, oder den Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmer-Verbänden, Gewerkschaften, den Kirchen etc. geben wird. Ich wage die Prognose: keine einzige ...

Was ist also von einer Staatsanwaltschaft zu halten, die wohl einen genau von diesem Vorwurf rechtskräftig freigesprochenen, kleinen Staatsbürger unter der Beschuldigung der Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung verfolgt — aber alle Augen in jenen Fällen fest zudrückt, wo es ganz im Gegensatz zu kleinen Würstchen, wie eben diesem Herrn Sellner, vielleicht wirklich um etwas gehen würde?

Wenn ich mir ansehe, mit welch deutlich erkennbarer »Bearbeitungsunlust« sich die Ermittlungen bspw. in der Inseratenaffaire um einen ehemaligen SPÖ-Verkehrsminister (und später noch viel mehr) dahinschleppten, oder etwaige Straftaten von Gewerkschaftsfunktionären im Zusammenhang mit dem BAWAG-Skandal leider, leider in ungewissem Halbdunkel verbleiben, bis sie vielleicht leider, leider infolge Verjährung nicht mehr verfolgbar sind, dann darf immerhin gemutmaßt werden (wir wollen auch gegenüber der Staatsanwaltschaft doch stets korrekt bleiben!), daß hier ein Anfangsverdacht auf unterschiedliche Bearbeitungsweise je nach politischer Nähe bzw. Ferne des Behördenapparates im Verhältnis zum beamtshandelten Objekt nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden kann. Um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Denn wir wollen doch nicht, daß demnächst von der APA eine »Razzia gegen einen Blogger« gemeldet werden muß. Der im Gegensatz zu einem Herrn Sellner zwar keinerlei Spenden erhält — aber möglicherweise sich schon in seiner Spendenannahmeweigerung für eine Staatsanwaltschaft Graz erst recht verdächtig macht ...



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