„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Mittwoch, 4. Januar 2017

Getretene Hunde



Putin-Fans und Amerikahasser waren noch die harmloseren Bezeichnungen, die man sich einfangen konnte, wenn man die Meldungen über einen angeblichen Hackerangriff der Russen gegen einen US-Stromkonzern anzuzweifeln wagte. Und nun das:


Ohne auf die von Begeisterung getragene Verbreitung von „fake news“ durch presseförderungsgemästete und regierungsinseratenverwöhnte „unabhängige Qualitätsmedien“ eingehen zu wollen, zieht im Kielwasser dieser Meldungen ein anderes Phänomen seine Bahnen, das man in den Diskussionsforen der Medien beobachten kann: Auf Zweifel oder Fragen wird sofort mit einem ausgeprägten Beißreflex geantwortet.

Man konfrontiere die Forenteilnehmer mit Argumenten wie:
Seit Husseins Massenvernichtungswaffen sollte man Meldungen der Geheimdienste hinterfragen.
In dem Bericht steht nirgends, dass Moskau dahintersteckt, sondern nur, dass es so sein könnte.
Wem nutzt es, wenn schnell noch Eskalation betrieben wird, dem scheidenden Hampelmann der kriegstreibenden Clinton-Clique oder dem in wenigen Tagen sein Amt antretenden "the greatest fuck you!"-Großmaul, der sich mit Putin an einen Tisch setzen will?
Seit wann sind ausgerechnet die Russen die technologischen Hacker-Weltmeister, wo russisches Know-How eher für Grobmotorik steht und russische Technik den Ruf hat, eher robuster Mechanik zu vertrauen als ausgefeilter Elektronik?
Die internationalen Software-Schmieden liegen in den USA, in Indien und China; Russland fällt da bisher etwa so auf wie Brasilien oder Namibia.

Was passiert? Gibt es Antworten auf solche Argumente? Ich habe es in einigen Foren heimischer Medien probiert und in anderen, die mich bereits wegen allzu renitentem Zweifeln hinausgeworfen haben, beobachtet.
Der Tenor der Antworten: Putin-Troll, Diktatorenliebhaber, Sankt Petersburger Lohnschreiber, Amerikahasser, Amerikabasher, Trump-Cheerleader...
Was sagt das über die sogenannten "Diskutanten" aus? Abgesehen davon, dass wohl einige Tanten dabei waren, die aber nichts mit "Disku" zu tun haben - sie besitzen keine Argumente. Es gibt keine Beweise, es gibt nicht einmal Hinweise, es gibt nur aufgeplusterte Agenturmeldungen auf der Basis von Vermutungen aus inhaltsfreien Geheimdienstberichten. Propaganda. Stimmungsmache ohne Substanz, Kriegstreiberei, Eskalation. Und begeisterte Claqueure, die jeden Zweifel an der Wahrheit mit persönlichen Angriffen beantworten.

Die Vermutung liegt nahe, dass einige der Wortmeldungen automatisierte Anrotzungen durch Social Bots waren. Roboter können nicht argumentieren, sie generieren nur Textblockmelange auf Reizwort, sie sabbern automatisch wenn das Trigger-Glöckchen erklingt. Sie sind die Schneeflöckchen der digitalisierten Diskussionsräume, sie trällern mit blecherner Stimme: "Lalala, ich hör dich nicht, du bist ein mieser Hetzer!" Sie sind die Fortsetzung der Nazikeule mit modernen Mitteln, die jeden Meinungsdissidenten sofort mit Bezeichnungen belegen, die geeignet sind, zarte Seelen von jeder Kritik abzuhalten um nicht in den Ruch zu kommen, auf der falschen Seite zu stehen.

Ich habe diese Zuordnungen mit angebrachtem Humor betrachtet. Es ist nämlich vollkommen bedeutungslos, wie man von Propagandisten, Lohnschreibern und Social Bots genannt wird. Wichtig ist, dass man sie bloßstellt. Wie man das schafft? Mit argumentiertem Zweifel. "Getretetene Hunde jaulen" heißt das gute alte Sprichwort. Wenn sie jaulen, hat man sie getroffen.

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