„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Donnerstag, 5. Januar 2017

Der größte Lump im Land



Mal wieder „fake news“. Abgesehen davon, dass es sicher Falschmeldungen gibt und diese selbstverständlich geahndet gehören (den gesetzlichen Rahmen gibt es, die Behörden auch, sie müssen nur ihren Job tun und die „Qualitäts“-Medien dürfen dann genüsslich darüber berichten, dass ein Falschmeldungsverbreiter überführt wurde) ist es immer wieder putzig zu sehen, um was es wirklich geht.
Die Behörden könnten Aufklärungsarbeit leisten, Trigger erklären, zur Aufmerksamkeit auf bestimmte Quellen auffordern, also vernünftige Prävention durch Information betreiben. Aber was tun sie im Zeitalter des postfaktischen Emotionalismus?
Setzen auf Aktionismus mit „Identitären“-Niveau und rufen dann auch noch auf:
„Die Polizei rief alle Internetnutzer dazu auf, derartige Posts umgehend zu melden und nicht wahllos zu verbreiten.“


Was sind „derartige Posts“? Welche Bedingungen muss ein Posting erfüllen um „derartig“ zu sein? Macht allein die Tatsache, dass negativ über sogenannte „Flüchtlinge“ berichtet wird, ein Posting „derartig“? Oder geht es allgemein um Korrekturen amtlicher (Nicht-)Meldungen durch angebliche (oder echte, wer weiß und kann das prüfen?) Augenzeugen? Reicht es für eine Meldung, der amtlichen Regierungslinie zu widerlaufen, um „derartig“ zu sein? Oder geht es um Meldungen allgemein, von deren Quelle der Internetnutzer die Seriosität nicht überprüfen kann? Kann ein beliebiger Internetnutzer die Seriosität einer Quelle überhaupt überprüfen?

Anders gefragt: Kann ein beliebiger Medienkonsument die Seriosität der Informationsquelle irgendeiner Meldung überprüfen? Und muss er das auch? „Derartige“ Meldungen erscheinen ja auch in „Qualitäts“-Medien, die ihre Quellen unter Verschluss halten wie der ORF die Original-Videobänder seiner „Reportagen“. Oder Aussagen der „syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“, die sich wie eine große Organisation aus Beobachtern vor Ort anhört, in Wirklichkeit aber der Ein-Mann-Propagandabetrieb eines Assad-Hassers im britischen Exil ist, der seit Jahren keinen Fuß mehr auf syrischen Boden gesetzt hat und seine Informationen von anrufenden Freunden bekommt. Natürlcih vollkommen neutral und wahrheitsgerecht, deshalb greifen die Presseagenturen auch gerne seine Aussendungen auf. Was sind die Aussagen einer solchen propagandistischen Meldungsproduktionsstätte? Fake news?

Hat eigentlich die Polizei im vorliegenden Beispiel ernsthafte Ermittlungen geführt und kann eindeutig belegen, dass es sich hundertprozentig um eine Falschmeldung handelt? Liegen eindeutige Beweise vor? Ist es zu einer Anklage gekommen? Wenn ja: ist es nicht Aufgabe eines Gerichtes, festzustellen, ob sich jemand der Verbreitung einer Falschmeldung zum Schaden der Gesellschaft oder einer Personengruppe schuldig gemacht hat? Kann die Ermittlungsbehörde die Ergebnisse ihrer Ermittlungen bereits vor einem Verfahren zu Propagandazwecken benutzen? Und wenn sie es nicht hundertprozentig beweisen kann (bitte die rechtsstaatliche Beweislast bedenken) und sogar das Risiko eingeht, vom Verbreiter der Nachricht bloßgestellt oder gar angezeigt zu werden, weil sie etwas als Falschmeldung bezeichnet haben, was sich hinterher doch als Wahrheit herausstellt? Was ist das dann? Fake news?
Oder hat sie diese selbst erstellt, um ein Beispiel zeigen zu können, weist aber nicht explizit darauf hin, dass es sich um fake-fake-news handelt? Wären das nicht, erraten, fake news?

War es das wirklich wert, sich sooo weit aus dem Fenster zu lehnen, nur um dem Tucholskyschen „Größten Lump im ganzen Land“ seine blockwartigen Gelüste zu wecken?

Noch mal die Textstelle:

„Die Polizei rief alle Internetnutzer dazu auf, derartige Posts umgehend zu melden und nicht wahllos zu verbreiten.“

Darum geht es. Und nur darum.

Wie kann ein beliebiger Internetnutzer die rechtliche Relevanz einer beliebigen Internetmeldung exakt einschätzen, um rechtlich sicher zu sein, es hier mit einem meldungswürdigen Vergehen zu tun zu haben?

Egal, der Denunziant soll aus seinem Loch gekrochen kommen und Denunzieren.

Geschichte wiederholt sich.

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