„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Donnerstag, 12. Januar 2017

Yes, we Kern!



Gestern ist es geschehen. Die Zeitenwende. Alles wird anders. Hosianna!
Österreich verabschiedet sich von der lustlos in ORF-Kameras gebrabbelten Ankündigungspolitik und ersetzt sie durch knallbunte Ankündigungsshowpolitik. Wir haben einen Plan A! Endlich! Und wir reden darüber! Das heißt, eigentlich redet nur einer, aber das unterhaltsam. Das Zeitalter der One-Man-Show ist angebrochen.






Nun muss man das ja nicht negativ sehen. Es wird zwar zu erwarten sein, dass sich nichts von den vollmundigen Ankündigungen des Großen Motivators wirklich in der Realität wiederfinden wird (was auch ganz gut so ist, wenn man an die letzten großen Megareformen dieser Regierung denkt wie einer Steuerreform, die wie immer die Mitte ausnimmt um die unteren und oberen Ränder zu bedienen oder einer „Reduzierung“ der reglementierten Gewerbe, bei der das Ergebnis größer ist als die Ausgangszahl) aber er bietet für die Milliarden, die unsere Politik so im Jahr sinnlos verschleudert wenigstens eine Show. Ein paar Gogo-Girls wären nicht schlecht gewesen um die Augen von der zappeligen Selbstdarstellung gelegentlich auszuruhen und zu weiden.

Repräsentative Demokratie war gestern. „Re“, das klingt so rückwärtsgewandt, so ewiggestrig, das lassen wir mal weg. Präsentativ, das reicht. Der Präsentator als Gegenpol zum Präsidenten. Hier der einschläfernd murmelnde Greis, dort das kreischbunt herumhüpfende Yuppimännchen.

Und was da an Knallern abgeschossen wurde, da wurde das Showpublikum bedient bis zum frenetischen Jubel. Alles dabei, was das Wahlvolk hören will: Arbeitsplätze, Flüchtlinge, Wohlstand, Gerechtigkeit, Reiche… Floskelbingo am Drehteller, wenn das Schule macht. Ich stelle mir gerade Mitterlehner vor einem schwarz geschnürten bunten Riesenpackerl vor, der flankiert von einem Gospelchor aus einem Flüchtlingsheim,  im Konfettiregen die schellingsche Entfesselung der Wirtschaft beschwört und dabei die Schleife löst und dem Paket entsteigt die „Miss Wirtschaft“, neurechtschreiblich zusammengeschrieben allerdings. Oder Strache, der sich auf einer blauen Quadriga mit vier vorgespannten Kapfenbergerinnen in Volltracht über die Bühne ziehen lässt und mit der Laute in der Hand und dem Lorbeerkranz am Kopf unter Blasmusik die Befreiung der Heimat besingt. Oder Glawischnig, die im Meerjungfrauen-Kostüm auf einem grünen Seerosenblatt aus der sich öffnenden Blüte steigt und begleitet vom Arbeiterchor der Jungen Kommunisten eine flammende Rede über die Diskriminierung weiblicher Wale hält, die neuesten Studien zufolge um zwei Fünftel weniger Krill fressen als männliche Wale, wenn sie mit Straches Blasmusik beschallt werden. Strolz in pink – ne, den gebe ich mir jetzt mal nicht, das würde zu peinlich.

Doch zurück zu unserem Kanzlermessias.
Man müsse den Staat führen wie ein Unternehmen, tönt der ehemalige Große Fahrdienstleiter eines der erfolgreichsten Schlepp…, äh, Transportunternehmens der Welt. Na das hört sich ja toll an! Hui, da hüpft das Herz – bis man darüber nachdenkt, was er wohl unter „unternehmerisch“ versteht.

Wie die ÖBB? So wird der Staat doch bereits geführt: Die Posten werden mit Parteisoldaten besetzt, der Betrieb ist nur Vorwand für Entlohnung, Kunden sind ein lästiges Übel, Verluste werden vom Steuerzahler gestemmt und wenn man das Image aufpolieren will gibt es einfach einen „staatlichen“ Großauftrag wie den Transport durchreisender Passverlierer auf Kosten der gleichen Steuerzahler, die ohne dieses Geschäft eben die Verluste ausgeglichen und sowieso bezahlt hätten. Nein, das ist kein unternehmerisches Handeln, das ist Monopoly spielen in einer geschützten Werkstätte, wo das Gefängnis zugemauert ist und jeder Verlust aus einer imaginären Schatzschatulle sofort ausgeglichen wird.

Würde man den Staat führen wollen wie ein Unternehmen, dann müsste als Erstes die derzeitige Unternehmensführung von den Eigentümern, also dem österreichischen Volk, sofort fristlos gefeuert werden und das komplette persönliche Vermögen eingezogen, um wenigstens Bruchteile des angerichteten Schadens wiedergutzumachen.

Wenn ein Unternehmer so kreativ rechnen würde wie unsere Staatslenker bei den Ausgaben, bei den Einnahmen, bei den Arbeitslosenzahlen, bei den Einwanderungszahlen; wenn die internen Berichte von der Qualität wären wie unsere Statistiken und Hochrechnungen, dann würde der schneller vor dem Kadi stehen und die Bastonade spüren, als ein Herr Kern die Anzahl der Buchstaben seines Namens durchzählen kann.

Ich wäre sofort dafür, einen Staat nach unternehmerischen Prinzipien zu lenken. Aber nicht nach denen, die ein parteikonformer Kommunikationsfuzzi in einer geschützten erzroten Werkstätte kennengelernt hat sondern nach denen, die für tausende Unternehmer und Selbstständige im Land die Basis ihrer Existenz darstellen. Von der Chance auf guten Gewinn und ein Leben in Wohlstand bis zum Risiko der Insolvenz und zur Haftungsklage gegen Entscheidungsträger. Zum unternehmerischen Handeln gehört nämlich auch das unternehmerische Risiko, und das bedeutet nicht, sich bei Bedarf aus dem Amt zu schleichen und einen UNO-Versorgungsposten abzugreifen sondern im Extremfall unter der Brücke zu landen. (In Deutschland gab es da mal eine Statistik, dass ein Viertel der Obdachlosen direkt aus der Selbstständigkeit kamen und nach der Firmenpleite alles verloren und auf der Straße landeten. Es gab aber keinen Hinweis, dass auch nur ein einziger zurückgetretener Politiker dabei war.)

Unternehmen spielen in der geschützten Werkstätte, das heißt Motivationsschulungen besuchen, Workshops mit NLP-Trainer, Work-life-balance-Guru, Flipchart mit kreativberechneter Aufwärtskurve und Entspannungsmatten für die Yoga-Einlage. Präsentationstrainings, Selbstdarstellung, we make Austria great again! Yes, we Kern!

Das hat uns gefehlt in der Politik. Denn: Wenn schon inhaltsloses Kasperletheater, dann doch bitte mit einer anständigen Show! In einer großen Halle und mit gefiltertem Einlass. Nicht, dass da noch die Realität reinkommt.

2 Kommentare:

raindancer hat gesagt…

im Prinzip ist die SPÖ zur ÖVP verkommen
Wer hat uns verraten?

Fragolin hat gesagt…

Werte raindancer,
herzlich Willkommen, schön Sie auf meinem Blog zu treffen,
ich glaube, da ist etwas zusammengewachsen über Jahrzehnte der gemeinschaftlichen Machtinteressen, wo beide Seiten aufeinander zugegangen sind, zu einem Einheitsblock verschmolzen und gemeinsam nach links gewandert.
Was Kern hier ablässt ist ausschließlich urkommunistisches Gedankengut aus dem vorigen Jahrhundert, eingepackt in eine modern spielende Show; altbewährter ausgelutschter Kleister in frisches buntes Bonbonpapier gewickelt. Und von der angeblich christlich-bürgerlichen ÖVP kommt nicht mehr als ein "Jo eh.".
Verraten haben uns beide. (Ich bin Selbständiger...)
MfG Fragolin