Die Europäische Union feiert das Hochhalten ihrer Werte.
Nein, werte Leser, ich habe die Katalanen nicht vergessen, auch wenn
inzwischen die als Wahl getarnte Merkelbestätigung und die als
Hoppala getarnte Implosion der SPÖ etwas den Fokus verschoben haben.
Nachdem ich aber bereits hier
meine Bedenken gegen Spanien und die EU geäußert habe, habe ich
die Causa im Augenwinkel behalten. Es roch und riecht bis heute nach
Bürgerkrieg.
Das brutale Vorgehen der Guardia Civil gegen Katalanen irritiert. Es
wurde nach Augenzeugenberichten wahllos auf Menschenketten, die
Wahllokale schützen wollten, eingeprügelt und die Guardia schoss
Gummigeschosse in die Menge. Die Anzahl der Verletzten steigt
permanent, es sind hunderte. Mindestens. Männer, Frauen, Kinder;
Familien, die ihr demokratisches Grundrecht zu einer Abstimmung
wahrnehmen wollten, wurden niedergeprügelt.
Warum agiert Madrid mit solch offensiver Gewalt gegen Zivilpersonen?
Uns wird permanent aus den Randspalten der Medien vorgetrötet, die
Katalanen würden eben so ein bisschen völkisch-nationalistisch nach
Unabhängigkeit streben und das wäre eben vom Spanischen
Verfassungsgericht unterbunden worden. Aber ganz so ist es nicht. Es
gab in den vorbereitenden Umfragen bis heute nämlich eine satte
Mehrheit für die Gegner einer Abspaltung. Eigentlich bestand gar
keine wirkliche Gefahr, dass sich Katalonien für unabhängig
erklärt, bevor die Zentralregierung ihre Nationalmiliz hinschickte
und den Katalanen demonstrierte, wer hier das sagen hat. Das hat den
Separatisten mehr Menschen in die Arme getrieben als jede ihrer
Kampagnen.
Da fragt man sich schon, was Madrid geritten hat. Man hätte die
Katalanen einfach abstimmen lassen können, es bestand eh keine
wirkliche Gefahr eines Erfolges der Separatisten, und selbst im
Falle, dass es eng wird, hätte man das Ergebnis immer noch
höchstrichterlich wegen irgendwelcher Verfahrensfehler für ungültig
erklären können. Oder verfassungskonform im Parlament zerpflücken.
Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Es geht nicht um die
Katalanen und es geht auch nicht um deren Unabhängigkeit. Es geht um
das Referendum. Denn genau das ist es, was das Verfassungsgericht
verboten hat: das Referendum an sich. Egal, zu welchem Thema, es darf
kein regionales Referendum geben. Das darf keine Schule machen. Sonst
könnten statt der stolzen, aber recht feinsinnigen Katalanen schon
morgen die etwas rustikaler gestrickten Basken auch auf die Idee
kommen, eigene Referenden abzuhalten. In Spanien wohnt die Macht in
Madrid, und nur dort. Die Regionen genießen Autonomie, solange sie
auf dieser nicht bestehen. Klingt seltsam, aber es ist nun einmal ein
Königreich.
Und es ist ein Spiegelbild der EU, die in Schockstarre die
bürgerkriegsähnlichen Bilder einer außer Rand und Band geratenen
Miliz nicht einmal kommentiert. Man stelle sich solche Bilder aus
Ungarn oder Polen vor. Dann würden schon Botschafter ausreisen, die
EU eine Blockade ausrufen und faktisch diesen Staat isolieren und
seine Regierung mit allen Mitteln bekämpfen, bis wieder EU-konforme
Kriecher dort sitzen.
In dieser EU existieren souveräne Staaten, gewissermaßen autonome
Regionen, auch nur noch auf dem Papier. Die Briten hat man ziehen
lassen, weil das renitente Inselvolk sowieso den Granden ein Dorn im
Auge war. Aber der Rest braucht gar nicht nachzudenken, auch nur an
einen Austritt zu denken. Und Nettozahler schon gar nicht. Und
Separatistenbewegungen in den Regionen werden schon gar nicht
akzeptiert. Wenn das Schule machen würde und die EU die Separatisten
in ihren demokratischen Bestrebungen unterstützen würde, täten
morgen vielleicht die Norditaliener gegen die Süditaliener auf der
Matte stehen und in Belgien würde der sowieso permanent herrschende
Zustand des Fast-Zerfallens für ordentlich Feuer am Dach sorgen.
Ich sehe Katalonien als Beispiel für die gesamte EU, die sich wie
ein Feudalreich aufführt, ganz im Sinne ihres großen Helden Karls
des Großen, dem sie unterstellen, einen „Gedanken der europäischen
Einheit“ gehegt zu haben. Dabei war er einfach nur ein
erfolgreicher, weil auch recht brutaler, Eroberer. Wer sich einen
Feudalherrscher als geistigen Urvater aussucht, der mit Feuer und
Schwert ein Großreich erschuf, hat mit Demokratie und Referenden,
Autonomie oder gar Unabhängigkeit nichts am Hut.
Wenn man sich die aktuelle Diskussion im Windschatten der Zuwanderung
anschaut, wo denn nun die Werte der EU liegen - in Katalonien bekommt
man sie gerade demonstriert.
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